News 02. 02. 2012

Engelberg: „IKG muss aus dem Schatten der Schoa heraustreten“

Martin Engelberg will Ariel Muzicant als Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde in Wien nachfolgen. Schon beim ersten Antreten mit seiner neuen Liste „Chaj – Jüdisches Leben“ erhebt er Anspruch auf das Präsidentenamt. Im Interview mit religion.ORF.at erklärt er, warum er seine Chancen so hoch einschätzt und was er als Präsident ändern würde.

Herr Engelberg, warum haben Sie sich zu einer Kandidatur für das Präsidium der IKG entschieden?

Mein Team und ich hatten einfach das Gefühl, dass in der IKG eine neue Phase ansteht. Nach dem Krieg gab es eine erste Phase, in der überlegt wurde, ob man überhaupt versuchen soll, die Gemeinde in Wien wiederaufzubauen. Darauf folgte eine zweite Phase, in der unter den Präsidenten Grosz und Muzicant eine Infrastruktur, eine Gemeinde aufgebaut wurde. Unserer Meinung nach muss jetzt eine dritte folgen, in der wir versuchen, diese Gemeinde mit Leben zu erfüllen.

Welche Ziele haben Sie mit ihrer Liste für die IKG?

Ich glaube, dass die IKG mehr sein muss, als sie es derzeit ist, mehr als eine Immobilien-Entwicklungs-GesmbH. Wir wollen für mehr Jugendarbeit, mehr Kulturarbeit, einfach mehr Gemeindeleben sorgen. Erinnern und Trauern ist zwar sehr wichtig, aber wir müssen uns aus dem Schatten der Schoa heraus bewegen, andere Prioritäten setzen. Das passiert in den größten jüdischen Gemeinden der Welt, in den USA und in England zum Beispiel, aber nicht in Wien.

Warum ist dafür eine neue Liste notwendig? Hätte man sich nicht einer bereits bestehenden Gruppierung anschließen können?

Nein. Abgesehen von der Muzicant-Liste haben die meisten anderen Listen eine begrenzte Zielgruppe, wie zum Beispiel die Liste „Sefardim – Bucharische Juden“ oder die „Georgischen Juden“. Das aschkenasische, nicht-orthodoxe Judentum wurde bisher nur von „Atid“, der Muzicant-Liste, angesprochen – und die hängt meiner Meinung nach in der angesprochenen zweiten Phase fest.

Sie werden in zahlreichen Medien als „der“ Gegenkandidat zum Nachfolger von Ariel Muzicant bei Atid“, Oskar Deutsch, präsentiert, obwohl sie mit einer neuen Liste antreten. Woher kommt dieser hohe Anspruch?

Eben daher, dass es für einen Großteil der Wählerinnen und Wähler bisher eigentlich nur die Liste Muzicant gab. So etwas wie „Traditionsparteien“ – wie in der politischen Landschaft Österreichs – gibt es bei uns ja nicht, die Wählerlisten formieren sich im Prinzip für jede Wahl neu. Auch Muzicant wurde bei seinem ersten Antreten 1998 gleich Präsident. Seine Liste hat damals fünf von 24 Sitzen erreicht – die rechne ich mir mindestens aus.

Ihr Ziel ist also dezidiert das Amt des Präsidenten?

Ja, ich rechne mit einer Entscheidung zwischen Oskar Deutsch und mir. Einfach aus Jux und Tollerei würde ich auch nicht antreten. Das verlangt ja auch ein großes Commitment, das ich mir nicht antun würde, wenn ich nicht große Erfolgschancen sähe.

Was würden Sie anders machen als Muzicant?

Ich teile seine politischen Ansichten durchaus, würde aber für einen anderen Stil, für eine andere Art der Öffentlichkeitsarbeit eintreten. In der Auseinandersetzung mit der FPÖ zum Beispiel würde ich mehr auf Zusammenarbeit mit dem Rest der Zivilgesellschaft setzen. Persönliche Kampfansagen halte ich für kontraproduktiv.

 

Michael Weiß, religion.ORF.at

 

 

 

Mehr Dazu
31. 01. 2012

IKG-Wahl: Neue Liste kündigt Kandidatur an

Für die Wahlen der Isrealitischen Kultusgemeinde Wien hat der Psychoanalytiker und Consulter Martin Engelberg sein Antreten mit einer neuen Liste angekündigt.

>>mehr