News 07. 02. 2012

OSZE: Schweiz soll Dachorganisation für Muslime fördern

Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) sieht in der Schweiz eine Zunahme der Diskriminierung von Muslimen. Sie empfiehlt der Schweiz deshalb in einem Bericht, die Bildung einer Dachorganisation für Muslime zu fördern. Ein muslimisches Parlament ist derzeit in Planung.

Intoleranz und Diskriminierung gegenüber Muslimen sei nach 2001 in der Folge von internationalen Spannungen gewachsen und „von rechts stehenden und populistischen Parteien ausgenützt“ worden, stellen drei Beauftragte OSZE fest, die im November die Schweiz besucht hatten. So würden zum Beispiel albanische und bosnische Migranten nicht mehr über ihre Ethnie definiert, sondern über ihre Religion, schreibt die OSZE in ihrem Bericht, der Ende Januar publiziert wurde und von dem die Nachrichtenagentur sda am Dienstag eine Kopie erhielt.

Dachorganisation könnte Diskriminierung eindämmen

Besonders offensichtlich ist die Diskriminierung ist laut OSZE bei Einbürgerungsgesuchen und bei der Arbeit. Nichtregierungsorganisationen (NGO) hätten gegenüber der OSZE von mehreren Vorfällen berichtet, wo Muslime von Arbeitgebern diskriminiert worden seien. Die OSZE empfiehlt der Schweiz deshalb in ihrem Bericht, die Bildung einer Dachorganisation für Muslime zu unterstützen und zu fördern. Positive Schritte gegen die Diskriminierung würden behindert, weil die Muslime keine Dachorganisation hätten, die für ihre Interessen eintritt.

„Umma Schweiz“ in Planung

Genau daran arbeiten zwei große Verbände muslimischer Vereine in der Schweiz schon seit längerer Zeit. Sie planen derzeit die Schaffung einer gemeinsamen islamischen Glaubensgemeinschaft, die analog zu den jüdischen und christlichen Religionsgemeinschaften in der Schweiz als offizielles Vertretungsorgan fungieren soll. Sie bereiten die Wahl einer Art Parlament vor, das in Zukunft alle in der Schweiz lebenden Muslime repräsentieren soll. Das Parlament, genannt „Umma Schweiz“, könnte ab 2013 gebildet sein, sagte Farhad Afshar, Präsident der Koordination Islamischer Organisationen Schweiz (KIOS), am Dienstag auf Anfrage der Nachrichtenagentur sda. Mit von der Partie ist neben der KIOS die Föderation islamischer Dachorganisationen der Schweiz. „Umma“ ist arabisch und bedeutet „Gemeinschaft aller Muslime“.

Schweizer Muslime sollen mit einer Stimme sprechen

„Umma Schweiz“ soll es den rund 400.000 Muslimen in der Schweiz ermöglichen, mit einer Stimme zu sprechen und ihre Anliegen an die politischen Instanzen der Schweiz weiterzuleiten, wie der KIOS-Präsident ausführt. Eine Testwahl solle im Herbst in Basel-Stadt durchgeführt werden. Falls dort alles gut laufe, könnten im Winter schweizweit Wahlen durchgeführt werden, sagte Afshar. Jeder in der Schweiz wohnhafte Muslim könne dafür kandidieren, sofern er die Statuten akzeptiere. Momentan arbeite eine Kommission zusammengesetzt aus Experten des öffentlichen Rechts und des islamischen Rechts daran, die Statuten der neuen Gemeinschaft zu erarbeiten, sagte Afshar. Die Gemeinschaft solle mit eidgenössischem und kantonalem Recht im Einklang stehen.

Keine staatliche Mithilfe erwartet

Afshar erwartet aber nicht, dass der Staat sich in die Bildung einer muslimischen Dachorganisation einmischt. Er respektiere die klare Trennung zwischen Staat und Kirche in der Schweiz. Dies plant der Bund laut Michele Galizia, Leiter der Fachstelle für Rassismusbekämpfung, auch nicht. Denn die Empfehlung der  OSZE, nach der die Schweiz die Bildung einer muslimischen Dachorganisation fördern solle, werde nicht geteilt. Der Dialog mit den religiösen Gemeinschaften sei keine Angelegenheit des Bundes, sondern der Kantone. Der Bund übe auf keinen Fall Druck auf die Muslime aus, damit diese sich zusammenschließen würden. Dies werde von Christen auch nicht verlangt.

OSZE: Regelmäßige Kontrolle der Mitgliedsstaaten

Die OSZE-Beauftragten hatten sich im November in der Schweiz ein Bild über den Umgang mit religiösen Minderheiten gemacht. Unter anderem trafen sie sich mit Repräsentanten der Kommissionen gegen Rassismus und für Migrationsfragen sowie des Rats der Religionen. Einblick erhielten die OSZE-Beauftragten auch in Forschungsprojekte. Die OSZE informiert sich regelmäßig über die Bemühungen der Teilnehmerstaaten gegen Intoleranz und Diskriminierung religiöser Minderheiten. Die Rolle der muslimischen Minderheit in der Schweiz ist vor allem seit November 2009 ein heißes Thema, als via Volksabstimmung ein Minarettbauverbot in der Verfassung verankert wurde.

 

(sda, religion.ORF.at)

 

 

 

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