News 15. 02. 2012

Ayaan Hirsi Ali: „Krieg gegen Christen in der islamischen Welt“

Die ehemalige Abgeordnete des niederländischen Parlaments und umstrittene Islamkritikerin Ayaan Hirsi Ali weist in einem viel beachteten Artikel der US-amerikanischen Zeitschrift „Newsweek“ auf die Verfolgung von Christen in islamischen Ländern hin. Hirsi Ali zufolge würde über diese „Schlacht“, bei der Christen vertrieben und ermordet würden, von den Medien kaum berichtet.

Hirsi Ali spricht von einem „schleichenden Genozid“, über den wegen der Arbeit von islamischen Lobbyisten in westlichen Ländern  nicht berichtet würde. Als Beispiele für solche Fälle von „Christophobie“ nennt Hirsi Ali die Anschläge der nigerianischen Terrorgruppe Boko Haram, Morde an koptischen Christen in Kairo durch das Militär und  Gewalt gegen Christen im Sudan. Ebenso erwähnt Hirsi Ali das Blasphemie-Gesetz in Pakistan, aufgrund dessen eine christliche Frau zum Tode verurteilt wurde.

Islamophobie versus Christophobie

In dem Artikel stellt Hirsi Ali Anfeindungen gegen Muslime in westlichen Gesellschaften Gewaltakten gegen Christen in muslimisch geprägten Ländern gegenüber. Sie sieht Muslime in den Medien permanent als Opfer dargestellt, während Christen Gewalt oder Unterdrückung  erführen, über die kaum berichtet werde. „ Islamophobie“ bezeichnet Hirsi Ali als einen „von muslimischen Organisationen prominent gemachten Begriff“, der „jede Anfeindung gegen Muslime als systematische und böswillige Geistesgestörtheit“ darstellen soll. Dazu zieht sie einen Vergleich mit „der blutigen Christophobie“, deren „Ausmaß und Schwere“ die Anfeindungen gegenüber Muslimen „verblassen“ ließen.

„Hirsi Alis Argumentation fördert Stereotypenbildung“

Mit dieser Art von Kritik am Islam ist die somalisch-stämmige Niederländerin nicht unumstritten: „Ayaan Hirsi Ali gehört zu jenen prominenten Figuren, die die Gleichsetzung von Islam und radikalem Islamismus in öffentlichen Debatten vorantreiben“, meint etwa der renommierte Wiener Politikwissenschafter Farid Hafez gegenüber religon.ORF.at. Hafez sieht dies vor allem im Hinblick auf das Bild, das Hirsi Ali vom Islam zeichnet, als problematisch, da sie Menschen mit muslimischem Hintergrund pauschal mit „Stereotypen der Gewalt, Unterdrückung und anti-demokratischer Gesinnung“ in Verbindung bringe.

Diplomatischer Druck und wirtschaftliche Sanktionen

Um christlichen Minderheiten in muslimisch geprägten Ländern zu helfen, schlägt Hirsi Ali vor, Investitionen und Hilfszahlungen von der jeweiligen Lage in Bezug auf die Religionsfreiheit abhängig zu machen. Auch Druck auf diplomatischer Ebene könne die Situation verbessern. Dies begrüßt etwa auch die Organisation „Christian Solidarity International“ (CSI),  die sich für die Situation von Christen einsetzt, wo diese eine religiöse Minderheiten darstellen.  „Es ist an der Zeit, eine breite Öffentlichkeit über  dieses lang unterschätzte Problem der Verfolgung von wehrlosen Christen eingehender als bisher zu informieren“ , so Pia de Simony, Pressesprecherin von CSI Österreich.

„Islam“ und „Westen“ als Gegensatzpaar

Hafez spricht von Hirsi Ali als Vertreterin eines „Aufklärungsfundamentalismus“. Gemeint sei damit die Idee, dass Aufklärung als ein festgelegter Vorgang verstanden wird, den  „der Westen“  schon abgeschlossen habe, während er „dem Islam“  noch bevorstehe. Eine solche Gegenüberstellung einer islamischen und einer westlichen Welt zieht sich auch durch den Artikel in „Newsweek“.  Auf allgemeine Unterschiede zwischen den erwähnten muslimischen Ländern und europäischen Staaten oder den USA – etwa die Tatsache, dass es sich bei den von ihr erwähnten Staaten in denen Gewalt gegen Christen verübt wird großteils nicht um stabile Demokratien handelt –  geht Hirsi Ali nicht ein.

Hirsi Ali als schillernde Figur in der Islamkritik

Hirsi Alis Auseinandersetzung mit der Situation von Christen in muslimischen Ländern ist vor dem Hintergrund ihrer bisherigen Kritik am Islam zu sehen. Als Politikerin und Schriftstellerin setzte sich auch bisher gegen Missstände in islamischen Ländern ein. Sie drehte gemeinsam mit dem niederländischen Filmemacher Theo van Gogh den Kurzfilm „Unterwerfung“, in dem Gewalt gegen Frauen in Berufung auf religiöse Schriften des Islams thematisiert wird. Van Gogh wurde nach Ausstrahlung des Films von einem militanten Islamisten ermordet.  Hirsi Ali, die selbst als Muslimin in Somalia aufgewachsen ist, distanzierte sich im Laufe ihres Lebens vom Islam und wurde zu einer strikten Kritikerin gewisser Praktiken, die in manchen muslimisch geprägten Ländern geläufig sind (etwa weibliche Genitalverstümmelung) aber auch zur Kritikerin des Islams an sich.

Gefährlicher „Authenzitätsmythos“

Hirsi Ali tritt in ihrer Kritik als „Islamkennerin“ auf, ein Faktor, den Farid Hafez für gefährlich hält: Sie stülpe sich „wie so manche Akteure der sogenannten Islamkritik“ einen „Authentizitätsmythos“ über, der sie als ehemalige Muslimin „besonders authentisch“ sprechen lasse. „Sie verknüpft Menschen mit muslimischem Hintergrund mit jenen negativen Stereotypen, die sie selbst vertritt“,  gibt der Bruno-Kreisky-Preisträger zu der oft harschen Kritik von Hirsi Ali am Islam zu bedenken.

 

(religion.ORF.at, Astrid Mattes)