News 15. 03. 2012

PGR-Wahl: Volksentscheid gegen Bischofsspruch

Mit dem Wahlzettel in der Hand werden am kommenden Sonntag österreichische Katholiken zur Urne schreiten.  In den rund 3.000 Pfarrgemeinden wählen sie ihre Pfarrgemeinderäte. Als „Stück gelebte Demokratie“ wird der Pfarrgemeinderat (PGR) oft bezeichnet. Aber wie viel Demokratie ist in der katholischen Kirche möglich? Rechtsprofessor Herbert Kalb antwortete auf die Fragen von religion.ORF.at.

 „Es kommt darauf an, was man unter Demokratie versteht“, sagt Professor Herbert Kalb vom Institut für Kanonistik, europäische Rechtsgeschichte und Religionsrecht an der Uni Linz. Wenn man unter Demokratie, eine Mehrheitsbestimmung verstehe, die „vom Volk durch das Volk für das Volk“ stattfinde, könne man die katholische Kirche nicht als demokratisch bezeichnen. „Aber wenn man darunter Partizipation und Mitbestimmung versteht, dann trifft das genau auf den Pfarrgemeinderat zu.“  Der Pfarrgemeinderat sei offiziell zwar nur ein „beratendes Organ“, dennoch habe er große Bedeutung.

Breites Aufgabenfeld

 „Wenn ein  Pfarrgemeinderat engagiert ist, hat er viel Einfluss“, ist Kolb überzeugt.  Außerdem seien Pfarrgemeinderäte so wichtig, weil sie ein breites Aufgabenspektrum abdecken: „Sie organisieren das Laienapostolat, Erwachsenbildung, Friedensarbeit. Sie unterstützen den Pfarrer in der Seelsorge, sind für soziale Fragen zuständig und setzen viele Projekte auf.“  Die Pfarrgemeinderatsordnung sei  zwar in jeder Diözese verschieden. „Aber die Aufgaben sind grundsätzlich gleich geregelt“, so Kalb.

Vetorecht des Pfarrers

Im Pfarrgemeinderat  können Laien aktiv an der Gestaltung des Pfarrlebens mitwirken, diskutieren und Beschlüsse fassen. Eine Person allerdings kann bewirken, dass Beschlüsse nichtig werden: Der Pfarrer. „Wenn er ein begründetes Veto einlegt, sind Beschlüsse des Pfarrgemeinderates unwirksam“, so stehe es in der Pfarrgemeinderatsordnung geschrieben, sagt Kalb.

Kinderstimmrecht: Eltern wählen
in Vertretung ihrer Kinder

Rund 30.000 Pfarrgemeinderatsmitglieder werden am Sonntag neu gewählt, sie werden für die kommenden fünf Jahre bestellt. Laut Schätzungen sind in Österreich 4,5 Millionen Katholiken wahlberechtigt. Bei den letzten Pfarrgemeinderatswahlen im Jahr 2007 machte jeder fünfte Katholik von seinem Stimmrecht Gebrauch. Auch ein Kinderstimmrecht gibt es in einigen Diözesen. Es ermöglicht Eltern in Vertretung ihrer noch nicht wahlberechtigten Kinder abzustimmen. Mutter und Vater geben dabei für jedes Kind jeweils eine halbe Stimme ab, Alleinerzieher haben für jedes Kind eine ganze Stimme. In der Diözese Eisenstadt hat Bischof Ägidius Zsifkovics dieses Kinderstimmrecht jedoch bei einer 2011 erfolgten Statutenreform abgeschafft.

Burgenland: Vertretungsfunktion gestrichen

Das Kinderstimmrecht ist aber nicht die einzige Änderung an den Statuten, die der Eisenstädter Bischof für seine burgenländische Diözese durchgeführt hat. „Die Pfarrgemeinde nach außen zu vertreten“ war bisher wichtige Aufgaben des Pfarrgemeinderates. Diese Vertretung wurde nun im §3 gestrichen. Der Wirtschaftsrat wiederum ist bei der Vermögensverwaltung nur mehr unterstützendes Organ des Pfarrers und nicht wie bisher, nach dem Statut von Vorgängerbischof Paul Iby, entscheidungsbefugtes Organ. Und Änderungen des Statutes für den Pfarrgemeinderat können in Zukunft nur mehr durch den Bischof allein erfolgen. Bisher galt die Regelung, dass eine Änderung nur im Pastoralrat mit Zweidrittelmehrheit erfolgen kann und der Genehmigung des Diözesanbischofs bedarf.

„Es ist kalt geworden“

Die Änderungen an den PGR-Statuten haben weniger eine kirchenrechtliche Bedeutung, als vielmehr eine Auswirkung auf das Klima in der Diözese, so hört man es von vielen Pfarrgemeinderäten. Zum Beispiel in Jennersdorf und Pinkafeld sieht man „den Hang des Bischofs zu mehr Zentralismus und Klerikalismus“ sehr kritisch und übt offen Kritik. Andere Pfarrmitarbeiter und Angestellte der Diözese wollen ihre Meinung nur hinter vorgehaltener Hand und unter der Garantie der Anonymisierung äußern. Immer wieder hört man in der Diözese, dass das „Klima kalt geworden ist“. Keine gute Voraussetzung für eine Wahl, in deren Konsequenz Menschen viele freiwillige Dienste in der Pfarren übernehmen werden.

Pfarrgemeinderatswahlen erstmals 1969

Eingeführt wurden die Pfarrgemeinderäte nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil. Das Dekret über das „Apostolat der Laien“ regte die Einrichtung beratender Gremien in den Pfarrgemeinden an. In Österreich wurden die ersten Pfarrgemeinderäte im Jahr 1969 in der Diözese Graz-Seckau und der Erzdiözese Salzburg gewählt.

 

 (Eva Lugbauer, Marcus Marschalek, religion.ORF.at)

 

 

 

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