News 19. 03. 2012

Millionen Ägypter trauern nach
Tod von Kopten-Papst Schenuda

Zehntausende Menschen haben in Ägypten am Sonntag Abschied vom verstorbenen Patriarchen Schenuda III. genommen, der vier Jahrzehnte an der Spitze der koptisch-orthodoxen Kirche stand. Vor der Sankt-Markus-Kathedrale bildete sich eine mehr als einen Kilometer lange Schlange von Gläubigen, die einen letzten Blick auf den Toten werfen wollten. Nach Kirchenangaben wurden im Gedränge sogar drei Menschen erdrückt.

Das Staatsfernsehen hatte an die Trauernden appeliert, nicht zu drängeln und betonte, der Abschied von Schenuda III. sei noch bis zu dessen Beisetzung am Dienstag möglich. Der in ein Messgewand gekleidete Leichnam des Patriarchen war in der Kathedrale in sitzender Haltung und mit goldener Krone auf dem Kopf auf einem Papstthron ausgestellt. Das geistliche Oberhaupt der koptischen Christen war am Samstagmorgen im Alter von 88 Jahren gestorben. Er stand den weltweit rund zehn Millionen koptischen Christen vor, von denen die meisten im Nahen Osten leben.

Trauerfeier am Dienstag

Nach Bekanntwerden der Nachricht am Samstagabend versammelten sich Tausende Kopten vor der Kathedrale von Kairo, um für Shenouda zu beten. Tausende verabschiedeten ihn auch am Sonntag bei einem Gottesdienst in Kairo. Wie das ägyptische Staatsfernsehen berichtete, wurde die Messe in der Markus-Kathedrale von Bischof Pachomius geleitet, der für zwei Monate die päpstlichen Aufgaben übernimmt, bis ein neuer Papst bestimmt ist. Am Dienstag ist die Trauerfeier geplant. Dann muss die größte christliche Gemeinde im Nahen Osten, die in Ägypten knapp zehn Prozent der Bevölkerung stellt, erstmals seit 40 Jahren wieder ein neues Oberhaupt bestimmen.  Schenuda war Ende 1971 zum Papst von Alexandria und zum Patriarchen der koptisch-orthodoxen Kirche gewählt worden.

Begraben in einem Wüstenkloster

Aus aller Welt reisen derzeit koptische Geistliche an, um an der Beerdigung am Dienstag teilzunehmen. Wie die Zeitung „Al-Ahram“ unter Berufung auf Kirchenkreise berichtete, wird er nach dem offiziellen Trauergottesdienst auf eigenen Wunsch in einem Wüstenkloster im nordägyptischen Wadi Natrun begraben. Dorthin hatte ihn einst der frühere ägyptische Präsident Anwar El-Sadat in die Verbannung geschickt. Der Vorwurf lautete, Schenuda habe „Zwietracht“ zwischen Kopten und Muslimen gesät. Unter Husni Mubarak durfte der Papst sein Amt dann wieder ausüben.

Schönborn: „Christenheit verliert einen der profiliertesten Oberhirten“

Auch in Europa zeigten sich Kleriker betroffen über den Todesfall. Der österreichische Kardinal Christoph Schönborn erklärte: „Mit dem Tod von Papst Schenuda verliert die Christenheit einen der profiliertesten und nachhaltig wirksamsten Oberhirten.“ Der Wiener SP-Abgeordnete und Vorstand der „Initiative muslimischer ÖsterreicherInnen“ Omar Al-Rawi teilte mit, er spreche der koptischen Gemeinde Wiens und Österreichs sein tiefstes Beileid und Mitgefühl aus. In der heiklen Situation des demokratischen Umbruchs, in der sich Ägypten befinde, werde eine „Integrationsfigur“ wie Schenuda fehlen. Die koptische und die katholische Kirche stehen einander theologisch sehr nahe. Auch Papst Benedikt kondolierte, wie der Vatikan mitteilte.

Muslimbruderschaft trauert

Ägyptens Großmufti Ali Gomaa beschrieb Schenuda Tod als „Tragödie und großes Leid für Ägypten und sein Volk“. Auch die Freiheits- und Gerechtigkeitspartei der Muslimbruderschaft trauerte um das Oberhaupt der Kopten und würdigte Schenudas „bedeutende Beiträge“ zur Innen-und Außenpolitik des Landes. Die liberale Al-Wafd-Partei lobte Schenuda „Weisheit, die Ägypten sektiererischen Unfrieden“ erspart habe.

Spannungen zwischen Muslimen und Kopten

Die Kopten fühlen sich in Ägypten von der muslimischen Bevölkerungsmehrheit unterdrückt und diskriminiert. Immer wieder kommt es zwischen Muslimen und der christlichen Minderheit zu gewaltsamen Auseinandersetzungen. Insbesondere seit dem Sturz von Präsident Hosni Mubarak im Februar vergangenen Jahres sind die Beziehungen zwischen Kopten und Muslimen gespannt. Schenuda III. hatte bis zuletzt Mubarak unterstützt, den er als Bollwerk gegen den Islamismus schätzte.

 

(APA/dpa)

 

 

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