Diskussion um homosexuellen Pfarrgemeinderat im Weinviertel
Die Wahl eines bekennenden homosexuellen Pfarrgemeinderats in der kleinen Weinviertler Gemeinde Stützenhofen im Bezirk Mistelbach sorgt für Unruhe und innerkirchliche Diskussionen.
Der Kandidat Florian Stangl erhielt die meisten Stimme bei der Pfarrgemeinderatswahl in Stützenhofen am vergangenen Sonntag. 94 Katholikinnen und Katholiken von insgesamt 142 Wahlberechtigten, das sind 80 Prozent der Stimmen, entschieden sich für ihn - mehr als für jeden anderen Kandidaten.
Kirchenleitung prüft
Doch jetzt wird von Seiten der Kirchenleitung in der Erzdiözese Wien geprüft, ob Florian Stangl wegen seines offenen Bekenntnisses zur homosexuellen Lebensweise das Amt als Pfarrgemeinderat überhaupt antreten darf. Dass Stangl homosexuell ist und mit seinem Freund in einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft lebt, ist und war in dem kleinen Ort kein Geheimnis: "Nachdem wir unsere Partnerschaft vor der Behörde geschlossen hatten, luden wir zu uns nach Hause, zu einem Fest ein zu dem mehr als die halbe Ortschaft kam", erinnert sich Stangl gegenüber dem "Kurier".
Missverständnisse und falsche Zitate
Bei ersten Journalistenanfragen zitierte der Pfarrer von Stützenhofen, Gerhard Swierzek, noch Kardinal Christoph Schönborn. Nach dessen Worten sei es laut kirchlichem Recht nicht möglich, dass ein Homosexueller, der in einer aufrechten Partnerschaft lebe, das Amt eines Pfarrgemeinderates ausübe. Jetzt will Pfarrer Swierzek gegenüber den Medien nichts mehr sagen. „Er sei falsch verstanden worden“ wird er in der APA zitiert. Vermutlich, denn im Interview mit der Wiener Zeitung im Jahr 2010 klingt der Kardinal bezüglich gleichgeschlechtlicher Partnerschaft weniger streng, als es den Worten des Pfarrers zu entnehmen ist. „Beim Thema Homosexualität etwa sollten wir stärker die Qualität einer Beziehung sehen. Und über diese Qualität auch wertschätzend sprechen." Doch ist das, was jetzt rund um den gewählten Pfarrgemeinderat Florian Stangl passiert, kirchliche Wertschätzung?
Katechismus: Keine Benachteiligung wegen Sexualverhalten
„Eine homosexuelle Neigung ist kein Hindernis für die Mitgliedschaft im Pfarrgemeinderat“, berichtet Michael Prüller, Leiter des Amts für Öffentlichkeitsarbeit und Kommunikation der Diözese gegenüber der APA. Auch der Katechismus der katholischen Kirche betont im Punkt 2358, dass man sich "hüten" solle, Homosexuelle "in irgendeiner Weise ungerecht zurückzusetzen“. In diesem Sinne hat auch Erzbischof Silvano Tomasi soeben erst vor dem UN-Menschenrechtsrat betont: "Der Vatikan hat sich gegen eine Diskriminierung von Homosexuellen gewandt und gleichzeitig Sonderrechte für bestimmte gesellschaftliche Gruppen ausgeschlossen. Der Vatikan lehne eine Diskriminierung jedweder Personen grundsätzlich ab. Dies gelte auch für jene, die aufgrund ihres Sexualverhaltens benachteiligt würden."
Verletzte Seelen
Laut Michael Prüller ist jedoch „ausgelebte Homosexualität etwas anderes“. Diese sei nach Auffassung des katholischen Lehramtes geeignet, die Seelen der Betroffenen schwerwiegend zu verletzen und gilt daher als schwere Sünde. Prüller beruft sich auf den vierten Artikel der Pfarrgemeinderatsordnung in Wien, in dem es heißt, dass nur Katholiken und Katholikinnen dem Pfarrgemeinderat angehören dürfen, die „sich zur Glaubenslehre und Ordnung der Kirche bekennen“.
Fixiert auf Sexualität?
In der Diskussion scheint die katholische Kirche einmal mehr auf das Thema Sexualität fixiert zu sein. Auch Steuerhinterziehung, Vorteilsnahme im Amt, unchristliches Verhalten im Arbeits- und Wirtschaftsleben, Verleumdung, etc. sind eine Vielzahl von Handlungen, die nicht mit Lehre und Ordnung der Kirche in Einklang zu bringen sind. Einige Unterstützer von Florian Stangl wagen zu bezweifeln dass die Kirche auch bei allen anderen Pfarrgemeinderäten genauso gewissenhaft prüft und allen „Vergehen“ nachgeht, wie beim Thema Homosexualität. Sie halten den Schluss für unzulässig, ein Katholik, der eine eingetragene Partnerschaft eingeht, würde sich dadurch nicht mehr zu Glaubenslehre und Ordnung der Kirche bekennen.
Diskussion online
In einschlägigen Onlineforen wird heftig diskutiert: „Bei strenger Auslegung der Wahlordnung müsste man noch eine Reihe anderer Personengruppen grundsätzlich vom passiven Wahlrecht ausnehmen: Wiederverheiratete Geschiedene, unverheiratet Zusammenlebende, Unverheiratete, die Sex vor der Ehe praktizieren. Warum wird ausgerechnet im Fall einer eingetragenen Partnerschaft dieser Passus bemüht, der in den anderen Fällen offenbar nicht von Belang ist?“, ist in einer Facebook-Diskussion zu lesen.
Die Glaubwürdigkeit steht auf dem Spiel
Hans Peter Hurka von "Wir sind Kirche" sieht die Glaubwürdigkeit der Kirche auf dem Spiel. "Die kirchlichen Leitungsverantwortlichen sind aufgerufen, das kirchliche Leben zu fördern und es nicht zu behindern oder gar zu zerstören. "Wir sind Kirche" fordert von Kardinal Schönborn "ein Hirtenwort das die Würde des Menschen achtet und am Geist des Evangeliums orientiert ist".
Pfarrgemeinderat will abwarten
Weniger fordernd und streitbar ist Gerhard Wolfram. Er ist der noch im Amt befindliche stellvertretende Pfarrgemeinderats-Vorsitzende von Stützenhofen. Im Gespräch mit religion.ORF.at betont er, dass der Pfarrgemeinderat die Entscheidung des Bischofs von Wien in jedem Fall akzeptieren werde. Sei es für oder auch gegen Florian Stangl.
(religion.ORF.at / Marcus Marschalek)