News 05. 04. 2012

Diakonie kritisiert Abschiebung traumatisierter Asylwerber

Die evangelische Diakonie hat einmal mehr heftige Kritik an der Abschiebung schwer kranker traumatisierter Asylwerber geübt. Christoph Riedl, Leiter des Diakonie Flüchtlingsdienstes, ließ am Donnerstag bei einer Pressekonferenz in Wien kein gutes Haar an der europäischen „Dublin II-Verordnung“, wonach automatisch jenes EU-Land, das als erstes von einem Schutzsuchenden betreten wird, für das Asylverfahren zuständig ist.

Österreich schiebe auf der Grundlage von „Dublin II“ Asylanten ab, auch wenn diese massiv traumatisiert seien - mit unabsehbaren Folgen für die Betroffenen. So würden beispielsweise Asylanten nach Ungarn abgeschoben, wo sie auf unbestimmte Zeit in Gefängnissen verschwinden oder gleich weiter nach Serbien abgeschoben würden, das seinerseits weiter abschiebe, kritisierte Riedl: „Anstatt sich immer neuen Abschottungsfantasien hinzugeben, sollte sich Österreich für ein solidarisches Aufnahmesystem für Flüchtlingen in Europa einsetzen.“ Mit dem derzeitigen „Wettbewerb der Unzuständigkeiten“ müsse Schluss sein.

Riedl fordert geschützte Einreiseverfahren

Riedl wies darauf hin, dass es auch jetzt schon im Rahmen der „Dublin II Verordnung“ die Möglichkeit gebe, etwa bei der Notwendigkeit einer ununterbrochenen stationären Behandlung eines Asylwerbers vom sogenannten „Selbsteintrittsrecht“ Gebrauch zu machen, und das Verfahren in Österreich abzuwickeln. „Wir fordern die Innenministerin dringend auf, davon Gebrauch zu machen“, so der Asyl-Experte. Weiters müsse auch das Sterben an den EU-Außengrenzen gestoppt werden, erklärte Riedl mit Verweis auf die unzähligen Todesopfer im Mittelmeer und an der türkisch-griechischen Grenze. Inzwischen sei es schutzbedürftigen Personen legal gar nicht mehr möglich, nach Europa zu gelangen, kritisierte Riedl. Es brauche „geschützte Einreiseverfahren“, die es Flüchtlingen ermöglichten, sicher nach Europa zu gelangen.

„Todeserfahrung, ohne selbst tot zu sein“

Traumatisierte Opfer von Gewalt und Missbrauch seien so massiv verletzt, dass dies mit einer „Todeserfahrung, ohne selbst tot zu sein“ vergleichbar sei, so der stellvertretende Diakoniedirektor Martin Schenk. Depressionen, Angst, Panikattacken, Ess- und Schlafstörungen stellten sich als Symptome ein. Zwischen fünf und 30 Prozent aller Asylwerber, je nach Herkunftsland, seien traumatisiert, sagte Schenk. Eine Therapie könne helfen, mit der Verwundung leben zu lernen und wieder positive Zukunftsperspektiven zu entwickeln. Neben einem therapeutischen Angebot brauche es auch passende Rahmenbedingungen: Sicherheit, Arbeitsmöglichkeiten und verständnisvolle Beziehungen. Allgegenwärtige Maßnahmen wie Schubhaft, schlechte Asylverfahren, sachunkundige Gutachter oder permanente Unsicherheit über die Zukunft würden die erlittenen Verwundungen nur aufs Neue aktivieren.

 

(KAP)