News 24. 04. 2012

Kardinal Koch: Ökumene für Kirche „nicht Kür, sondern Pflicht“

Ein Engagement in der Ökumene ist für die katholische Kirche „nicht Kür, sondern Pflicht“ - und zwar eine Pflicht, der sich jeder Gläubige aber auch die Kirchenspitze verpflichtet fühlen muss. Das unterstrich der Präsident des Päpstlichen Rates für die Einheit der Christen, Kardinal Kurt Koch, bei einem Vortrag an der Universität Wien am Montagabend. Weitere Referenten waren der evangelisch-lutherische Bischof Michael Bünker, der orthodoxe Theologe Ioan Moga und der Ostkirchenexperte Rudolf Prokschi.

Christliche Ökumene sei „kein bloßer Zusatz oder ein Anhängsel im Leben der Kirche, sondern gehört elementar zum Wesen der Kirche“. Besondere Relevanz erlange die Ökumene im Projekt der Neuevangelisierung. Der Vortrag über das „Zukunftspotenzial des Ökumenismusdekrets“ bildete den Höhepunkt eines Symposions aus Anlass des 50. Jahrestages der Eröffnung des Konzils. Das von der Universität Wien, den Wiener Theologischen Kursen und der Stiftung Pro Oriente ausgerichtete Symposion stand unter dem Titel „Erinnerung an die Zukunft“.

 „Fragmentierung“ des Weltprotestantismus

Ganz oben auf der ökumenischen Agenda müsse heute laut Koch die Frage nach dem Kirchenverständnis stehen. Dabei seien vor allem die aus der Reformation hervorgegangenen Kirchen angefragt, die beantworten müssten, ob sie die Reformation als „totalen Bruch“ verstehen oder sich in „bleibender Kontinuität mit den vorangehenden 1.500 Jahren“ sehen, so Koch. Sorge bereite ihm in diesem Zusammenhang eine „zunehmende und vielfältige Fragmentierung“ innerhalb des Weltprotestantismus, der zugleich eine Vervielfältigung der Ökumenebegriffe und des Verständnisses von Kircheneinheit mit sich bringe.

Taufe „Eingangstor“ zur Kirche

Die Fragmentierung führte Koch auf ein „relativ lockeres Verständnis der Einheit der Kirche“ und zugleich auf den großen Wachstumserfolg einiger vor allem charismatischer und evangelikaler protestantischer Kirchen zurück. Man habe in der heutigen Ökumene daher nicht mehr nur mit einzelnen Lehrunterschieden zu tun, sondern mit einer „anderen ekklesialen Grundstruktur und einem anderen Typ von Kirche“, so der Kardinal. „Eingangstor“ zur Kirche und zugleich Fundament der Ökumene bleibe demnach vor allem die Taufe und deren wechselseitige Anerkennung, so Koch. Man müsse auf diesem Punkt so beharren, da gerade von protestantischer Seite diese Frage oftmals aufgeweicht werde.

Papst Benedikt als „Garant eines stetigen Bemühens“

Als Garanten eines stetigen ökumenischen Bemühens verwies Koch nicht nur auf Johannes Paul II. sondern vor allem auch auf Papst Benedikt XVI., der etwa den ökumenischen Dialog mit der Orthodoxie neu gestartet habe - mit dem wichtigen Zwischenerfolg des Dokuments von Ravenna 2007. Außerdem habe Benedikt XVI. mit der Einrichtung des neuen Päpstlichen Rates zur Förderung der Neuevangelisierung ein „schönes ökumenisches Zeichen“ gesetzt und auf die Neuorientierung der Ökumene in Richtung einer gemeinsamen Praxis in der Neuevangelisierung verwiesen.

Piusbrüder am Zug

Benedikt XVI. habe  mit seinem Versöhnungsangebot an die Piusbruderschaft als Theologe und Kenner der Kirchengeschichte gehandelt. “Weil er wusste, dass bisher jedes Konzil ein Schisma zur Folge hatte, war es ihm ein Anliegen, alles zu vermeiden, damit sich dies in seiner Verantwortung nicht wiederholt“, betonte Koch. Jetzt liege es an den Piusbrüdern, definitiv zu antworten, so der Kardinal. Das betreffe speziell die Position zum Konzil.

Im Rahmen seines Wien-Besuchs trifft Kardinal Koch auch mit Kardinal Christoph Schönborn, dem Wiener griechisch-orthodoxen Metropoliten Arsenios Kardamakis und dem Vorstand des Ökumenischen Rates der Kirchen in Österreich (mit Bischofsvikar Nicolae Dura an der Spitze) zusammen.

Auswirkungen des Ökumenismusdekrets

Vor Kochs Vortrag loteten der evangelisch-lutherische Bischof Michael Bünker, der rumänisch-orthodoxe Theologe Ioan Moga und der katholische Theologe Rudolf Prokschi bei dem Symposion Rezeption und langfristige Auswirkungen des Ökumenismusdekrets für das ökumenische Gespräch aus. Zur Sprache kam dabei u. a. erneut auch die Debatte um das Kirchenverständnis der katholischen Kirche und das Schreiben „Dominus Iesus“ aus dem Jahr 2000, in dem der heutige Papst Benedikt XVI. die katholische Auffassung bekräftigte, Protestanten seien „nicht Kirche im eigentlichen Sinn“.

Bünker für Dialog über „Katholizität“ der Kirche

Bünker legte dazu die theologischen Auffassungsunterschiede dar, verwies aber auch darauf, dass er im aktuellen ökumenischen Dialog das Gespräch über die „Katholizität“, also die Ganzheit der Kirche, für wichtiger erachte. Bünker: „Eine Schlüsselstellung für die zukünftigen Gespräche sollte nicht unbedingt das Kirchenverständnis als solches - das ist hinreichend geklärt und die Unterschiede liegen klar am Tisch - und damit des Amtsverständnisses sein. Ich frage, ob es nicht einmal lohnend wäre, die Bedeutung der 'Katholizität' miteinander und füreinander zu überprüfen.“

Diskurs über „Schwesterkirchen“

Das Verhältnis der katholischen Kirche zur Orthodoxie und den damit zusammenhängenden Ausdruck „Schwesterkirchen“ analysierte im Anschluss Rudolf Prokschi. Im Zentrum stand dabei ein vor einigen Jahren bekannt gewordener Briefwechsel zwischen dem orthodoxen Metropoliten Damaskinos und dem damaligen Kardinal Joseph Ratzinger aus den Jahren 2000 und 2001 zur Erklärung „Dominus Iesus“ und die „Note über den Ausdruck Schwesterkirchen“ der vatikanischen Glaubenskongregation aus dem Jahr 2000. Letztere Note habe „den bis dahin uneingeschränkt positiv besetzen Terminus Schwesterkirchen stark relativiert und auf beiden Seiten neue Fragen aufgeworfen“, erinnerte Prokschi und versuchte anschließend auf Basis des Briefwechsel die Hintergründe der Debatte darzustellen.

Plädoyer für „geistlichen Ökumenismus“

Der rumänisch-orthodoxe Theologe Moga legte die Rezeption des Ökumenismusdekrets bei orthodoxen Theologen und Kirchenvertretern dar. Grundtenor nach der Veröffentlichung sei gewesen, dass das Ökumenismusdekret „Unitatis Redintegratio“ zusammen mit der Konzilskonstitution „Lumen Gentium“ über die Kirche „eine willkommene und verheißungsvolle Wende im Verhältnis zu den anderen Christen eingetreten ist, die neue Horizonte des Dialogs geöffnet hat“. Vor dem Hintergrund eines heute immer stärker werdenden Rufs nach einer „Ökumene der Ethik“, rief Moga zur verstärkten Wiederentdeckung des „geistlichen Ökumenismus“ auf. Fruchtbare Ökumene dürfe nicht nur auf das Eintreten für gemeinsame ethische Werte und Prinzipien von Christen reduziert werden. „Ökumene hat ohne eine geistliche Dimension kein Herz.“

 

(APA/KAP)

 

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