News 18. 05. 2012

Deutscher Katholikentag:
Mannheim wagt den Aufbruch

Seit Mittwochabend steht Mannheim in Baden-Würtenberg ganz im Zeichen des 98. Katholikentages. Unter dem Motto „Einen neuen Aufbruch wagen“ sollen bis einschließlich Sonntag 1.200 Einzelveranstaltungen für 60.000 Besucher über die Bühne gehen.

An Kritik hat es im Vorfeld nicht gemangelt. Der Kölner Erzbischof Kardinal Joachim Meisner sagte  dem „Bonner General-Anzeiger“ und der „Kölnischen Rundschau“ im fehle „die katholische Mitte“, bei der die Einheit von Papst, Bischof, Priestern und dem Volk Gottes zu spüren sei. „Die Katholikentage sind in meinen Augen nicht mehr das, was sie mal waren.“ Aber auch von der anderen Seite kamen Einwände. Basis- und Reformgruppen rund um „Wir sind Kirche“ Deutschland werfen den Veranstaltern vor, strittige Themen auszulassen oder nur oberflächlich zu behandeln. Parallel zum „offiziellen“ Kirchentag haben sie ein Alternativprogramm organisiert.

Organisator Alois Glück, Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, kann diese Kritik nur bedingt nachvollziehen. „Wir wollen den partnerschaftlichen Dialog, wir wollen nicht die Konfrontation.“ Dabei sieht Glück vor allem das Thema Seelsorge im Zentrum. „Es gelingt immer weniger, junge Menschen zu erreichen“, sagte der Laienvertreter in einem Interview mit dem Deutschlandradio und plädierte für „mehr Partnerschaftlichkeit in der Kirche: zwischen Frauen und Männern, zwischen Laien und Klerikern“.

Der „Mannheimer Aufruf“

Dass es dafür Reformen benötige, mahnte das Zentralkomitee der deutschen Katholiken noch vor dem offiziellen Beginn des Katholikentages in einem am Mittwoch veröffentlichten Aufruf  ein. Vor allem geschiedene und wiederverheiratete Menschen sowie konfessionsverschiede Paare würden sich „von ihrer Kirche verlassen“ fühlen. Hier seien Verbesserungen von Seiten der Kirche überfällig. Zudem fordert die Spitzenorganisation der katholischen Laien den Zugang von Frauen in kirchliche Führungspostionen.

Vorsitzender der deutschen Bischofskonferenz für konkrete Reformen

Worte für einen kirchlichen und gesellschaftlichen Wandel  fand der Erzbischof der gastgebenden Diözese Freiburg bei der Eröffnungsfeier am Mittwochabend. Robert Zollitsch, der auch Vorsitzender der deutschen Bischofskonferenz ist, gestand ein, dass viele Gläubige von ihrer Kirche enttäuscht seien. In Mannheim müssten deshalb konkrete Fragen nach Reformen und Veränderungen in der Kirche debattiert werden.  Dass in den Tagen bis Sonntag vor allem das Gespräch im Mittelpunkt stehen sollte, machte Zollitsch bereits in einem Interview im ZDF Mittwochfrüh klar. „Der Katholikentag ist aber kein Parteitag, um Beschlüsse zu fassen.“

Schüller in Mannheim

Dem am Kirchentag geführten Dialog können kirchliche Basis- und Reformgruppen nur wenig abgewinnen. Sie wollen beim parallel zum Kirchentag stattfindenden Alternativprogramm vor allem kritische Stimmen zu Wort kommen lassen. Dort wird am Samstag unter anderem Helmut Schüller, Sprecher der österreichischen Pfarrer-Initiative, bei einer Podiumsdiskussion sprechen. Der Auftritt des österreichischen Pfarrers hatte kurzzeitig für Wirbel gesorgt, nachdem der „Spiegel“ fälschlicherweise von einer angeblichen Rede Schüllers am Katholikentag berichtet hatte.

Kritik und offene Worte

Am Kirchentag selbst ging der deutsche Bundestagspräsident Norbert Lammer (CDU) am Donnerstag mit den deutschen Bischöfen und dem Vatikan hart in Gericht. Die Bischöfe setzten sich zu wenig für die Belange der deutschen Katholiken ein. „Ich vermisse bei ihnen den Mut, den sie von Laien in ähnlichen Fällen wöchentlich einfordern“, sagte er unter Applaus bei einer Podiumsdiskussion. Offene Worte fand am Donnerstag auch der Berliner Erzbischof Rainer Maria Woelki. Er könnte sich vorstellen, dass „dort, wo Menschen Verantwortung füreinander übernehmen, wo sie in einer dauerhaften homosexuellen Beziehung leben und umgehen, dass das in ähnlicher Weise zu einer heterosexuellen Beziehung anzusehen ist“. Gleichzeitig räumte er aber ein, dass mit einem schnellen Sinneswandel der Kirche in dieser Frage niemand rechnen dürfe.

Konfliktfall Diakoninnen

Dies gilt wohl für einige, der in den fünf Tagen in Mannheim aufs Tapet gebrachten Vorschläge und Forderungen. So bezog der Essener Bischof Franz-Josef Overbeck in der „Rheinischen Post“ am Donnerstag zu der im „Mannheimer Aufruf“ angesprochenen Diakoninnen-Frage eine eindeutige Position. Johannes Paul II. habe deutlich gesagt, „dass die Kirche keine Vollmacht habe, Frauen zum Priesteramt zuzulassen. In diesem Zusammenhang ist sicherlich auch der Diakonat der Frau zu sehen“. Rückendeckung bekam er vom Bamberger Erzbischof Ludwig Schick am Donnerstagabend in Mannheim. „Priesteramt und Diakonat wird es für Frauen nicht geben. Dies hat Papst Johannes Paul II. so festgelegt“. Auch die Botschaft von Benedikt XVI. zum Katholikentag kam nicht ganz ohne Kritik an der Basis aus. „Wir dürfen die Kirche nicht in ihrem Haupt manipulieren“, mahnte der Papst.

Ökologische und gesellschaftliche Verantwortung

Abseits kirchlicher Streitthemen soll am Kirchentag auch die gesellschaftliche und ökologische Verantwortung der katholischen Kirche zum Thema gemacht werden. Beim Gottesdienst zu „Christi Himmelfahrt“, den 17.000 Menschen unter freiem Himmel beim Mannheimer Schloss feierten, rief Erzbischof Zollitsch zu einem schonenden Umgang mit natürlichen Ressourcen auf. „Wir spüren, unser Lebensstil ist nicht zukunftsfähig. So kann es nicht weitergehen“, sagte der Vorsitzende der deutschen Bischofskonferenz. Ein Appell kam auch von der kenianischen Soziologin Auma Obama. Die Halbschwester von US-Präsident Barack Obama wünschte sich in der Frage nach dem Kampf der Kulturen eine weniger eurozentrische Perspektive. „Ich werde häufig zu Foren eingeladen und bin dann meist die einzige aus eine anderen Kultur unter deutschen Experten“, so die Soziologin.

Ökumene und religiöse Öffnung

Zumindest im Bereich der Konfessionen und Religionen versucht der Kirchentag eine solche Öffnung zu realisieren. Am Donnerstagabend feierten Katholiken und Juden gemeinsam im Mannheimer Stadthaus und hoben Frieden und Gerechtigkeit als zentrale gemeinsame Anliegen hervor. Am Freitag soll ein ökumenischer Gottesdienst mit Vertretern mehrerer christlicher Kirchen den Tag feierlich abschließen. Zuvor sind die Besucher des Katholikentages von Mannheimer Muslimen noch zum Freitagsgebet in eine Moschee eingeladen. Ein besonderer ökumenischer Gast stattete Mannheim ebenfalls am Freitag einen Besuch ab. Die evangelische deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sprach über Chancen und Herausforderungen einer älter werdenden Gesellschaft und betonte, „jeder Mensch müsse unabhängig von seinem Alter die Chance haben, sich in die Gesellschaft einzubringen“. Für Sonntag hat sich als weiterer prominenter Protestant der deutsche Bundespräsident Joachim Gauck angekündigt.

2014 in Regensburg

33.000 Dauerteilnehmer und noch einmal so viele Tagesbesucher werden bis Sonntag in Mannheim die katholische Kirche zum Thema machen. Wenn am  Sonntagvormittag  der Katholikentag im Mannheimer Schloss mit einer musikalischen Reise von Mannheim über Hamburg nach Regensburg zu Ende geht, dann richtet sich der Blick bereits in das Jahr 2014 nach Regensburg. Viele der Ideen, Vorschläge und Forderungen, die in Mannheim diskutiert wurden, werden am 99. Katholikentag wohl noch immer aktuell sein.

APA/dpa/Martin Steinmüller

 

 

 

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Programmhinweis

Das ORF-Religionsmagazin "Orientierung" berichtet am Sonntag, 20.Mai, in zwei Beiträgen über den deutschen Katholikentag in Mannheim und das Alternativprogramm mit dem Auftritt Helmut Schüllers.

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