Ibn Khaldoun
Vorläufer der Soziologie, geb. 1336 in Tunis, gest. 1406 in Kairo. Er
befasste sich mit Kulturwissenschaft und entwickelte dafür eigene Theorien
und Methoden.
Abd al-Rahman Ibn Khaldun befasste sich mit einer für seine Zeit neuen
Wissenschaft und untersuchte verschiedenste Phänomene, die mit der
menschlichen Kultur in Zusammenhang stehen. Auch der Sprache galt seine
Aufmerksamkeit . Der arabische Begriff der asabiya wurde von ihm
geprägt; er bezeichnete damit die solidarisierende Kraft, die
Menschengruppen zusammenhält. In einer Umgebung, deren Vorstellung von
Fabeln und Aberglauben geprägt war, war er bestrebt, unmögliche und
unwahrscheinliche Berichte aus historischen Aufzeichnungen auszuschließen.
Dies schloss freilich nicht aus, dass von ihm auch Kurioses aufgenommen
wurde - neu hingegen war seine Methode, die dahinter liegenden Vorgänge und
Gedanken zu erklären.
Kulturhistorischer Zugang
Sein kulturhistorischer Zugang veranlasste Ibn Khaldun, über die
griechischen und arabischen Gelehrten folgendes zu schreiben:
"die Gelehrten haben sich vielleicht ... nur für die Früchte
interessiert. Diese (Kultur-)Wissenschaft aber hat ihre Frucht einzig
und allein in (der Anwendung) auf geschichtliche Überlieferungen ...
Wenn die Probleme (dieser Wissenschaft) .... auch edel sind, so ist ihre
(einzige) Frucht - die allerdings gering (scheint) - die Richtigstellung
der (geschichtlichen) Nachrichten. Deshalb haben (die Gelehrten) sich
davon ferngehalten."
"Natürliche" und "göttliche" Wissenschaften
Ibn Khaldun unterscheidet zwei Grundtypen von Wissenschaft: die
"natürlichen" Wissenschaften und die "göttlichen"
Wissenszweige. Zur ersten Gruppe gehören die Naturwissenschaften, die
Philosophie einschließlich der Logik und Metaphysik sowie die Sozial- und
Geisteswissenschaften. Diese sind allen Menschen zugänglich. Zur zweiten
Gruppe gehören Theologie und (religiöse) Rechtswissenschaft, die sich auf
Offenbarungen berufen und nur ihrer jeweiligen Religionsgemeinschaft eigen
sind.
Soziale Veränderungen
Menschliche Gemeinschaften und ihre Ausprägungen betrachtet er als
Menschenwerk, das Veränderungen unterworfen ist. Er sieht auch
Zusammenhänge zwischen den Formen menschlicher Zivilisation und den
klimatischen Bedingungen sowie der Nahrungsmittelproduktion - im weitesten
Sinne könnte man sagen: Umweltbedingungen.
Ibn Khalduns wichtigste Schlüsse fasst der Wiener Philosophieprofessor
Franz Martin Wimmer in seinem Aufsatz "Abd
al-Rahman IBN KHALDUN ... Begriff der Kultur und der
Kulturwissenschaft" wie folgt
zusammen: "Die Wissenschaft von der Kultur hat ihre notwendigen und
hinreichenden Bedingungen darin, dass sie sich an die relevanten und
gesicherten Erkenntnisse von (anderen) Naturwissenschaften hält."
In Europa wurde Anfang des 19. Jh. vor allem die Einleitung ("Muqaddima")
zu Ibn Khalduns Hauptwerk bekannt. Sie enthält seine methodologischen und
geschichtsphilosophischen Thesen.
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