Alois Wagner – der Erzbischof, der Botschafter, der Seelsorger
Erzbischof Alois Wagner, der jahrzehntelang im Vatikan als päpstlicher
UNO-Beobachter tätig war, war eine nie zu unterschätzende Größe auf dem
internationalen diplomatischen Parkett. Er setzte sich für
Entwicklungshilfe ein und warnte vor fundamentalistischen Tendenzen in der
Kirche. Alois Wagner erlag 78-jährig einem Krebsleiden.
Alois Wagner wurde am 20. März 1924 in Leopoldschlag im Mühlviertel
geboren. Er war das erste von fünf Kindern einer Kleinlandwirtsfamilie. Er
besuchte das Gymnasium in Ried. 1944 wurde er zur Wehrmacht eingezogen und
geriet in Kriegsgefangenschaft. 1946 kehrte er aus der Gefangenschaft in
England zurück. Er studierte in Linz und in Rom Theologie. In Rom wurde er
1952 zum Priester geweiht. Nach Abschluss seines Studiums begann Wagner
seine seelsorgerische Tätigkeit in verschiedenen oberösterreichischen
Pfarren. Seit 1958 war er Seelsorger der Katholischen Landjugend, später
Professor für Pastoraltheologie in Linz.
Sozial- und Entwicklungshilfe
Wagners Engagement für die Dritte Welt hatte sehr früh begonnen. Im
Jahr 1968 war Wagner der Initiator der Errichtung des Österreichischen
Entwicklungsdienstes (ÖED), der partnerschaftliche Hilfe für die Länder
der Dritten Welt organisiert. 1969 wurde Wagner zum Weihbischof von Linz
geweiht. Die Weihe erfolgte am 26. Oktober 1969. Von 1971 bis 1981 war
Bischof Wagner Pressesprecher und Referent für Entwicklungshilfe der
Österreichischen Bischofskonferenz.
Öffnung der Kirche
Die Öffnung der römisch-katholischen Kirche, ganz im Geiste des Zweiten
Vatikanischen Konzils, war ein Anliegen von Alois Wagner. – Bei der
Diözesansynode in Linz von 1970 bis 1972 war er "treibende
Kraft". Unter dem Motto "Kirche um der Menschen willen" stand
diese Synode, die von Aufbruchstimmung begleitet war – und von einem
fruchtbaren Austausch von Meinungen und Positionen.
Sorge um die Menschen
Die Sorge um die Kirche blieb immer eine Sorge um die Menschen: In seine
oberösterreichische Heimat kam Alois Wagner immer wieder gerne zurück –
auch in jenen Jahren, die er in Rom verbrachte. In Hallstatt etwa übernahm
er oft Urlaubsvertretungen für den dortigen Pfarrer.
Pastoral und UNO
Der Papst berief Wagner 1981 zum Vizepräsidenten des Päpstlichen Rates
"Cor Unum", der vatikanischen Koordinationsstelle aller
kirchlichen Sozial- und Entwicklungshilfewerke. Dass Alois Wagner vom Papst
nach Rom berufen wurde, kam für viele überraschend. Er galt bis zu diesem
Zeitpunkt als logischer Kandidat für das Amt des Linzer Diözesanbischofs.
Konservativen Kreisen, so wurde kolportiert, sei Wagner zu liberal
erschienen. Man hätte gegen ihn interveniert. Enttäuschung darüber zeigte
Alois Wagner nie – zumindest nicht in der Öffentlichkeit.
Ernährungsfragen
1992 wurde Wagner Erzbischof und gleichzeitig ständiger Vertreter des
Heiligen Stuhles bei den internationalen UN-Organisationen in Rom, so etwa
auch bei der FAO, der UNO-Organisation für Ernährung, Landwirtschaft und
Welthungerhilfe. Vor allem mit Welternährungsfragen beschäftigte sich
Wagner in diesen Jahren. Als Botschafter ohne Berührungsängste setzte er
sich für eine Sensibilisierung gegenüber den Problemen des Hungers in der
Welt ein. Unkonventionell, bisweilen unbequem blieb er dabei – und
unbeirrbar ging er seinen Weg, wenn es darum ging, gegen Ungerechtigkeiten
aufzutreten.
Diktatur der reicheren Länder
Bei einem FAO-Gipfel in Rom sprach sich Wagner einmal gegen eine
liberalistisch-kapitalistische Struktur einer freien Markwirtschaft aus, die
letztlich nur noch dem Namen nach eine freie Marktwirtschaft sei. Er
kritisierte die "Diktatur der reicheren marktwirtschaftlichen
Länder", die nicht jener Marktwirtschaftsidee entspreche, wie sie die
kirchliche Soziallehre vertrete.
Mit dem kirchlichen Pensionsalter von 75 Jahren, das war 1999, kehrte
Wagner als Seelsorger nach Oberösterreich zurück.