CHRISTENTUM - KIRCHEN

Die armenisch-apostolische Kirche

Der Legende nach hat König Trdat (Tiridates) im Jahre 301 das Christentum in Armenien zur Staatsreligion erhoben. Armenien ist damit das ältestes christliche Volk der Welt – denn im römischen Reich wurden etwa zur gleichen Zeit erst zaghafte Schritte in Richtung religiöser Toleranz unternommen.

Auch wenn das Datum 301 aus historischer Sicht nicht zu halten ist – mit einer Bekehrung um das Jahr 310 / 315 bleibt Armenien dennoch das ältestes christliche Volk der Welt. Im römischen Reich setzte Kaiser Konstantin zur gleichen Zeit erste Schritte in Richtung religiöser Toleranz gegenüber den Christen (etwa mit dem Edikt von Mailand). Zur Staatsreligion wurde das Christentum im römischen Reich erst gegen Ende des 4. Jahrhunderts unter Kaiser Theodosius erhoben.

Politische Gründe für die Christianisierung

Nach Ansicht der Historiker wollte König Tiridates (armenisch: Trdat) mit seiner Bekehrung zum Christentum vor allem seine neu erworbene Königswürde politisch absichern. Ob er persönlich fromm war, ist nicht bekannt. Als eigentlicher Apostel der Armenier gilt der Heilige Gregor (armenisch: Krikor) – mit dem Beinamen der Erleuchter. Die armenische Kirche wird daher oft als "armenisch-gregorianisch" bezeichnet. Von einer flächendeckenden Christianisierung konnte man im Armenien des frühen 4. Jahrhunderts noch nicht sprechen – die tatsächliche Bekehrung erfolgte erst nach der Erhebung zur Staatsreligion.

Berufung auf die Apostel Taddhäus und Bartolomais

Die armenische Kirche beruft sich aber auch auf unmittelbar apostolische Wurzeln. Die Apostel Taddhäus und Bartolomaios sollen als erste das Christentum nach Armenien gebracht haben. Die Kirche wird daher auch als "armenisch-apostolisch" bezeichnet.

Spaltung durch das Konzil von Chalzedon

Doch das ältestes christliche Volk der Welt befand sich auf den Höhen des Kaukasus nicht nur geografisch in einer Randlage. Schon bald geriet es auch ins kirchen-politische Abseits. Das allgemeine Konzil von Chalzedon 451 befasste sich mit dem Streit über die Natur Christi und entschied sich für die sogenannte "Zwei-Naturen-Lehre": "Wahrer Gott vom wahren Gott – wahrer Mensch vom wahren Menschen."

Erstes Schisma der Kirchengeschichte

Die koptischen Christen aus Ägypten und Teile der syrischen Kirche wollten diese Formel allerdings nicht akzeptieren. Sie betonten demgegenüber die wunderbare Einheit der menschlichen und der göttlichen Natur Christi. Damit war die erste dauerhafte Kirchenspaltung der Geschichte besiegelt.

Armenier erkämpfen sich Religionsfreiheit

Die Armenier hatten an dem Konzil gar nicht erst teilgenommen. Sie waren wieder einmal im Abwehrkampf – diesmal gegen die Sassaniden. Auch wenn durch die militärische Niederlage die staatliche Eigenständigkeit verloren ging – ihre religiöse Freiheit hatten sich die Armenier im jahrzehntelangen Guerillakrieg erkämpft.

Politische Motive für die Abspaltung

Ihr Nein zu den Beschlüssen von Chalzedon bot damit ungeheure politische Vorteile. Damit konnten die Armenier gegenüber den neuen Machthabern nachweisen, nicht etwa die fünfte Kolonne der Byzantiner zu sein. Gemeinsam mit den Kopten in Ägypten und in Äthiopien, mit Teilen der syrischen Kirche und der Thomas-Christen in Indien gehören sie zu den "alt-orientalischen Kirchen".

Trennungsgrund theologisch überwunden

Der Ausdruck "Monophysiten" wird für diese Gruppe nicht mehr verwendet – vor allem weil er von der Wortbedeutung her unzutreffend ist. Die altorientalischen Kirchen leugnen ja nicht eine der beiden Naturen, sondern heben bloß die Einheit beider Naturen hervor. Bestätigt wird dies auch von der "Wiener christologischen Formel", die Anfang der siebziger Jahre entwickelt wurde und zumindest auf theologischer Ebene den Trennungsgrund beseitigt hat.

Geschichte der Verfolgung und der Unterdrückung

Die Armenier haben wie kaum ein anderes Volk eine Geschichte der Unterdrückung und der Verfolgung hinter sich. Ob nun Römer und Byzantiner aus dem Westen oder Parther, Perser, Sassaniden oder Türken aus dem Osten – in den vergangenen zweitausend Jahren haben die Armenier nur kurze Phasen staatlicher Selbständigkeit erlebt.

1915: Deportation in die mesopotamische Wüste

Höhepunkt der Verfolgungen war das Jahr 1915, als im Schatten des Ersten Weltkrieges das jungtürkische Regime in Istanbul fast die gesamte armenische Bevölkerung Anatoliens in die mesopotamische Wüste deportierte. Mehr als eine Million Menschen sind dabei ums Leben gekommen.

Erster Völkermord des 20. Jahrhunderts

Der österreichische Schriftsteller Franz Werfel hat mit seinem Roman "Die 40 Tage des Musa Dagh" diesem ersten großen Völkermord des 20. Jahrhunderts ein literarisches Denkmal gesetzt. Für den Juden Werfel war das Schicksal der Armenier vor allem eine Warnung. Nicht zufällig ist der Roman zu Beginn der dreißiger Jahre entstanden – und wurde von den Nationalsozialisten prompt verboten.

Eigener Kleinstaat im Kaukasus

Aus dem Leid und der Verzweiflung des Völkermordes entstand wieder ein selbständiger armenischer Staat. Eine kleine Republik der Flüchtlinge im Kaukasus - um die traditionellen Zentren Jerewan und Edschmiadzin, dem Sitz des Katholikos, dem Oberhaupt der armenischen Kirche. 

70 Jahre "sozialistische Sowjetrepublik"

Doch vor der türkischen Aggression musste der junge Staat sofort wieder Hilfe in Moskau suchen. Was den Armeniern siebzig Jahre als sozialistische Sowjetrepublik bescherte. Erst seit dem Zerfall der Sowjetunion im Jahr 1991 gibt es eine frei und unabhängige Republik Armenien.

Mehrheit lebt in der Diaspora

Doch nur knapp die Hälfte der weltweit rund acht Millionen Armenier leben in der kleinen Republik im Kaukasus. Die Mehrheit lebt in der Diaspora über die ganze Welt verstreut. In Frankreich und in den USA gibt es die stärksten Gemeinden. Aber auch in Wien leben etwa 4.000 Armenier.

Armenier kamen als Kaffeehändler nach Österreich

Die ersten Armenier waren nach der Türkenbelagerung 1683 als Kaffeehändler nach Wien gekommen. Auch die ersten Kaffeehäuser Wiens waren in armenischen Händen. Das Privileg für den Kaffeehandel bekamen sie aus einem ganz bestimmten Grund: Sie hatten die Habsburger mit militärischen Informationen über die Osmanen versorgt.

Aufschwung kam erst mit den "Gastarbeitern"

Doch bis ins 20. Jahrhundert waren es nie mehr als 500. Ab 1912 stand ihnen immerhin eine kleine Kapelle – am Dachboden – auf der Dominikanerbastei zur Verfügung. Der große Aufschwung kam erst mit der Zuwanderung der sogenannten "Gastarbeiter" nach dem Zweiten Weltkrieg. 1968 wurde – dank einer großzügigen Spende aus England – eine eigene Pfarrkirche in der Kolonitzgasse in Wien-Landstraße eröffnet werden. 1972 erfolgte dann auch die staatliche Anerkennung als Religionsgemeinschaft. Höchster Repräsentant der armenischen Kirche in Österreich ist Erzbischof Mesrob Krikorian.

Konfessionelle Zersplitterung

Für die Armenier in der Diaspora ist die armenische Kirche oft das einzige Stück Heimat in der Fremde und der einzige Kristallisationspunkt für armenische Identität. Trotzdem blieb auch den Armeniern die konfessionelle Zersplitterung nicht erspart. So gibt es heute auch katholische und orthodoxe Armenier. Dank der pietitistischen Orientmission des 19. Jahrhunderts gibt es sogar kleine evangelische Gemeinden. Zahlenmäßig spielen sie aber gegenüber der großen armenisch-paostolsichen Nationalkirche keine Rolle.

Zentrum des katholischen Armeniertums

Wien ist auch eines der Zentren des katholischen Armeniertums. Seit Anfang des 19. Jahrhunderts sind hier armenische Mönche – die Mechitaristen – ansässig, die nach der Regel des Heiligen Benedikt leben und den Papst als Oberhaupt anerkennen. Sie haben in ihrem Kloster in Wien eines der bedeutendsten kulturellen Zentren der Armenier überhaupt geschaffen – mit einer der größten armenischen Bibliotheken weltweit.

 

Links:

Offizielle Homepage der Republik Armenien

Länderinformationen zu Armenien 

Armenisch-apostolische Kirche in Österreich

Österreichisch-armenische Studiengesellschaft