Fachartikel

Jesus, der Christus, und Gottes kommende Welt

Von Martin Karrer (Biografie)

 

Christliche Hoffnung im Gespräch zwischen den Religionen: Die Bemühung der Religionen, aufeinander zuzugehen, erfordert das Überschreiten der alten Bekenntnisse. In Anlehnung an eine von der Evangelischen Kirche im Rheinland vorgenommenen Erweiterung ihrer Kirchenordnung, sie hoffe "mit Israel auf einen neuen Himmel und eine neue Erde", erörtert der Autor Perspektiven für den interreligiösen Dialog. Ausgehend von dieser Verbundenheit im Bekenntnis zu Israel wird weiter auch eine Annäherung an den Islam versucht.

"Eschatologie" ist ein junges und nicht sehr glücklich gewähltes Wort. Obwohl es altgriechisch klingt, bildete es erst die rationale deutsche, genauer gesagt, die lutherische Theologie des 17. Jahrhunderts (Erstmals nachgewiesen bei Abraham Calov, Systema locorum theologicorum XII, 1677). Ihr ging es um einen Überbegriff, der alles Letzte (griechisch "Eschaton") "logisch" zusammenzufassen erlaubte, und ein solcher Überbegriff ist "Eschatologie" bis heute geblieben. Das alte Bekenntnis kannte ihn oder einen eng vergleichbaren Begriff noch nicht (auch das lateinische "de novissimis" ist etwas jünger). Dem Neuen Testament folgend, begnügte es sich mit der Benennung verschiedener Aspekte. Es ordnete sie freilich entschiedener als das Neue Testament. In Blickwinkeln, die sich ergänzen, verteilte es sie auf die zwei Glaubensartikel über Christus und den Heiligen Geist.

Was besagt die Eschatologie ?

In der Abfolge der Glaubensaussage sehen wir nach dem Schöpfer und Vater zunächst auf Christus. Wir sehen Christi Erhöhung, Herrlichkeit, Gericht und Herrschaft ohne Ende. Insofern wird die Eschatologie Bestandteil der Christologie. Das, was wir als Menschen suchen, Auferstehung und Leben, erfahren wir von da her - aber durch den Geist. Insofern drängt die Eschatologie weiter in den dritten Artikel. Aus Christologie und Pneumatologie (Verständnis des Geistes) wirft sie das Licht der Vollendung auf den Menschen (und damit einen Aspekt der Anthropologie). Der Schöpfergott des ersten Artikels gibt ihr ihren Hintergrund, ohne dass eine eschatologische Aussage in den ersten Artikel hineinfände. Wenden wir uns von dieser klassischen Anordnung der Eschatologie der aktuellen Entwicklung zu: Was geschieht in der Formulierung, "mit Israel" hoffe die Kirche "auf einen neuen Himmel und eine neue Erde", aus einer Synode der evangelischen Kirche im Reinland ?

Der neue Himmel und die neue Erde - Altes Testament und erster Glaubensartikel

Diese Formulierung führt uns in den ersten, eschatologisch bis dato spröden Artikel. Denn die Schlüsselstelle der Schrift, die das Reden vom "neuen Himmel" und der "neuen Erde" initiiert, Jes 65,17, spricht von Gott, dem Schöpfer: "Schau, schaffend bin ich". Der Schöpfer von Gen 1 (hebräisch steht dasselbe Verb wie Gen 1,1 ), stellt diese Aussage Gott vor. Der Schöpfer wird zum Neuschöpfer. Diese Erfahrung erlaubt die Fortschreibung des Bekenntnisses in Gemeinsamkeit mit Israel. Sie verschiebt die Gewichte vom zweiten und dritten zum ersten Glaubensartikel.

Die Fragilität der Welt

Die Fortschreibung holt, betrachten wir sie genauer, den Umschwung der Gotteserkenntnis in der Exilszeit Israels ins Bekenntnis ein. Damals, im 6.Jh. v. Chr., erlebte Israel, wie gefährdet die gegenwärtige Welt, Himmel wie Erde, ist. Dass die vorfindliche Welt bestünde, war nicht mehr gewiss. Sie konnte sich nicht helfen. Doch Gott selber greife in seiner Gerechtigkeit ein, wusste die Prophetie. Der Prophet, den wir Deuterojesaja nennen, verkündete Israel schon vor

unserer Stelle aus Jes 65: Auch wenn der Himmel zerflattere wie Rauch und die Erde zerfalle wie ein Kleid, bestehe Gottes hilfreiche Gnade, seine Gerechtigkeit weiterhin (Jes 51,6; vgl. Ps 102,27f).

Die Entstehung der Aussage vom neuen Himmel und der neuen Erde

Ein Nachfolger Deuterojesajas, der sog. dritte Jesaja (Tritojesaja), entwickelte aus diesem Ansatz unsere Aussage vom neuen Himmel und von der neuen Erde. Er bedurfte ihrer gleichsam, um die Überwindung der alten Not vollends zu zeigen. Das Ungenügen des Alten ist nämlich nicht vergangen, solange Menschen noch daran denken müssen. Erst wenn das Frühere keinerlei Gedenken mehr findet, herrscht uneingeschränkte Freude. Gottes neues Schaffen gewährleistet dies. Der neue Himmel und die neue Erde sind dafür das Bild. Sie sind das Bild, das der Freude jeden Schatten des Früheren nimmt (Jes 65,17-18a) - und damit keine physikalische Kosmologie. Das bestätigt der Fortgang. Er konkretisiert "siehe, ich will Jerusalem zur Wonne machen und sein Volk zur Freude" (Jes 65,18b) und vervollständigt: "Wie der neue Himmel und die neue Erde, die ich erschaffe, vor mir stehen - Spruch des Herrn -, so wird euer Stamm und euer Name dastehen." (Jes 66,22; Einheitsübersetzung). Das Neue behält seine Bodenhaftung. Auf Jerusalem, "euren Stamm", "euren Namen" zielt es ab, auf innerweltliche, nicht auf jenseitige Relevanz.

Erweiterung der Aussage des christlichen Bekenntnisses

Die Fortschreibung des christlichen Bekenntnisses gewinnt nun an Reiz: Sie schlägt den Bogen zu Israel! Zudem verbindet sie Kosmos und Gemeinde in markanter Weise: Nicht allein die Gemeinde, der ganze Kosmos ist in Not - heute mit den universalen Gefährdungen nicht minder als damals in der Zeit der Propheten - , und Gott, der hilfreich gerechte Gott, deklariert seine Hilfe. Die Gemeinde erfährt und weiß das. Sie ist der innerweltliche Ort, an dem der Umbruch des Kosmos beginnt. Sie steht für Gottes neues Wirken. Daraus entnimmt sie Kraft, in die Welt gegen ihr Zerbrechen durch Krieg, Not und ökologische Zerstörungen zu wirken. Die christliche Gemeinde aus den Völkern tritt in die Erfahrung Israels mit dem schaffenden Gott ein. An dieser Stelle wird die Prophetie sehr konkret: Neumond für Neumond und Sabbat für Sabbat werde alles Fleisch kommen, um dem Herrn zu huldigen, schließt Jes 66,23. Sabbate, Neumonde und Jerusalem werden zur Mitte für die Christen aus den Völkern, die heute keine Neumonde mehr feiern, den Sabbat in der Regel durch den Sonntag ersetzen und nach Jerusalem oft nur mit recht gespaltenem Gemüt pilgern. Müssen die Christen aus den Völkern also umlernen? Einen christlichen Zionismus, der damit beginnt, gibt es durchaus. Doch befriedigt diese Lösung nicht.

Zum Neuen Testament - mit dem irdischen Jesus kein einfacher Übergang

Das Neue Testament schließt nicht unmittelbar an die prophetische Hoffnung an, obwohl sie zeitgenössisch lebendig war. Ich zitiere zum Vergleich aus dem Henochbuch: "Und ich will den Himmel verwandeln und ihn zum Segen und Licht für ewig machen. Und ich werde das Festland umwandeln und es zum Segen machen und werde meine Auserwählten auf ihm wohnen lassen". Damit das uneingeschränkt gilt, darf kein Böses sein; "die, die Sünde und Unrecht tun", werden Gottes Land "nicht betreten" (äthHen 45,4f; Übersetzung S. Uhlig, JSHRZ V 586; vgl. schon Jes 66,24). Beim irdischen Jesus gibt es keine solche "relecture" (aktualisierende Lesung) des Jesajabuches. Wie immer wir seine Worte rekonstruieren, er griff nur im äußersten Fall die prophetische Wurzel auf, dass Himmel und Erde vergingen (Jes 51,6 in Mk 13,31 par). Was darauf Neues folge, beschrieb er nicht mit dem Bild eines neuen Himmels und einer neuen Erde. Er bedurfte, wenn man so will, im Heilsbild des Fortgangs vom zweiten zum dritten Jesaja nicht.

Der Himmel müsste nicht neu geschaffen werden

Das Leitwort von Jesu Verkündigung, das Reich Gottes, verschiebt vielmehr die Aspekte: Gott zu eigen ist die Herrschaft als ein von Gott bestimmter Raum und sich durchsetzendes Geschehen. Endzeitlich und unwiderstehlich ist diese Herrschaft Gottes, zugleich von innerweltlicher Kraft, ja in Jesu Wort und Tat unmittelbar wirksam (Lk 11,20 u.ä.). Sie, die "Basileia"(So das griechische Grundwort für Königsherrschaft/Reich, das sich als Lehnwort in der Fachsprache durchsetzte) Gottes, entmachtet den Satan, so dass er aus dem Himmel stürzt (Lk 10,18; vgl. die apokalyptischen Belege ab Dan 2,44;7,14.18). Folgen wir dieser Linie, so muss der Himmel nicht neu geschaffen werden. Er ist vielmehr durch Gottes Basileia uneingeschränkt Gott zu eigen. Er ist - wenn ich das in die zeitgenössischen Quellen einordne - der Ort, in dem Gott thront, jetzt und allezeit unversehrt heilig herrscht und den Gottesdienst erfährt (Vgl. bes. die neugefundenen Sabbatlieder aus der judäischen Wüste, QshirShab) Wer darin einstimmt, der erkennt und vertraut der Herrschaft Gottes, die, da sie im Himmel ewig gegenwärtig ist, gewiss auf die Erde zukommt.

Die Verbindung zum Vaterunser

Plastisch wird vor diesem Hintergrund das Vaterunser. Es beginnt in der kürzesten Gestalt "Vater, geheiligt werde dein Name, dein Reich komme" (Lk 11,2). Schon die Anrede "Vater" erlaubt eine Assoziation des himmlischen Heiligtums. Denn dort ist Gott nach Jes 63,15f Vater für sein Volk, Vater sogar mehr als Abraham. Dort wird Gott geheiligt. Dem gemäß steht "Dein Name werde geheiligt" im Vaterunser noch vor "Dein Reich komme". Dass Beter und Beterin in Gottes Heiligkeit einstimmen, grundiert die Durchsetzung seiner Herrschaft. Aus Gottes Heiligkeit erwächst sein Reich. Aus seiner Heiligung wird es wirksame, drängend erbetete Wirklichkeit für unsere Welt. Es "kommt"! Das ist nicht nur eine zeitliche, es ist zuerst eine örtliche Aussage. Die Basileia wird zum ausgreifenden Raum, in deren Geschehen Gott kommt und anwesend wird. Mt 6,9 ergänzt, Gott sei unser Vater in den Himmeln, woraus (über Did 8,2) die heutige Gebetsanrede "Vater unser im Himmel" erwächst

Was kommt nach dem Tod ?

Der besprochene kultisch-eschatologische Hintergrund des Vaterunsers verblasst heute. Aber vermitteln können wir die Sachaussage, in Jesus breche Gottes Umsturz für die Welt überwältigend ein. Wie ist dieser Umsturz näher zu beschreiben? Jesus verweist ganz und gar auf Gott und gibt zugleich dem Weiterdenken Raum. Ich verdeutliche das, nachdem ich mich bislang bei der kosmischen, die Welt insgesamt treffenden Eschatologie aufhielt, an ihrem personalen, uns je einzeln treffenden Zentrum, an der Frage: Was kommt nach dem Tod? Auf den ersten Blick scheint es eindeutig: Jesus vertrat die Auferstehung der Toten. Er erläuterte sie im Lehrgespräch mit den Sadduzäern. Eine Art himmlischer Existenz, wie die von Engeln, würde sie demnach sein (Mk 12,25), kongruent zur beschriebenen Realität der Himmelsherrschaft Gottes. Wie bei der "Himmelsherrschaft Gottes" wäre lediglich dieses Bild nicht einfach in unsere Sprache übertragbar. Denn Jesus zählt zum Himmel nun noch Engel dazu.

"Nicht ist er Gott Toter, sondern Lebender"

Moderne Rationalität stieß sich daran. Postmoderne Neugier rückt es (in Konkurrenz zu anderen Ideen des Weiterlebens) wieder näher. So bereitet das Grundbild heute trotz aller Debatten weniger Schwierigkeiten - als bei Jesus selbst. Jesus bleibt nämlich bei der Auferstehungsbeschreibung nicht stehen. Er fügt nach Mk 12,26 einen merkwürdigen Erweis der Auferstehung an: "Last ihr nicht über die Toten, dass sie auferstehen, im Buch des Mose", trägt er vor, "wie Gott ihm sagt `Ich bin der Gott Abrahams und der Gott Isaaks und der Gott Jakobs' (Ex 3,6)? Nicht ist er Gott Toter, sondern Lebender" (Mk 12,26f). Ex 3,6 benützt er also zum Auferstehungserweis, eine Stelle, die eigentlich gar nicht von Auferstehung spricht, sondern vom Gott der einst lebenden Väter. Der Nachsatz, Gott sei ein Gott nicht Toter, sondern Lebender, verstärkt den befremdenden Ton. Er evoziert das Psalmwort, Gott gedenke der Toten nicht (Ps 88,6), oder das Prophetenwort, wer ins Grab gesunken sei, könne von Gottes Güte nichts hoffen (Jes 38,18.19a). Beide Worte ignorieren jede Barmherzigkeit für die Toten.

Ungewissheit bezüglich der Eindeutigkeit der Auferstehung

Jesu Lehrgespräch erhält ein paradoxes Gefälle. Es sagt die Auferstehung einerseits zu und begründet sie doch am Ende so, dass wir ihre Gewissheit verlieren. Gerade das aber dürfte Jesu Pointe sein. Er nimmt seinen Hörern und Hörerinnen die Sicherheit des Gedankens: sie erkennen: Alles steht bei Gott, dessen Handeln sie sich daher vorbehaltlos aussetzen müssen! Andere Perikopen der Jesusüberlieferung stützen dieses Gefälle. Sie spielen wohl mit verschiedenen Antworten auf den Tod an, geben aber der Auferstehung keineswegs eindeutig den Vorzug: So bezieht der törichte Reiche in Lk 12,19b die Haltung der Skepsis. Er begegnet dem etwaigen Tod mit dem Impuls, die Zeit davor zu nutzen, und Jesus belässt ihn dabei. Allein beendet - fährt er fort - Gott diese Zeit schon in der kommenden Nacht (12,20). Dadurch, und nicht durch eine andere Auferweckungsvorstellung, wird der Reiche zum Narr.

Jenseitshoffnungen des Judentums

Weiter gab es im Judentum die Hoffnung, unter den himmlischen Wesen, den Sternen, zu wohnen, da der Himmel mit den Sternen Gottes Raum ist (CIJ 788; vgl. Dan 12,3). Mt 13,43 die Gerechten würden in der Herrschaft ihres Vaters Licht ausstrahlen wie die Sonne - greift das auf. Noch einmal anders orientiert uns die Erzählung vom armen Lazarus Lk 16,19-31. Für ihn verwirklicht sich die andere Jenseitshoffnung Israels von der Zeitenwende bis zu den Rabbinen, in Abrahams Schoß getragen zu werden (16,22; vgl. PesR 43,3 u.ö.). Ja, so geborgen ist er dort, dass ihm nicht zuzumuten ist, von den Toten aufzustehen (16,31; griechisch steht "anistanai", das Leitwort für Auferstehung!). Die Geborgenheit in Abrahams Schoß ist einer Auferstehung zu neuer Begegnung mit den Menschen überlegen.

Jesus ist ein Zeichen für das Handeln Gottes

Jesus kommt es auf das Einbrechen des Handelns Gottes an. Zwingend erfolgt es, unausweichlich, endgültig. Aber wie das näher zu beschreiben sei, erlaubt - wie in Israel vor ihm - viele Bilder. Zur Unverfügbarkeit des Gottes, der seinerseits machtvoll verfügt, gehört, dass kein Bild ganz greift, nicht einmal das uns besonders vertraute Bild der Auferstehung. Nicht Ein-Deutigkeit, sondern Spannung der eschatologischen Beschreibung ist deswegen bei Jesus konstitutiv. Er schließt aus, Gott und Gottes Herrschaft nach unserem Bilde zu formen, und zwingt statt dessen, Gott in seinem Handeln überraschend zu erleben.

Jesus Verweis auf Gott lässt viel Freiraum

Jesus verweist auf Gott. Er beansprucht für Gott. Aber im Wortlaut dessen gibt er Raum. Diese Eigenart seiner Aussagen gestattet der Gemeinde eine Öffnung und Ergänzung der Sprache, der Schau und Vermittlung. Die Ostererfahrung zwingt sie dazu. Der Reichtum der Schriften übermittelt ihr eine Basis an Ausdrucksmöglichkeiten. Insofern darf die Gemeinde mit gutem Recht Ausdrücke und Bilder, die der irdische Jesus nicht gebrauchte, in die Explikation des Endes einbeziehen, das Gott über die Welt bringt, z.B. die Bilder vom neuen Himmel und der neuen Erde.

Jesus ist lebendig und er wirkt

Klar muss nach dem Impetus des irdischen Jesus nur sein, dass diese Bilder die Unverfügbarkeit Gottes nicht aufheben. Eindeutig muss - übrigens nicht grundsätzlich anders als bei den Propheten - weiter sein, dass kein Bild von der gegenwärtigen Welt dispensiert. Denn wenn Gottes Herrschaft in die Welt einbricht, dann betrifft das die gegenwärtige Welt, auch wenn wir es wie eine neue Welt - einen neuen Himmel und eine neue Erde - oder sonst wie umschreiben. Maßgeblich einzubeziehen ist schließlich die Glaubenserfahrung mit dem erhöhten Herrn: Jesus ist für die Gemeinde nicht vergangene Person. Er ist lebendig. Er wirkt.

Neue Antworten auf die Frage was kommt nach dem Tod

Was kommt nach dem Tod? Die Antwort darauf erhält mit der Auferweckung Jesu einen neuen Bezugspunkt. Was an Jesus geschehen ist, strahlt aus. Nicht weil der irdische Jesus die Auferstehung zu einer Mitte seines Redens gemacht hätte, sondern weil Gott ihn auferweckte, wird die Auferstehung der Toten zu einem zentralen Punkt der christlichen Eschatologie (1 Thess 4,13ff; 1 Kor 15,12fIj. Jesu Antwort auf die Sadduzäerfrage (Mk 12,18-27 par) dient der Auferstehungsgewissheit nur als Stütze und Begleitüberlieferung. Deshalb konnten die Evangelien sie, wie im ersten Teil besprochen, neben anderen Antworten stehen lassen.

Noch intensiver wird die Hoffnung jedoch von der Christologie her geprägt. Deren Kern ist, "mit Christus (dem Herrn) zu sein" (ab 1 Thess 4,17). Alles andere ist Entfaltung, einschließlich der Auferstehung. Paulus kann daher den Tod als Aufbruch zum Sein mit Christus bezeichnen, ohne auch die Auferstehung mit zu explizieren (Phil I ,23). Die Aussage "mit Christus" hat den Vorrang.

Änderung der Vorstellung von der Auferstehung

Die Bedeutung der Christologie bringt - ein bis zwei Generationen später - eine interessante Entwicklung: Mit dem Aussterben der Augenzeugen taucht die Überlegung auf, Jesus sei Mensch gewesen, jedoch auf andere Weise als wir - seine Leiblichkeit wird in Zweifel gezogen. Die späteren Evangelien antworten darauf. Sie erzählen von Erscheinungen Jesu, in denen die Leiblichkeit des Auferstandenen eine verstärkte Rolle spielt (Lk 24,39.41ff; Joh 20,20.27). Parallel dazu ändert sich die Vorstellung von unserer Auferstehung. Während Paulus die Auferstehungsleiblichkeit scharf von der irdischen Leiblichkeit abhob (1 Kor 15,35-50), suchen Christen nun die Konkretion: 1 Clem 26,3 meint sie um 100 erstmals in der Schrift finden zu können ("Du wirst auferwecken dieses mein Fleisch " =). Die Schrift selbst spricht freilich nirgends, weder im Alten noch im Neuen Testament, von einer Auferweckung oder Auferstehung des Fleisches.

Von der "Auferstehung des Fleisches" zur "Auferstehung der Toten"

Das Bekenntnis zu einer "Auferstehung des Fleisches" setzte sich auch nur in einem Teil der Kirchen durch. Mit dem römischen Glaubensbekenntnis wurde es Grundlage des Apostolicums, während das gemeinsame Bekenntnis der östlichen und westlichen Kirchen, das Nicäno-Constantinopolitanum, vorsichtiger die "Auferstehung der Toten" nennt. Ich habe das apostolische Glaubensbekenntnis als Kind noch mit der Aussage "Ich glaube... die Auferstehung des Fleisches" gelernt. Die inzwischen vorgenommene Revision "Ich glaube... die Auferstehung der Toten" ist ein Akt ökumenischer Verständigung und ein Zugeständnis ans rationale 20.Jahrhundert, zudem eine Rückkehr zur offeneren Aussage der Schrift.

Parusie - das volle Dasein Christi

Christus wird zum Kristallisationspunkt der Eschatologie. Kurz skizziere ich eine weitere Entwicklung: Die Gemeinde muss darüber reflektieren, dass Jesus nicht mehr in der Weise seines irdischen Wirkens da ist. Dass er abwesend sei, wäre eine unzulässige Vereinfachung (die urchristlichen Autoren sprechen daher nicht vom "abwesenden" Christus). Dass er aber endgültig und uneingeschränkt da sei, wird zu einem neuen und drängenden Anliegen. Paulus drückt es mit dem griechischen Wort für "Da-Sein", "par-ousia", aus (1 Thess 2,19; 3,13; 4,15; 5,23; 1 Kor 15,23). Das Lehnwort "Parusie" entwickelt sich daraus. Dessen landläufige Übersetzung mit "Wiederkunft" Christi ist nicht ganz gelungen, da sie eine Zwischenabwesenheit suggeriert. Folgen wir dem urchristlichen Gedanken, so ist uns eine noch größere Fülle des Daseins Christi in Aussicht gestellt, in der Gottes Handeln an sein Ziel kommt. Die Gemeinde lenkt ihren Blick darauf, da sie dann aufatmend mit Christus sein kann - ohne die Einschränkung gegenwärtiger Not und ohne die Bedrängnis durch Böses, das erschreckend zu unserer Welt gehört.

Neuer Himmel und neue Erde - Brückenschlag und Christologie

Kehren wir nach diesen kurzen Hinweisen nun zum neuen Himmel und zur neuen Erde zurück: Was ergibt sich daraus für die ökumenisch-interreligiöse Verständigung? Signifikant setzt der Impuls der evangelischen Kirche im Rheinland beim ersten Glaubensartikel und bei der kosmischen Eschatologie ein. Der Glaube an den einen Gott eint die monotheistischen Religionen. Die Parusie hingegen ist ein christliches Proprium, und selbst die persönliche Erwartung der Auferstehung hängt christlich zu stark an der Christologie, um unmittelbar mit der Auferstehungsvorstellung zu korrelieren, die sich im größten Teil des Judentums durchsetzte. Kann aber die Erwartung des neuen Himmels und der neuen Erde, also des geschichtlichen Umbruchs für die ganze Welt, von der Christologie unberührt bleiben? Beide neutestamentlichen Interpretationen von Jes 65,17; 66,22 schließen das aus.

Beispiel der 2 Petr 3

Das erste Beispiel, der 2 Petr, führt uns in den Konnex des Parusiegedankens: Der Verheißung, Christus, der Herr und Retter (3,2.18), sei am Ende in Fülle da, kommt zu seiner Zeit, am Anfang des 2. Jahrhunderts, eine Schlüsselstellung in der christlichen Theologie zu. Doch sie plausibel zu machen, gelingt nicht überall. Namentlich die auf den ersten Blick gegebene Dauerhaftigkeit der Welt spricht gegen sie. Können wir uns angesichts solcher Dauerhaftigkeit ein neues, volles Dasein Christi wirklich und plausibel vorstellen? Spötter (wie der 2 Petr sie nennt) bestreiten das (2 Petr 3,3f).

Argument vom Vergehen des Himmels und der Erde

Um sie zu widerlegen, muss ihr Argument fallen, dass die Schöpfung bleibe, wie sie immer und von Anfang an war. Die Chiffre vom Vergehen des Himmels und der Erde wird dafür ein willkommenes Argument. Sie hat in der Kosmologie jener Zeit ein Äquivalent: Populäre Physik - in der Stoa wie auch im Judentum (1 QH III 29-36; Sib III 54-87; IV 172-189; V 211ff) - vertritt die Vorstellung, die Welt bleibe nicht bestehen. Die Theologie muss allerdings, will sie sich auf sie stützen, deren Lehre vom Ende der Welt in Kauf nehmen. Es ist dies der Gedanke, dass ein Weltenbrand komme. Ihn übernimmt - zeitgebunden, mit der heutigen Physik schwer vereinbar - der 2 Petr und erläutert (über die Propheten hinaus), die Himmel würden prasselnd vergehen, die Elemente brennend aufgelöst etc. (3,7.10.12)

Die Erklärung der Parusie

Nach wie vor sieht der 2 Petr den Weltuntergang nicht isoliert. Da es um das volle Dasein des Herrn geht, der bereits da war, drängt auch er über das Ende zu unserer Welt zurück. Deshalb tritt im Weltenbrand (2 Petr 3, bis v.12) das Vergehen der Erde gegenüber dem Vergehen der Himmel zurück. Der Raum kündigt sich an, den die Parusie mit dem Dasein des Tages Gottes erhält und beansprucht (in 3,12 finden wir für die Parusie des Tages Gottes dasselbe Wort wie für die Parusie Christi in 1,16; 3,4). Die Parusie ist für die Welt von Bedeutung. Um das zu erläutern, erinnert sich der 2 Petr an Deuterojesajas Motiv der Gerechtigkeit (Jes 51,6). Er schließt: "Wir erwarten neue Himmel (das hebräische "schamajim" von Jes 65,17; 66,22 wird als Plural gelesen) und eine neue Erde..., in denen Gerechtigkeit wohnt" (3,13). Diese Erwartung stützen wir durch ein darauf gerichtetes ethisches Handeln (3,l1b-12a). Alles in allem: Die endzeitliche Botschaft erhält auch im 2 Petr eine innerweltliche Dimension, ja mit der Gerechtigkeit einen innerweltlichen Zustieg. Neuer Himmel und neue Erde stützen über die Gottesaussage die Christologie. Auf das spätere Glaubensbekenntnis übertragen, heißt das, dass der erste Artikel auf den zweiten verweist.

Beispiel Offb 21,1 - 22,5

Etwas anders liegt die Leitfrage im zweiten Beispiel, bei der Offenbarung des Johannes. In ihr bilden nicht die rationalen Kritiker der Parusie das Problem. Sie bedrängt das Leid und die Not in der Welt. Der Seher Johannes erfährt dies als Widerspruch zu Gottes und Christi Herrschaft (und stilisiert sie zu solch einem Widerspruch3). Daher wird für ihn das Bild, dass Himmel und Erde vergehen, ein willkommenes Argument dafür, den Platz für Gottes und Christi Welt zu räumen. "Der erste Himmel und die erste Erde vergingen, und das Meer ist nicht mehr" (Offb 21,1b), zielt weiterhin über eine Physik des Weltendes hinaus. Es eröffnet eine Vision, die auf unsere Welt zukommt. "Ich sah einen neuen Himmel und eine neue Erde" (21,1a nach Jes 65,17; 66,22) lenkt den Blick nicht auf ein Jenseits, das im Jenseits bleibt, sondern auf das "heilige, neue Jerusalem, das aus dem Himmel herabsteigt", und auf "das Zelt Gottes mit den Menschen" (21,2f). Eine Eschatologie, die auf innerweltlicher Relevanz insistiert, durchkreuzt die Eschatologie des Weltendes - Exegeten sind unsicher darüber, ob im Neuen Testament überhaupt irgendwo von einer selbständigen Erwägung des Weltendes gesprochen werden kann.

Jerusalem dient zur Erklärung der Heilsvision

Dass Johannes in seiner Erläuterung des Weltendes zur Chiffre Jerusalem greift, ist kein neuer Aspekt. An Jerusalem erläuterte bereits der dritte Jesaja das neue Handeln Gottes. Allerdings hat sich bis zur Johannesoffenbarung der Inhalt der Erwartung verschoben. Dem irdischen Jerusalem begegnet die Skepsis (Offb 11). Deshalb ist das ideale Jerusalem ganz im Himmel vorbereitet. Diese Erwartung folgt einer innerjüdischen Entwicklung (vgl. den bei Qumran gefundenen aramäischen Text "Das himmlische Jerusalem" 4QNJ). In der jüdischen Tradition findet sich ebenso die Eindeutigkeit, mit der Offb 21,8 alle, die sich verfehlen, aus der rettenden Vision ausschließt (vgl. äthHen 45,4f in der Einführung zu Abschnitt 3). Den irdischen Jesus hingegen vernachlässigt die Offb fast vollends. Bei ihm fand das Urchristentum keinen neuen Himmel und keine neue Erde, keine Vision des himmlischen Jerusalem, sondern bloß Jerusalemkritik (Mt 23,37f). Das Neue, Überwältigende des Reiches Gottes beschrieb Jesus vorzugsweise in Bildern aus der Natur des Landes, vom faszinierenden, riesigen Wachsen des Senfkorns (Mk 4,30-32 par) bis zur übergroßen Ernte (Joh 4,35f). Die Offenbarung des Johannes bietet daher mit dem Bild der Stadt eine von Jesus abweichende Variante der frühchristlichen Heilsvision. Naturhoffnung, die im frühen nachneutestamentlichen Christentum unter selbständiger Fortführung und Änderung des Wortes Jesu überschäumte (Papyrus Egerton 2,60-75 u.v.a.), nimmt sie lediglich ins Bild der Stadt mit auf: In der Stadt wächst der Paradiesesbaum mit seiner vielfachen Frucht (22,2). In einer Zeit bukolischen und städtischen Ideals entscheidet sie sich für die Polis.

Neuer Himmel und neue Erde als Hinweis auf eine endgültige Herrschaft Gottes

Für die Verständigung mit Israel ist folgendes wichtig: In der Offb dienen neuer Himmel und neue Erde als Bild für die endgültige, unverbrüchliche Herrschaft Gottes mit Christus. Daher ist die Mitte des herabkommenden Jerusalem nicht der eine Gott in sich. Unter klarer Korrektur an der Tradition Israels bringt das Offb in 21,22f ein: Das himmlische Jerusalem hat keinen Tempel; denn "der Herr, Gott, der Allherrscher und das Lamm ist ihr Tempel...". Zur Gottesaussage gehört die Christusaussage. Mutatis mutandis wiederholt sich der Befund von 2 Petr: Der erste Glaubensartikel lässt sich nicht ohne Einbezug des zweiten weiterentwickeln.

Verbindung zwischen neuem Himmel, neuer Erde und Israel

Vom neuen Himmel und der neuen Erde gemeinsam mit Israel zu sprechen wird kompliziert. Gemeinsam ist gewiss die Wurzel in der Prophetie. Der Verständigung dienlich ist die erzählende, nicht streng rationale Sprache. Sie lässt sich von der Offenheit der biblischen Bilder anregen und überwindet Grenzen moderner Rationalität. Die Postmoderne, die den Mythos wieder entdeckt, erlaubt den Zugriff auf diese Offenheit der Bilder,5 so gewiss sie eine Generation früher der Kritik an vergangenen Weltbildern verfallen wäre (und das in ein oder zwei Jahrzehnten vielleicht wieder wird). Trennend wirkt die unterschiedliche Bedeutung Christi.

Vorschlag zur Textänderung des Beschlusses der Rheinischen Kirche

Das führte zum Vorschlag der Evangelischen Theologischen Fakultät in Bonn, den Text des Beschlusses der Rheinischen Kirche dahingehend zu ändern: "Nach alttestamentlicher Verheißung [...] und damit auch mit dem Volk Israel und nach neutestamentlicher Verheißung [...] und damit durch und mit Jesus Christus erwartet sie einen neuen Himmel und eine neue Erde, in denen Gerechtigkeit wohnt." Ohne Frage war dieser Vorschlag exegetisch klarer. Der Synode der Rheinischen Kirche jedoch genügte, dass der Grundartikel ihrer Kirchenordnung in einem vorangehenden Absatz enthält: "Die Evangelische Kirche im Rheinland bekennt sich zu Jesus Christus [...], auf den sie wartet." Sie nahm nicht den Lösungsvorschlag auf, sondern den eingangs genannten Kurztext: "Mit Israel hofft sie auf einen neuen Himmel und eine neue Erde."' Das ist modellhaft. Der Theologie wird neben der Eindeutigkeit Spannung erlaubt, wenn nicht sogar vorgegeben.

Hoffnung auf den barmherzigen Gott

Folgen wir der Struktur des in der Verständigung mit Israel eingeschlagenen Redens, so können wir auch mit dem Islam grundlegende Gemeinsamkeiten in der Eschatologie entdecken. Denn das Christentum hofft, fasse ich die Linie der Schrift theologisch, ohne Einbezug Christi zusammen, mit Israel auf den barmherzigen Gott, der sein Regiment über alle Welt aufrichten möge, richterlich scheidend zwischen Recht- und Missetat, heilvoll eingreifend vom Ende her in die Zeit. Der neue Himmel und die neue Erde sind dafür nur eine Chiffre. Die Chiffre vom neuen Himmel und der neuen Erde spielt im Koran keine vergleichbare Rolle. Doch die hinter ihr stehende Wirklichkeit setzt sich fort. Er macht sie zum Vorzeichen aller seiner Suren. Ich zitiere Sure 1,15 (nach der Übersetzung R. Parets): "Im Namen des gnädigen und barmherzigen Gottes. Lob sei Gott, dem Herrn der Menschen in der Welt, dem Barmherzigen und Gnädigen, der am Tag des Gerichts regiert! Dir dienen wir, und dich bitten wir um Hilfe."

Gemeinsame Hoffnung der drei monotheistischen Religionen

Nicht minder als die Aussagen des Alten und Neuen Testaments zielt diese Eröffnung des Korans auf unsere Welt - der Sure liegt daran, dass Gott die Welt in seinem Recht zum Ziel führe -, und nicht minder als unsere Schriften führt es zu persönlicher Hoffnung. Denn der Tag des Gerichts, auf den die Welt zustrebt, geht im Koran über in den Tag der Auferstehung, den schon Abraham erhofft hat. In Abraham sammelt sich die - dürfen wir im nachhinein sagen: einem Großteil von Juden, Christen und Muslimen gemeinsame? - Gewissheit, dass der zugewandte Gott, der den Menschen sterben lässt, ihn wieder lebendig macht. Auf den barmherzigen Gott schauend, darf deshalb Abraham danach verlangen, Gott möge ihm am Tag des Gerichts seine Sünde vergeben (Sure 26,77-82). Universale und personale Eschatologie ergänzen sich. Sie durchdringen sich mit Schattierungen in allen drei monotheistischen Religionen.

Darf eine gemeinsame Hoffnung bestehen ?

Dürfen wir also das interreligiöse Gespräch mit dem Islam von der Eschatologie her, wie das Gespräch mit Israel, in eine neue Verbindlichkeit führen? Schrifttheologisch sind wir dazu nicht in gleicher Weise wie gegenüber Israel genötigt. Die neutestamentlichen Schriften binden uns an die Schriften Israels zurück, nicht aber an den (Jahrhunderte jüngeren) Koran voraus. Gleichwohl folgt dem ersten Ort der Verständigung, dem mit Israel, die Provokation zum weiteren Weg. Der Ruf des Korans bezieht den Verweis auf Christentum und Judentum als Religionen der Schrift mit ein. Etwaige Gemeinsamkeiten müssen sich einfordern lassen, um der Begegnung der Menschen und um der Begegnung der Religionen willen. Dürfen wir also in einem "Trialog" zwischen Judentum, Christentum und Islam etwa formulieren: "Wie wir, relevant für unsere Welt, mit Israel auf Gottes neuen Himmel und Gottes neue Erde hoffen, hoffen wir mit dem Islam auf Gottes barmherziges Recht beim Gericht und auf Gottes Geschenk des Lebens?" Kämen wir da zu einem Ziel, ließe sich in einem nächsten Schritt die Verwandtschaft bei der Auferstehung anfügen etc.

Das Problem der Christologie

Wieder wird die Christologie zur Nahtstelle - und das Problem wächst. Die angesprochene zeitliche Folge zwischen Altem Testament, Neuem Testament und Koran wirkt sich kritisch aus: Die Schriften Israels gehen dem irdischen Jesus voraus. Sie erwarten von Gott Rettung und Heilszeit und rücken das kurz vor dem Neuen Testament in die Nähe messianischer Erwartung.8 Die frühen Christen sehen diese Erwartung sich in Christus erfüllen, (Vgl. z.B. Mt 11,2-6 mit dem in der letzten Anmerkung zitierten Qumrantext) warten aber zugleich noch auf Christi (hebräisch: des Messias) Dasein in Fülle, auf die Parusie. So müssen wir im Gespräch mit Israel besonderes Augenmerk darauf legen, welche Brücken es zwischen der messianischen Hoffnung Israels und der christlichen Hoffnung auf die Parusie des gekommenen Messias gibt.

Einschränkung durch den Koran

Der Islam setzt - wie angesprochen - das Christentum voraus. Der Koran nimmt auf Jesus Bezug und entwirft ein eigenes, korrigierendes Jesusbild neben dem der nachchalkedonensischen Kirche. Jesus kann, so schränkt der Koran die Christologie ein, dem einzigen Gott nicht beigesellt werden. Den kirchlichen Weg, die Christologie aus der Einzigkeit Gottes zu entfalten, schließt er aus. Ein Beispiel, wie sich das auf die Eschatologie auswirkt, bietet das Prädikat des Ersten und des Letzten. Dieses Prädikat Gottes (s. Jes 44,6; 48,12) benötigt die Offb als Christusprädikat (1,17). Denn so wird Christus mit Gott zur Fülle der Zeiten und der Aussagen. Und als letztes Heilsbild formuliert sie das des Lichtes Christi mit Gott im himmlischen Jerusalem (21,22f). Der Koran ignoriert das. Der Erste und der Letzte ist für ihn wie in der vorneutestamentlichen Prophetie nur und ausdrücklich der eine Gott (Sure 57,1-3 nach Jes 44,6). Gleichwohl erhält Jesus nicht nur im irdischen Wort, sondern auch in der Eschatologie gewichtigen Raum. Sein Wirken ist für den Koran nicht mit dem Kreuzestod beendet. Ja, den Kreuzestod hält der Koran geradezu für ausgeschlossen.

Das Emporkommen Jesu zu Gott als bedeutendster Punkt für den Koran

Wesentlicher als Jesu Tod (der etwas unklar bleibt) ist dem Koran, dass Gott Jesus zu sich in den Himmel hob (bes. Sure 4,158), seinen Gesandten (4,156) überwältigend auszeichnete. Diese Erhöhung ermöglicht ein endzeitliches Wirken. Er" sei ein Erkennungszeichen der Stunde des Gerichts (Sure 43,61). Diese knappe, im Koran alleinstehende Aussage erlaubte und erlaubt im Islam vielfältige Spekulationen. Jesus könnte - so eine Linie - den endzeitlichen Widersacher töten. Er könnte Judentum und Christentum korrigieren. Oder er könnte - so bei einigen Schiiten - Heilsträger vor dem Ende (Mahdi) sein. Hier müssen keine weiteren Spekulationen verfolgt werden. Es genügt festzustellen, dass sich sogar mit dem Islam über eine Erwartung Jesu sprechen lässt, freilich in einer sehr schwierigen Weise. Denn wie gehen wir, wenn wir diesen Weg betreten, mit der Korrektur der kirchlichen Christologie und damit der Korrektur unseres Glaubens um, für die nach verbreiteter islamischer Auffassung am Ende Jesus selbst einstehen wird?

Ein offener Schluss

Das Dilemma, vor dem wir in der Verständigung zwischen den Religionen stehen, tritt deutlich hervor. Was schon im Gespräch mit Israel eine Gratwanderung ist, wird im Gespräch mit dem Islam vom Grat zum Stolperdraht (von den nichtmonotheistischen Religionen gar nicht zu reden). Die von einer der größten evangelischen Kirchen in Deutschland eingeschlagene Verständigungsstruktur, das Gemeinsame und das Eigene nebeneinander zu formulieren und mit einer inneren Spannung zu versehen, lässt sich nur schwer verallgemeinern. Ist die Verständigungsstruktur damit überhaupt obsolet? Jedenfalls verdient sie als Anregung, wohl kaum als Lösung, die Aufmerksamkeit über die Grenzen einer einzelnen christlichen Kirche hinaus: Das Wagnis, aufeinander konkret, in der Formulierung gemeinsamer Aussagen, zuzugehen, fasziniert. Das Problem, dass wir dann von Christus selbst in der eigenen Bekenntnisaussage nur noch mit Spannungen reden können, irritiert. Ich gebe beides, Faszination und Irritation, an Sie weiter. Die praktische Aufgabe der interreligiösen Zusammenarbeit überholt die Religionstheologie, noch bevor diese sich mit einer konsensfähigen Theoriebildung etabliert hat.

 

Bearbeitet und gekürzt von Ernst Pohn

 

>> Was besagt die Eschatologie ?

>> Der neue Himmel und die neue Erde - Altes Testament und erster Glaubensartikel

>> Die Fragilität der Welt

>> Die Entstehung der Aussage vom neuen Himmel und der neuen Erde

>> Erweiterung der Aussage des christlichen Bekenntnisses

>> Zum Neuen Testament - mit dem irdischen Jesus kein einfacher Übergang

>> Der Himmel müsste nicht neu geschaffen werden

>> Die Verbindung zum Vaterunser

>> Was kommt nach dem Tod ?

>> "Nicht ist er Gott Toter, sondern Lebender"

>> Ungewissheit bezüglich der Eindeutigkeit der Auferstehung

>> Jenseitshoffnungen des Judentums

>> Jesus ist ein Zeichen für das Handeln Gottes

>> Jesus Verweis auf Gott lässt viel Freiraum

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>> Neue Antworten auf die Frage was kommt nach dem Tod

>> Änderung der Vorstellung von der Auferstehung

>> Von der "Auferstehung des Fleisches" zur "Auferstehung der Toten"

>> Parusie - das volle Dasein Christi

>> Neuer Himmel und neue Erde - Brückenschlag und Christologie

>> Beispiel der 2 Petr 3

>> Argument vom Vergehen des Himmels und der Erde

>> Die Erklärung der Parusie

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>> Jerusalem dient zur Erklärung der Heilsvision

>> Neuer Himmel und neue Erde als Hinweis auf eine endgültige Herrschaft Gottes

>> Verbindung zwischen neuem Himmel, neuer Erde und Israel

>> Vorschlag zur Textänderung des Beschlusses der Rheinischen Kirche

>> Hoffnung auf den barmherzigen Gott

>> Gemeinsame Hoffnung der drei monotheistischen Religionen

>> Darf eine gemeinsame Hoffnung bestehen ?

>> Das Problem der Christologie

>> Einschränkung durch den Koran

>> Das Emporkommen Jesu zu Gott als bedeutendster Punkt für den Koran

>> Ein offener Schluss

 
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