Fachartikel

Problemfelder im christlich - buddhistischen Dialog

Von Reinhart Hummel (Biografie)

 

Buddhismus erfreut sich in der westlichen Welt einer immer größer werdenden Zahl von Anhängern. Selbst Buddhisten sehen mit einigem Unbehagen, wie ihre Religion den Bedürfnissen des westlichen Marktes angepasst wird und fürchten, dass dadurch der Weg zum eigentlichen Pfad des Buddha eher verstellt wird. Wer sich in diesem Bereich orientieren möchte, muss unterscheiden lernen zwischen der authentischen Religion und ihrer westlichen Vermarktung. Oftmals werden dabei Begriffe und religiöse Praktiken in christlichen Beurteilungen vereinfacht dargestellt und Gemeinsamkeiten zwischen Christlichem und Buddhistischem in einen falschen Kontext gefasst.

Der christlich-buddhistische Dialog wird auf vielen Ebenen und in vielen Kontexten geführt. Über weite geographische Distanzen hinweg und unbelastet von unbeglichenen historischen Rechnungen vollzieht sich das Gespräch mit japanischen Buddhisten. Christliche Ordensleute und japanische Zen-Meister besuchen einander - sozusagen als Berufskollegen. Der Dalai Lama ist ein beliebter, allseits anerkannter Gast auf vielen Dialogveranstaltungen. Aber nicht nur Profis - Kirchenvertreter und Theologen - engagieren sich im christlich-buddhistischen Dialog. Auch an der kirchlichen Basis gibt es eine intensive Auseinandersetzung mit verschiedenen Elementen buddhistischer Lehre und Praxis. Buddhistische Meditationswege haben inzwischen einen festen Platz im christlichen Meditationsangebot.

Der "innere Dialog" als Anziehungspunkt des Buddhismus

Fragt man Christen, welcher Religion sie am liebsten angehören würden, wenn sie keine Christen wären, so erhält man nach meiner Erfahrung meistens die Antwort: Dann wäre ich am ehesten Buddhist. Der bekannte Theologe Paul Tillich hat nach seinen Erfahrungen, die er in Japan mit dem christlich-buddhistischen Dialog gemacht hatte, von einem "stillen Dialog im Innern der einzelnen Teilnehmer" gesprochen. In diesem "inneren Dialog" ist der Buddhismus zweifellos der bevorzugte Partner für Christen. Er scheint genau jene Mitte zwischen Nähe und Ferne, Ähnlichkeit und Unterschiedenheit einzuhalten, die ihn als Alternative interessant macht.

Ruhe und Heiterkeit des Buddha verleihen dem Buddhismus ein freundliches Gesicht

Eugen Drewermann, schon immer ein Seismograph für Zeitströmungen, hat 1992, nach seinem Ausscheiden aus dem Priesteramt, von seiner "Bekehrung zum Buddhismus" im Alter von 16 Jahren gesprochen, freilich mit der Einschränkung, dass er nur die beiden ersten Zufluchten zum Buddha und zu seiner Lehre genommen hatte, nicht aber die zu seiner Gemeinde. Als Motiv gibt er das Mitleid mit geschundenen und geschlachteten Tieren und die buddhistische "Kultur des Nichtverletzens" an, ferner die weltüberlegene Ruhe und Heiterkeit auf dem Antlitz des Buddha, wie sie von der buddhistischen Kunst dargestellt wird. Dazu kommen die mit dem christlichen Gottesglauben gegebenen Theodizee-Probleme, die der Buddha gar nicht erst aufkommen lässt.

Idealisiertes Gegenbild des Christentums

Im inneren Dialog nimmt der Christ am Buddhismus beides wahr: Verwandtschaft in der Ethik der Nächstenliebe bzw. des Mitleids, aber auch Unterschiedlichkeit, vor allem hinsichtlich des Gottesglaubens. Bei Nachfragen unter Buddhismusbegeisterten stellt sich häufig heraus, dass nähere Bekanntschaft mit dem Buddhismus und mit Buddhisten kaum vorliegt. Nicht selten wird auf diese Religion all das projiziert, was an der eigenen christlichen vermisst wird. Er dient - ob zu Recht oder Unrecht, das sei dahingestellt - als idealisiertes Gegenbild des Christentums. So oder so wird die Lehre des Buddha als Herausforderung empfunden, und damit wird der Dialog über den Kreis der Spezialisten hinaus zu einem inneren Anliegen.

Unstimmigkeiten zwischen Buddhismus und Christentum

Oft werden die Gemeinsamkeiten so stark gewertet, dass tiefergehende Unterschiede nicht mehr wahrgenommen oder sogar geleugnet werden bzw. die Diskussion darüber verweigert wird. In Wirklichkeit gibt es aber weiterhin Problemfelder im Dialog zwischen den beiden Religionen. Wo sie liegen, erfährt man unter anderem aus buddhistischen Reaktionen auf bestimmte Äußerungen des Papstes. In der ersten Nummer des Jahres 1995 der "Lotusblätter", der Zeitschrift der "Deutschen Buddhistischen Union", werden sieben Seiten aufs Korn genommen, die im Buch Johannes Pauls II. "Die Schwelle der Hoffnung überschreiten" dem Buddhismus gewidmet sind. Es handelt sich dabei um Äußerungen im Rahmen eines Interviews. Was hat der Papst am Buddhismus auszusetzen, und was stört den buddhistischen Rezensenten am päpstlichen Buddhismusbild? Es geht dabei um drei Themenbereiche: Weltverneinung, Atheismus und Zen-Meditation.

Päpstliche Kritik an negativer Weltsicht des Buddhismus

Zunächst richtet sich der Widerspruch dagegen, dass die buddhistische Soteriologie (d.h. die Lehre vom Heil, von der Erlösung usw.) vom Papst als "fast ausschließlich negativ" gekennzeichnet wird. Die Welt gelte im Buddhismus als schlecht, als Quelle des Bösen und des Leids. Je mehr der Mensch sich von den Banden befreit, die ihn an die Welt fesseln, um so "gleichgültiger" stehe er ihr gegenüber und desto mehr befreie er sich vom Leid und vom Bösen. - "Gibt es denn im Vatikan niemanden (fragen die "Lotusblätter"), der den Heiligen Vater darüber aufklären könnte, dass es im Buddhismus nicht um das Böse geht (den Begriff kennen wir überhaupt nicht), sondern um Unwissenheit? - Abgesehen davon, dass der Aspekt der liebevollen Güte (metta) und des umfassenden Mitgefühls (karuna), also der komplette Ansatz des Mahayana, völlig außer Acht gelassen wird. Aber an der Unwissenheit scheitert ja offenbar so manches..."

Beispiel interreligiöser Verständigungsprobleme

Die Charakterisierung des Buddhismus im Sinne von Weltverneinung und Weltflucht ist zwar insgesamt unzutreffend, aber dennoch keine böswillige päpstliche oder christliche Erfindung. Sie spiegelt vielmehr den Diskussionsstand buddhistischer Anfänge im deutschsprachigen Raum wider. Diese Anfänge standen im Zeichen der pessimistischen Philosophie Schopenhauers und gründeten sich auf den Buddhismus des Kleinen Fahrzeugs, des Pali-Kanons. Der Einfluss des Mahayana, des Großen Fahrzeugs, machte sich erst in den letzten fünfzig Jahren stärker bemerkbar, als zuerst das Zen und dann der tibetische Buddhismus hier populär wurden. Um es an einem konkreten Beispiel deutlich zu machen: Aus der Reihe der berühmten zehn Ochsenbilder sind die beiden letzten den europäischen Buddhisten immer wichtiger geworden. Die ersten acht dieser Bilder zeigen, wie der Hirte seinen verlorenen Ochsen wiederfindet, d.h. der Mensch sein wahres Selbst entdeckt in der Wesensschau und Erleuchtung. Im Bild des leeren Kreises entdeckt er sein Selbst als Leerheit. In den beiden letzten Bildern aber kehrt der Erleuchtete, der sein wahres Wesen geschaut hat, auf den Markt der Welt zurück, um als Bodhisattva, als Erleuchtungswesen, zu wirken und seine Erkenntnis mit anderen mitleidsvoll zu teilen. Diese Rückkehr zu einer neuen Weltzuwendung, wie sie im Buddhismus des Großen Fahrzeugs betont wird, möchte der europäische Buddhismus um keinen Preis unterschlagen wissen. Er möchte weder weltfremd noch weltabgewandt erscheinen und belegt das mit dem zunehmenden buddhistischen Engagement in Fragen der Ökologie und des Friedens.

Wichtig ist das Selbstverständnis einer Religion

Grundsätzlich gilt im Dialog das Selbstverständnis einer Religion, und zwar das von heute, nicht das von gestern oder gar ein zurechtgemachtes Bild. Verstöße gegen diese Regel werden übel genommen, selbst wenn sie auf gute Gründe verweisen können. Das Weltverhältnis des Buddhismus ist also nicht pauschal als negativ oder "gleichgültig" zu qualifizieren. - Andererseits dürfen wir die Begegnungsgeschichte zwischen beiden Religionen nicht vergessen und deren Nachwirkung nicht übersehen. Bewusstmachung und Aufarbeitung dieser Geschichte ist ein dringendes Erfordernis, wenn man Ursachen von Missverständnissen und Fehldeutungen ausräumen möchte.

Verständnis für eine Religion innerhalb des entsprechenden Wertesystems

Eine weitere Regel des interreligiösen Dialogs besagt, dass man andere Religionen aus ihren eigenen Voraussetzungen verstehen und nicht in das eigene Raster eintragen soll. Den europäischen Buddhisten ist es wichtig, dass Gut und Böse im Sinne eines moralischen oder gar göttlichen Gesetzes christliche Kategorien sind, nicht ihre eigenen. Es hat in der Tat einen anderen Klang, wenn sie von heilsamen und unheilsamen Handlungsweisen oder von leidverursachenden Faktoren sprechen, auch wenn damit die Verhaltensweisen bezeichnet werden, die in christlicher Sprache als "böse" gelten.

Hintergrund für die negative Bewertung des Buddhismus

Die Auseinandersetzung über das "Negative" am Buddhismus hat einen Hintergrund, der in den päpstlichen Äußerungen nicht angesprochen wird, hier aber nicht verschwiegen werden soll. Der Münchner Fundamentaltheologe Wolfhart Pannenberg hat mit Recht auf die Bedeutung des Schöpfungsglaubens im christlichbuddhistischen Dialog aufmerksam gemacht. Die Wichtigkeit dieser Kontroverse erkennt man daran, dass Buddhisten, vor allem Theravada-Buddhisten, die Wendung "Bewahren der Schöpfung" in interreligiösen Dokumenten nicht zu akzeptieren bereit sind und darauf drängen, sie durch Formeln wie "Heiligkeit der Natur" zu ersetzen, damit nicht der Eindruck entsteht, sie würden den Schöpfungsglauben teilen. Pannenberg macht darauf aufmerksam, dass der christliche Schöpfungsglaube eine "überwältigende Bejahung des endlichen Daseins" in sich schließt und dass christlich verstandene Erlösung nicht Befreiung von der Schöpfungswirklichkeit bedeutet, sondern deren Transformation und Vollendung. Damit ist ein entscheidendes Charakteristikum des christlichen Glaubens im Gegenüber zum Buddhismus gegeben. Wie viel trennendes Gewicht dieser Differenz zuzumessen ist, darüber können und müssen Christen und Buddhisten miteinander reden. Das Stichwort "negativ", wie missverständlich es auch sein mag, drückt ein bleibendes Problem im Dialog dieser beiden Religionen aus.

Ziel das irdische Leben zu verlassen

Dabei geht es auch um den Stellenwert zentraler buddhistischer Aussagen. Es gibt genügend buddhistische Texte, die deutlich machen, dass nicht erst Leiden und Tod, sondern schon die Geburt der große Fehler ist. Vor allem in der Lehre vom "Bedingten Entstehen" wird das expliziert. Deutet man das Tibetische Totenbuch realistisch, so bemerkt man: Es wird, wie auch andere buddhistische Texte, von einer Geburtsvermeidungsstrategie beherrscht: Nicht ins irdische Leben zurückkehren, nicht wiedergeboren werden, ist, wie auch in vielen Hindu-Traditionen, das große Ziel. Von buddhistischer Seite hat der große Apostel des westlichen Zen, D.T. Suzuki, den Gegensatz zwischen christlichem Schöpfungsglauben und buddhistischer Weltentstehungslehre herausgestellt. In Anlehnung an den Prolog des Johannesevangeliums ("Im Anfang war das Wort") hat er formuliert: "Im Anfang ist der Durst (trsna, das Begehren, die Gier) ... Er hat den Drang, sich zu verkörpern, um sich in einer Gestalt auszudrücken ... Der Durst ist der Schöpfer des Universums". Die Welt ist ein Produkt von Unwissenheit und Gier. Ob und in welchem Umfang diese negative Optik im Buddhismus des Großen Fahrzeugs wirklich überwunden ist, wäre zu untersuchen. Hinter den päpstlichen Äußerungen und der buddhistischen Kritik daran stehen also wichtige Fragen im Verhältnis beider Religionen, die nicht geleugnet werden dürfen. Umso notwendiger ist es, dass solche kontroversen Probleme auf den Tisch des Dialogs kommen und solange diskutiert werden, bis beide Seiten sich darüber verständigen können, wo das Gemeinsame und wo das Unterscheidende liegt. Dialog bedeutet nicht, dass das Trennende unter den Tisch gekehrt wird, sondern dass man darüber reden kann und redet.

Buddhismus ein atheistisches System ?

Auch der vom Papst wiederholte Vorwurf, der Buddhismus sei "in erheblichem Maß ein `atheistisches' System", wird aus der Anfangsphase des europäischen Buddhismus verständlich. Paul Dahlke, der Gründer des Buddhistischen Hauses in Berlin-Frohnau, hat 1928 mit großem Pathos gesagt: "Zum ersten Mal seit historischen Zeiten meldete ... eine Weltreligion ihre Forderung an, unter dem scheinbar paradoxen Motto: `Ist zu einer Religion Gott überhaupt nötig?' Man kann den ganzen Buddhismus als die Antwort auf diese Frage ansehen, und diese Antwort lautet: Der Mensch gehört sich selbst ... Über ihn zu Gericht sitzt nicht Gott, sondern sein eigenes Wirken. Und sein Dasein hängt nicht vom Urteil eines Gottes ab..., sondern von seinem eigenen Wirken. Für den buddhistischen Menschen gibt es nur das Wirken und die Folge des Wirkens, die Religion der erbarmungslosen, ungemilderten Selbstverantwortlichkeit. Aber gerade dadurch ist es die Religion der Erwachsenen, die da wissen, dass es in der Wirklichkeit nichts geschenkt gibt." So hat sich der frühe europäische Buddhismus gegenüber dem Christentum als eine Religion ohne Gott profiliert.

Veränderte Fragestellungen

Heute geht es mehr um die Frage nach einem personalen oder apersonalen Verständnis von Transzendenz und nach der Verwandtschaft zwischen Zen-Erfahrung und mystischer Gotteserfahrung im Sinne Meister Eckeharts. Überdies ist der hiesige Buddhismus, vor allem durch den Einfluss der tibetischen Lamas, "religiöser" geworden. Elemente der Verehrung, der Verdienstübertragung, des Rituals usw. spielen eine unvergleichlich größere Rolle als früher. War der europäische Buddhismus in seiner Frühphase eher von protestantischem Stil, so ist er in den letzten Jahrzehnten sozusagen katholischer geworden. Nicht von ungefähr wird in der innerbuddhistischen Diskussion über psychologische Probleme nachgedacht, die dadurch entstehen, dass katholische Konvertiten zum tibetischen Buddhismus an unangenehme (bzw. als unangenehm empfundene) Erfahrungen in ihrer früheren Religion erinnert werden. Diese Wandlungen hängen mit dem Einströmen des japanischen und tibetischen Buddhismus zusammen, aber auch mit den Erwartungen junger Menschen. Der Buddhismus Dahlkes und seiner Zeitgenossen entspricht längst nicht mehr den Bedürfnissen der jungen Generation. Wenn wir also im Dialog zwischen beiden Religionen weiterkommen wollen, dürfen wir die Geschichte wechselseitiger Beziehungen und Beurteilungen nicht vergessen, sondern müssen alte Missverständnisse und Zerrbilder, die es sicher auf beiden Seiten gegeben hat und gibt, aufarbeiten und sie überwinden oder zumindest auf ihren wahren Kern reduzieren.

Kontroverse: Buddhistische Meditation und christliche Mystik

Ein weiterer wichtiger Streitpunkt ist das Verhältnis zwischen buddhistischer Meditation und christlicher Mystik. Schon 1989 hat die römische Kongregation für die Glaubenslehre in einem Schreiben Vorbehalte gegenüber den Meditationswegen der östlichen Religionen angemeldet. Christliche Mystik - heißt es in den "Lotusblättern" - entstehe nach Ansicht des Papstes nicht aus einer rein negativen Erleuchtung (wiederum das Stichwort "negativ"), sondern aus der Offenbarung des lebendigen Gottes. Deshalb seien Meditationswege östlicher Religionen nicht unkritisch zu übernehmen. Man darf wohl annehmen, dass diese Vorbehalte sich nicht nur auf buddhistische, sondern auch auf christliche Formen "negativer Mystik" beziehen. Meister Eckehart könnte mitgemeint sein.

Kontroversen als Hilfsmittel zur Diskussion eigener Standpunkte: Auszüge aus Leserbriefen der "Lotosblätter" (1/95)

Dieser Sachverhalt ist für das christlich-buddhistische Verhältnis, aber auch für den gesamten interreligiösen Dialog von grundlegender Bedeutung. Es gibt den christlich-buddhistischen Dialog nicht nur zwischen den Angehörigen beider Seiten. Immer geht es dabei auch um das Verständnis der eigenen Religion. Was ist christliche Identität im Verhältnis zum Christentum? Wo liegt das Gemeinsame, wo das Trennende? Die Verwendung buddhistischer Meditationswege ist für beide Seiten ein Anlass für solche Überlegungen. In der gleichen Nummer der "Lotosblätter" (1/95) diskutieren Leserinnen und Leser, angeregt von der Redaktion, über "christliches Zen". "Christliches Zen - eine vegetarische Fleischkost", beginnt eine (ablehnende) buddhistische Stellungnahme. Die Redaktion stellt einleitend fest: "Wenn also Leute, die einer anderen Religionsgemeinschaft wie etwa der katholischen Kirche angehören, uns erzählen, dass auf der höchsten Ebene der Zen-Erfahrung alles eins ist, dass es deshalb so etwas wie ein buddhistisches Zen gar nicht geben könne und folglich jeder das Recht habe, seine eigene Form des Zen zu entwickeln, zu praktizieren und weiterzugeben, versuchen wir erst mal, nicht mit der Wimper zu zucken." "Andrerseits wird es für viele Buddhisten mehr und mehr zum roten Tuch, wenn eine Tradition wie das Zen, die über Jahrhunderte hinweg als unstrittig buddhistisch galt, auf einmal religiöses Niemandsland sein soll ... (Es) stellt sich ... die Frage, ob es uns einfallen würde, den interreligiösen Dialog mit dem Christentum beispielsweise dadurch fördern zu wollen, dass wir ... das Rosenkranzgebet als nichtchristlich erklären und eine buddhistische Variante davon entwickeln und verbreiten: `Heilige Tara, Mutter des Universums, Du bist gebenedeit, ... bitte für uns ...' und das Ganze in einer entsprechenden Umgebung, geleitet von tibetischen Lamas in christlich-liturgischen Gewändern mit Spitzenbesatz, umgeben von Ministranten und umwallt von Duftwolken aus dem Weihrauchkessel ..." Nach diesem Ausbruch ganz unbuddhistisch klingender Ironie wirkt die abschließende Forderung recht gemäßigt: "Wir können uns nicht mit dem Schwert in der Hand gegenübertreten (obwohl das wieder so schön japanisch aussehen würde) und wir können nicht vor den Gerichten um das Recht auf die Benutzung des Markennamens `Zen' streiten. Wir brauchen auch keine Polemik, keine Propaganda und keine Verteidigung von `Besitzständen'. Was wir aber brauchen, ist eine klare begriffliche, ordentliche Argumentation und intellektuelle Redlichkeit von allen Seiten." Die Gegenposition, die man von Freunden des Zen auch sonst oft hört, kommt in einem Leserbrief deutlich zum Ausdruck: "Hör doch auf, zu unterscheiden!" Es muss in diesem Zusammenhang daran erinnert werden, dass auch viele japanische ZenMeister, wahrscheinlich die Mehrheit, sich gegen die Anerkennung christlicher Ordensleute als Zen-Meister ausgesprochen haben.

Unterscheidung aufgrund des "esoterischen Weges"

Interessanterweise ist es ausgerechnet der Würzburger Pater Willigis Jäger, der mit dieser Leserbriefdiskussion Schluss gemacht sehen möchte, nachdem er in einer eigenen Stellungnahme seine Position formuliert hat: Der fundamentale Unterschied in den Religionen verlaufe nicht vertikal zwischen den einzelnen Bekenntnissen, sondern horizontal zwischen der esoterischen und exotischen Ebene. Zen sei eben ein "esoterischer Weg, der über die Konfession hinausführt in die Erfahrung dessen, was Lehren nur beschreiben können". Bei Pater Willigis gibt es auch Abgrenzung. Aber er hat die traditionelle Abgrenzung zwischen den Religionen durch die nicht weniger dogmatische Trennung von exotischer und esoterischer Religion ersetzt...

Die Gegenseite: Forderung nach klarer Trennung

Die buddhistische Zen-Gruppe "Mumonkai" dagegen, die Auslöserin dieser Diskussion, hat sich gegen solch eine "Vermischung" ausgesprochen und besteht auf einer "klaren Trennung von zwei unterschiedlichen Wegen, die beide ihre eigene Geschichte und Entwicklung, ihre eigenen Erkenntnisinhalte und Erkenntniswege zum Heil oder zur Leidbefreiung besitzen". Mumonkai steht in der Frage der Vereinbarkeit spiegelbildlich auf der Seite des Papstes und hat sogar katholische Würdenträger um die Beantwortung bestimmter Fragen gebeten: Ob ein Katholik noch an einen persönlichen Gott, an die Erlösung durch Gnade, an eine individuelle Seele und an die Einmaligkeit des irdischen Lebens (ohne Reinkarnation) glauben müsse. Offensichtlich soll der Schwarze Peter der christlichen Seite zugeschoben werden. Sie möchte bitte die Unvereinbarkeit aussprechen. Von solchen taktischen Winkelzügen abgesehen, sind hier 5achfragen formuliert, die für beide Seiten wichtig sind. Denn in den buddhistischen Quellen und der buddhistischen Praxis des Zen bilden Meditationsanleitung, Meditationserfahrung und deren Deutung im Sinne des Mahayana-Buddhismus natürlich eine Einheit.

Konsequenzen für den christlich-buddhistischen Dialog

1. Der Zenbuddhismus ist zwar von allen Formen dieser Religion am wenigsten mit buddhistischem Ritual und Gedankengut verbunden und lässt sich am leichtesten vom buddhistischen Mutterboden ablösen, die entscheidenden Begriffe und Zielvorstellungen sind aber vom Buddhismus des Großen Fahrzeugs geprägt, vor allem die Leerheit aller Dinge als das, was in der Meditation realisiert wird. 2. Ist und bleibt also das Zen, in den Worten Heinrich Dumoulins, die chinesisch-japanische Meditationsschule des Mahayana-Buddhismus, so muss doch bezweifelt werden, ob das im Westen praktizierte Zen immer eine authentische buddhistische Erfahrung darstellt. 3. Dort, wo Zen-Meditation im Kontext christlicher Spiritualität verwendet wird, kommt es entscheidend auf die Gewichtung an: Was ist das Zentrum, was ist Peripherie; was ist hier Baum, was eingepfropfter Zweig? Auch auf der Ebene der Motivation muss gefragt werden, was eigentlich gesucht wird. Dem an der Anstrengung des Denkens (und der Moral) ermüdeten und gern in der Unverbindlichkeit verharrenden modernen Menschen wird in der "offenen Weite" des Zen ein Ausweg geboten, und keiner kann nachprüfen, ob es sich bei der Flucht in die Paradoxie um Erleuchtung handelt oder um Denkfaulheit bzw. moralischen Relativismus. 4. Beide Religionen stehen vor der Notwendigkeit, ihre eigene Identität in der offenen Situation des religiösen Pluralismus zu formulieren, vielleicht neu zu entdecken. Beide werden aus dieser Begegnung nicht unverändert hervorgehen, auch nicht das Christentum. 5. Der Dialog zwischen Christen und Buddhisten ist ein Gespräch zwischen zwei Religionen mit je eigenem Profil, auf der Basis gegenseitiger Respektierung des anderen, auch in seinem Anderssein. Die Ausführungen dieses Beitrags sollten nicht als Argument gegen den Dialog missverstanden werden. Dialog zwischen Religionen sollte im Geist eines interreligiösen Realismus geführt werden und nicht von falschen Harmonisierungsbedürfnissen bestimmt sein.

 

Gekürzt und bearbeitet von Ernst Pohn

 

>> Der "innere Dialog" als Anziehungspunkt des Buddhismus

>> Ruhe und Heiterkeit des Buddha verleihen dem Buddhismus ein freundliches Gesicht

>> Idealisiertes Gegenbild des Christentums

>> Unstimmigkeiten zwischen Buddhismus und Christentum

>> Päpstliche Kritik an negativer Weltsicht des Buddhismus

>> Beispiel interreligiöser Verständigungsprobleme

>> Wichtig ist das Selbstverständnis einer Religion

>> Verständnis für eine Religion innerhalb des entsprechenden Wertesystems

>> Hintergrund für die negative Bewertung des Buddhismus

>> Ziel das irdische Leben zu verlassen

>> Buddhismus ein atheistisches System ?

>> Veränderte Fragestellungen

>> Kontroverse: Buddhistische Meditation und christliche Mystik

>> Kontroversen als Hilfsmittel zur Diskussion eigener Standpunkte: Auszüge aus Leserbriefen der "Lotosblätter" (1/95)

>> Unterscheidung aufgrund des "esoterischen Weges"

>> Die Gegenseite: Forderung nach klarer Trennung

>> Konsequenzen für den christlich-buddhistischen Dialog

 
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