Problemfelder im christlich - buddhistischen Dialog
Buddhismus erfreut sich in der westlichen Welt einer immer
größer werdenden Zahl von Anhängern. Selbst Buddhisten sehen mit
einigem Unbehagen, wie ihre Religion den Bedürfnissen des
westlichen Marktes angepasst wird und fürchten, dass dadurch der
Weg zum eigentlichen Pfad des Buddha eher verstellt wird. Wer sich
in diesem Bereich orientieren möchte, muss unterscheiden lernen
zwischen der authentischen Religion und ihrer westlichen
Vermarktung. Oftmals werden dabei Begriffe und religiöse Praktiken
in christlichen Beurteilungen vereinfacht dargestellt und
Gemeinsamkeiten zwischen Christlichem und Buddhistischem in einen
falschen Kontext gefasst.
Der christlich-buddhistische Dialog wird auf vielen Ebenen und in
vielen Kontexten geführt. Über weite geographische Distanzen
hinweg und unbelastet von unbeglichenen historischen Rechnungen
vollzieht sich das Gespräch mit japanischen Buddhisten. Christliche
Ordensleute und japanische Zen-Meister besuchen einander - sozusagen
als Berufskollegen. Der Dalai Lama ist ein beliebter, allseits
anerkannter Gast auf vielen Dialogveranstaltungen. Aber nicht nur
Profis - Kirchenvertreter und Theologen - engagieren sich im
christlich-buddhistischen Dialog. Auch an der kirchlichen Basis gibt
es eine intensive Auseinandersetzung mit verschiedenen Elementen
buddhistischer Lehre und Praxis. Buddhistische Meditationswege haben
inzwischen einen festen Platz im christlichen Meditationsangebot.
Der "innere Dialog" als
Anziehungspunkt des Buddhismus
Fragt man Christen, welcher Religion sie am liebsten angehören
würden, wenn sie keine Christen wären, so erhält man nach meiner
Erfahrung meistens die Antwort: Dann wäre ich am ehesten Buddhist.
Der bekannte Theologe Paul Tillich hat nach seinen Erfahrungen, die
er in Japan mit dem christlich-buddhistischen Dialog gemacht hatte,
von einem "stillen Dialog im Innern der einzelnen
Teilnehmer" gesprochen. In diesem "inneren Dialog"
ist der Buddhismus zweifellos der bevorzugte Partner für Christen.
Er scheint genau jene Mitte zwischen Nähe und Ferne, Ähnlichkeit
und Unterschiedenheit einzuhalten, die ihn als Alternative
interessant macht.
Ruhe und Heiterkeit des Buddha verleihen dem
Buddhismus ein freundliches Gesicht
Eugen Drewermann, schon immer ein Seismograph für
Zeitströmungen, hat 1992, nach seinem Ausscheiden aus dem
Priesteramt, von seiner "Bekehrung zum Buddhismus" im
Alter von 16 Jahren gesprochen, freilich mit der Einschränkung,
dass er nur die beiden ersten Zufluchten zum Buddha und zu seiner
Lehre genommen hatte, nicht aber die zu seiner Gemeinde. Als Motiv
gibt er das Mitleid mit geschundenen und geschlachteten Tieren und
die buddhistische "Kultur des Nichtverletzens" an, ferner
die weltüberlegene Ruhe und Heiterkeit auf dem Antlitz des Buddha,
wie sie von der buddhistischen Kunst dargestellt wird. Dazu kommen
die mit dem christlichen Gottesglauben gegebenen Theodizee-Probleme,
die der Buddha gar nicht erst aufkommen lässt.
Idealisiertes Gegenbild des Christentums
Im inneren Dialog nimmt der Christ am Buddhismus beides wahr:
Verwandtschaft in der Ethik der Nächstenliebe bzw. des Mitleids,
aber auch Unterschiedlichkeit, vor allem hinsichtlich des
Gottesglaubens. Bei Nachfragen unter Buddhismusbegeisterten stellt
sich häufig heraus, dass nähere Bekanntschaft mit dem Buddhismus
und mit Buddhisten kaum vorliegt. Nicht selten wird auf diese
Religion all das projiziert, was an der eigenen christlichen
vermisst wird. Er dient - ob zu Recht oder Unrecht, das sei
dahingestellt - als idealisiertes Gegenbild des Christentums. So
oder so wird die Lehre des Buddha als Herausforderung empfunden, und
damit wird der Dialog über den Kreis der Spezialisten hinaus zu
einem inneren Anliegen.
Unstimmigkeiten zwischen Buddhismus und
Christentum
Oft werden die Gemeinsamkeiten so stark gewertet, dass
tiefergehende Unterschiede nicht mehr wahrgenommen oder sogar
geleugnet werden bzw. die Diskussion darüber verweigert wird. In
Wirklichkeit gibt es aber weiterhin Problemfelder im Dialog zwischen
den beiden Religionen. Wo sie liegen, erfährt man unter anderem aus
buddhistischen Reaktionen auf bestimmte Äußerungen des Papstes. In
der ersten Nummer des Jahres 1995 der "Lotusblätter", der
Zeitschrift der "Deutschen Buddhistischen Union", werden
sieben Seiten aufs Korn genommen, die im Buch Johannes Pauls II.
"Die Schwelle der Hoffnung überschreiten" dem Buddhismus
gewidmet sind. Es handelt sich dabei um Äußerungen im Rahmen eines
Interviews. Was hat der Papst am Buddhismus auszusetzen, und was
stört den buddhistischen Rezensenten am päpstlichen
Buddhismusbild? Es geht dabei um drei Themenbereiche:
Weltverneinung, Atheismus und Zen-Meditation.
Päpstliche Kritik an negativer Weltsicht des
Buddhismus
Zunächst richtet sich der Widerspruch dagegen, dass die
buddhistische Soteriologie (d.h. die Lehre vom Heil, von der
Erlösung usw.) vom Papst als "fast ausschließlich
negativ" gekennzeichnet wird. Die Welt gelte im Buddhismus als
schlecht, als Quelle des Bösen und des Leids. Je mehr der Mensch
sich von den Banden befreit, die ihn an die Welt fesseln, um so
"gleichgültiger" stehe er ihr gegenüber und desto mehr
befreie er sich vom Leid und vom Bösen. - "Gibt es denn im
Vatikan niemanden (fragen die "Lotusblätter"), der den
Heiligen Vater darüber aufklären könnte, dass es im Buddhismus
nicht um das Böse geht (den Begriff kennen wir überhaupt nicht),
sondern um Unwissenheit? - Abgesehen davon, dass der Aspekt der
liebevollen Güte (metta) und des umfassenden Mitgefühls (karuna),
also der komplette Ansatz des Mahayana, völlig außer Acht gelassen
wird. Aber an der Unwissenheit scheitert ja offenbar so
manches..."
Beispiel interreligiöser
Verständigungsprobleme
Die Charakterisierung des Buddhismus im Sinne von Weltverneinung
und Weltflucht ist zwar insgesamt unzutreffend, aber dennoch keine
böswillige päpstliche oder christliche Erfindung. Sie spiegelt
vielmehr den Diskussionsstand buddhistischer Anfänge im
deutschsprachigen Raum wider. Diese Anfänge standen im Zeichen der
pessimistischen Philosophie Schopenhauers und gründeten sich auf
den Buddhismus des Kleinen Fahrzeugs, des Pali-Kanons. Der Einfluss
des Mahayana, des Großen Fahrzeugs, machte sich erst in den letzten
fünfzig Jahren stärker bemerkbar, als zuerst das Zen und dann der
tibetische Buddhismus hier populär wurden. Um es an einem konkreten
Beispiel deutlich zu machen: Aus der Reihe der berühmten zehn
Ochsenbilder sind die beiden letzten den europäischen Buddhisten
immer wichtiger geworden. Die ersten acht dieser Bilder zeigen, wie
der Hirte seinen verlorenen Ochsen wiederfindet, d.h. der Mensch
sein wahres Selbst entdeckt in der Wesensschau und Erleuchtung. Im
Bild des leeren Kreises entdeckt er sein Selbst als Leerheit. In den
beiden letzten Bildern aber kehrt der Erleuchtete, der sein wahres
Wesen geschaut hat, auf den Markt der Welt zurück, um als
Bodhisattva, als Erleuchtungswesen, zu wirken und seine Erkenntnis
mit anderen mitleidsvoll zu teilen. Diese Rückkehr zu einer neuen
Weltzuwendung, wie sie im Buddhismus des Großen Fahrzeugs betont
wird, möchte der europäische Buddhismus um keinen Preis
unterschlagen wissen. Er möchte weder weltfremd noch weltabgewandt
erscheinen und belegt das mit dem zunehmenden buddhistischen
Engagement in Fragen der Ökologie und des Friedens.
Wichtig ist das Selbstverständnis einer
Religion
Grundsätzlich gilt im Dialog das Selbstverständnis einer
Religion, und zwar das von heute, nicht das von gestern oder gar ein
zurechtgemachtes Bild. Verstöße gegen diese Regel werden übel
genommen, selbst wenn sie auf gute Gründe verweisen können. Das
Weltverhältnis des Buddhismus ist also nicht pauschal als negativ
oder "gleichgültig" zu qualifizieren. - Andererseits
dürfen wir die Begegnungsgeschichte zwischen beiden Religionen
nicht vergessen und deren Nachwirkung nicht übersehen.
Bewusstmachung und Aufarbeitung dieser Geschichte ist ein dringendes
Erfordernis, wenn man Ursachen von Missverständnissen und
Fehldeutungen ausräumen möchte.
Verständnis für eine Religion innerhalb des
entsprechenden Wertesystems
Eine weitere Regel des interreligiösen Dialogs besagt, dass man
andere Religionen aus ihren eigenen Voraussetzungen verstehen und
nicht in das eigene Raster eintragen soll. Den europäischen
Buddhisten ist es wichtig, dass Gut und Böse im Sinne eines
moralischen oder gar göttlichen Gesetzes christliche Kategorien
sind, nicht ihre eigenen. Es hat in der Tat einen anderen Klang,
wenn sie von heilsamen und unheilsamen Handlungsweisen oder von
leidverursachenden Faktoren sprechen, auch wenn damit die
Verhaltensweisen bezeichnet werden, die in christlicher Sprache als
"böse" gelten.
Hintergrund für die negative Bewertung des
Buddhismus
Die Auseinandersetzung über das "Negative" am
Buddhismus hat einen Hintergrund, der in den päpstlichen
Äußerungen nicht angesprochen wird, hier aber nicht verschwiegen
werden soll. Der Münchner Fundamentaltheologe Wolfhart Pannenberg
hat mit Recht auf die Bedeutung des Schöpfungsglaubens im
christlichbuddhistischen Dialog aufmerksam gemacht. Die Wichtigkeit
dieser Kontroverse erkennt man daran, dass Buddhisten, vor allem
Theravada-Buddhisten, die Wendung "Bewahren der
Schöpfung" in interreligiösen Dokumenten nicht zu akzeptieren
bereit sind und darauf drängen, sie durch Formeln wie
"Heiligkeit der Natur" zu ersetzen, damit nicht der
Eindruck entsteht, sie würden den Schöpfungsglauben teilen.
Pannenberg macht darauf aufmerksam, dass der christliche
Schöpfungsglaube eine "überwältigende Bejahung des endlichen
Daseins" in sich schließt und dass christlich verstandene
Erlösung nicht Befreiung von der Schöpfungswirklichkeit bedeutet,
sondern deren Transformation und Vollendung. Damit ist ein
entscheidendes Charakteristikum des christlichen Glaubens im
Gegenüber zum Buddhismus gegeben. Wie viel trennendes Gewicht
dieser Differenz zuzumessen ist, darüber können und müssen
Christen und Buddhisten miteinander reden. Das Stichwort
"negativ", wie missverständlich es auch sein mag, drückt
ein bleibendes Problem im Dialog dieser beiden Religionen aus.
Ziel das irdische Leben zu verlassen
Dabei geht es auch um den Stellenwert zentraler buddhistischer
Aussagen. Es gibt genügend buddhistische Texte, die deutlich
machen, dass nicht erst Leiden und Tod, sondern schon die Geburt der
große Fehler ist. Vor allem in der Lehre vom "Bedingten
Entstehen" wird das expliziert. Deutet man das Tibetische
Totenbuch realistisch, so bemerkt man: Es wird, wie auch andere
buddhistische Texte, von einer Geburtsvermeidungsstrategie
beherrscht: Nicht ins irdische Leben zurückkehren, nicht
wiedergeboren werden, ist, wie auch in vielen Hindu-Traditionen, das
große Ziel. Von buddhistischer Seite hat der große Apostel des
westlichen Zen, D.T. Suzuki, den Gegensatz zwischen christlichem
Schöpfungsglauben und buddhistischer Weltentstehungslehre
herausgestellt. In Anlehnung an den Prolog des Johannesevangeliums
("Im Anfang war das Wort") hat er formuliert: "Im
Anfang ist der Durst (trsna, das Begehren, die Gier) ... Er hat den
Drang, sich zu verkörpern, um sich in einer Gestalt auszudrücken
... Der Durst ist der Schöpfer des Universums". Die Welt ist
ein Produkt von Unwissenheit und Gier. Ob und in welchem Umfang
diese negative Optik im Buddhismus des Großen Fahrzeugs wirklich
überwunden ist, wäre zu untersuchen. Hinter den päpstlichen
Äußerungen und der buddhistischen Kritik daran stehen also
wichtige Fragen im Verhältnis beider Religionen, die nicht
geleugnet werden dürfen. Umso notwendiger ist es, dass solche
kontroversen Probleme auf den Tisch des Dialogs kommen und solange
diskutiert werden, bis beide Seiten sich darüber verständigen
können, wo das Gemeinsame und wo das Unterscheidende liegt. Dialog
bedeutet nicht, dass das Trennende unter den Tisch gekehrt wird,
sondern dass man darüber reden kann und redet.
Buddhismus ein atheistisches System ?
Auch der vom Papst wiederholte Vorwurf, der Buddhismus sei
"in erheblichem Maß ein `atheistisches' System", wird aus
der Anfangsphase des europäischen Buddhismus verständlich. Paul
Dahlke, der Gründer des Buddhistischen Hauses in Berlin-Frohnau,
hat 1928 mit großem Pathos gesagt: "Zum ersten Mal seit
historischen Zeiten meldete ... eine Weltreligion ihre Forderung an,
unter dem scheinbar paradoxen Motto: `Ist zu einer Religion Gott
überhaupt nötig?' Man kann den ganzen Buddhismus als die Antwort
auf diese Frage ansehen, und diese Antwort lautet: Der Mensch
gehört sich selbst ... Über ihn zu Gericht sitzt nicht Gott,
sondern sein eigenes Wirken. Und sein Dasein hängt nicht vom Urteil
eines Gottes ab..., sondern von seinem eigenen Wirken. Für den
buddhistischen Menschen gibt es nur das Wirken und die Folge des
Wirkens, die Religion der erbarmungslosen, ungemilderten
Selbstverantwortlichkeit. Aber gerade dadurch ist es die Religion
der Erwachsenen, die da wissen, dass es in der Wirklichkeit nichts
geschenkt gibt." So hat sich der frühe europäische Buddhismus
gegenüber dem Christentum als eine Religion ohne Gott profiliert.
Veränderte Fragestellungen
Heute geht es mehr um die Frage nach einem personalen oder
apersonalen Verständnis von Transzendenz und nach der
Verwandtschaft zwischen Zen-Erfahrung und mystischer Gotteserfahrung
im Sinne Meister Eckeharts. Überdies ist der hiesige Buddhismus,
vor allem durch den Einfluss der tibetischen Lamas,
"religiöser" geworden. Elemente der Verehrung, der
Verdienstübertragung, des Rituals usw. spielen eine unvergleichlich
größere Rolle als früher. War der europäische Buddhismus in
seiner Frühphase eher von protestantischem Stil, so ist er in den
letzten Jahrzehnten sozusagen katholischer geworden. Nicht von
ungefähr wird in der innerbuddhistischen Diskussion über
psychologische Probleme nachgedacht, die dadurch entstehen, dass
katholische Konvertiten zum tibetischen Buddhismus an unangenehme
(bzw. als unangenehm empfundene) Erfahrungen in ihrer früheren
Religion erinnert werden. Diese Wandlungen hängen mit dem
Einströmen des japanischen und tibetischen Buddhismus zusammen,
aber auch mit den Erwartungen junger Menschen. Der Buddhismus
Dahlkes und seiner Zeitgenossen entspricht längst nicht mehr den
Bedürfnissen der jungen Generation. Wenn wir also im Dialog
zwischen beiden Religionen weiterkommen wollen, dürfen wir die
Geschichte wechselseitiger Beziehungen und Beurteilungen nicht
vergessen, sondern müssen alte Missverständnisse und Zerrbilder,
die es sicher auf beiden Seiten gegeben hat und gibt, aufarbeiten
und sie überwinden oder zumindest auf ihren wahren Kern reduzieren.
Kontroverse: Buddhistische Meditation und
christliche Mystik
Ein weiterer wichtiger Streitpunkt ist das Verhältnis zwischen
buddhistischer Meditation und christlicher Mystik. Schon 1989 hat
die römische Kongregation für die Glaubenslehre in einem Schreiben
Vorbehalte gegenüber den Meditationswegen der östlichen Religionen
angemeldet. Christliche Mystik - heißt es in den
"Lotusblättern" - entstehe nach Ansicht des Papstes nicht
aus einer rein negativen Erleuchtung (wiederum das Stichwort
"negativ"), sondern aus der Offenbarung des lebendigen
Gottes. Deshalb seien Meditationswege östlicher Religionen nicht
unkritisch zu übernehmen. Man darf wohl annehmen, dass diese
Vorbehalte sich nicht nur auf buddhistische, sondern auch auf
christliche Formen "negativer Mystik" beziehen. Meister
Eckehart könnte mitgemeint sein.
Kontroversen als Hilfsmittel zur Diskussion
eigener Standpunkte: Auszüge aus Leserbriefen der
"Lotosblätter" (1/95)
Dieser Sachverhalt ist für das christlich-buddhistische
Verhältnis, aber auch für den gesamten interreligiösen Dialog von
grundlegender Bedeutung. Es gibt den christlich-buddhistischen
Dialog nicht nur zwischen den Angehörigen beider Seiten. Immer geht
es dabei auch um das Verständnis der eigenen Religion. Was ist
christliche Identität im Verhältnis zum Christentum? Wo liegt das
Gemeinsame, wo das Trennende? Die Verwendung buddhistischer
Meditationswege ist für beide Seiten ein Anlass für solche
Überlegungen. In der gleichen Nummer der "Lotosblätter"
(1/95) diskutieren Leserinnen und Leser, angeregt von der Redaktion,
über "christliches Zen". "Christliches Zen - eine
vegetarische Fleischkost", beginnt eine (ablehnende)
buddhistische Stellungnahme. Die Redaktion stellt einleitend fest:
"Wenn also Leute, die einer anderen Religionsgemeinschaft wie
etwa der katholischen Kirche angehören, uns erzählen, dass auf der
höchsten Ebene der Zen-Erfahrung alles eins ist, dass es deshalb so
etwas wie ein buddhistisches Zen gar nicht geben könne und folglich
jeder das Recht habe, seine eigene Form des Zen zu entwickeln, zu
praktizieren und weiterzugeben, versuchen wir erst mal, nicht mit
der Wimper zu zucken." "Andrerseits wird es für viele
Buddhisten mehr und mehr zum roten Tuch, wenn eine Tradition wie das
Zen, die über Jahrhunderte hinweg als unstrittig buddhistisch galt,
auf einmal religiöses Niemandsland sein soll ... (Es) stellt sich
... die Frage, ob es uns einfallen würde, den interreligiösen
Dialog mit dem Christentum beispielsweise dadurch fördern zu
wollen, dass wir ... das Rosenkranzgebet als nichtchristlich
erklären und eine buddhistische Variante davon entwickeln und
verbreiten: `Heilige Tara, Mutter des Universums, Du bist gebenedeit,
... bitte für uns ...' und das Ganze in einer entsprechenden
Umgebung, geleitet von tibetischen Lamas in christlich-liturgischen
Gewändern mit Spitzenbesatz, umgeben von Ministranten und umwallt
von Duftwolken aus dem Weihrauchkessel ..." Nach diesem
Ausbruch ganz unbuddhistisch klingender Ironie wirkt die
abschließende Forderung recht gemäßigt: "Wir können uns
nicht mit dem Schwert in der Hand gegenübertreten (obwohl das
wieder so schön japanisch aussehen würde) und wir können nicht
vor den Gerichten um das Recht auf die Benutzung des Markennamens
`Zen' streiten. Wir brauchen auch keine Polemik, keine Propaganda
und keine Verteidigung von `Besitzständen'. Was wir aber brauchen,
ist eine klare begriffliche, ordentliche Argumentation und
intellektuelle Redlichkeit von allen Seiten." Die
Gegenposition, die man von Freunden des Zen auch sonst oft hört,
kommt in einem Leserbrief deutlich zum Ausdruck: "Hör doch
auf, zu unterscheiden!" Es muss in diesem Zusammenhang daran
erinnert werden, dass auch viele japanische ZenMeister,
wahrscheinlich die Mehrheit, sich gegen die Anerkennung christlicher
Ordensleute als Zen-Meister ausgesprochen haben.
Unterscheidung aufgrund des "esoterischen
Weges"
Interessanterweise ist es ausgerechnet der Würzburger Pater
Willigis Jäger, der mit dieser Leserbriefdiskussion Schluss gemacht
sehen möchte, nachdem er in einer eigenen Stellungnahme seine
Position formuliert hat: Der fundamentale Unterschied in den
Religionen verlaufe nicht vertikal zwischen den einzelnen
Bekenntnissen, sondern horizontal zwischen der esoterischen und
exotischen Ebene. Zen sei eben ein "esoterischer Weg, der über
die Konfession hinausführt in die Erfahrung dessen, was Lehren nur
beschreiben können". Bei Pater Willigis gibt es auch
Abgrenzung. Aber er hat die traditionelle Abgrenzung zwischen den
Religionen durch die nicht weniger dogmatische Trennung von
exotischer und esoterischer Religion ersetzt...
Die Gegenseite: Forderung nach klarer Trennung
Die buddhistische Zen-Gruppe "Mumonkai" dagegen, die
Auslöserin dieser Diskussion, hat sich gegen solch eine
"Vermischung" ausgesprochen und besteht auf einer
"klaren Trennung von zwei unterschiedlichen Wegen, die beide
ihre eigene Geschichte und Entwicklung, ihre eigenen
Erkenntnisinhalte und Erkenntniswege zum Heil oder zur Leidbefreiung
besitzen". Mumonkai steht in der Frage der Vereinbarkeit
spiegelbildlich auf der Seite des Papstes und hat sogar katholische
Würdenträger um die Beantwortung bestimmter Fragen gebeten: Ob ein
Katholik noch an einen persönlichen Gott, an die Erlösung durch
Gnade, an eine individuelle Seele und an die Einmaligkeit des
irdischen Lebens (ohne Reinkarnation) glauben müsse. Offensichtlich
soll der Schwarze Peter der christlichen Seite zugeschoben werden.
Sie möchte bitte die Unvereinbarkeit aussprechen. Von solchen
taktischen Winkelzügen abgesehen, sind hier 5achfragen formuliert,
die für beide Seiten wichtig sind. Denn in den buddhistischen
Quellen und der buddhistischen Praxis des Zen bilden
Meditationsanleitung, Meditationserfahrung und deren Deutung im
Sinne des Mahayana-Buddhismus natürlich eine Einheit.
Konsequenzen für den christlich-buddhistischen
Dialog
1. Der Zenbuddhismus ist zwar von allen Formen dieser Religion am
wenigsten mit buddhistischem Ritual und Gedankengut verbunden und
lässt sich am leichtesten vom buddhistischen Mutterboden ablösen,
die entscheidenden Begriffe und Zielvorstellungen sind aber vom
Buddhismus des Großen Fahrzeugs geprägt, vor allem die Leerheit
aller Dinge als das, was in der Meditation realisiert wird. 2. Ist
und bleibt also das Zen, in den Worten Heinrich Dumoulins, die
chinesisch-japanische Meditationsschule des Mahayana-Buddhismus, so
muss doch bezweifelt werden, ob das im Westen praktizierte Zen immer
eine authentische buddhistische Erfahrung darstellt. 3. Dort, wo
Zen-Meditation im Kontext christlicher Spiritualität verwendet
wird, kommt es entscheidend auf die Gewichtung an: Was ist das
Zentrum, was ist Peripherie; was ist hier Baum, was eingepfropfter
Zweig? Auch auf der Ebene der Motivation muss gefragt werden, was
eigentlich gesucht wird. Dem an der Anstrengung des Denkens (und der
Moral) ermüdeten und gern in der Unverbindlichkeit verharrenden
modernen Menschen wird in der "offenen Weite" des Zen ein
Ausweg geboten, und keiner kann nachprüfen, ob es sich bei der
Flucht in die Paradoxie um Erleuchtung handelt oder um Denkfaulheit
bzw. moralischen Relativismus. 4. Beide Religionen stehen vor der
Notwendigkeit, ihre eigene Identität in der offenen Situation des
religiösen Pluralismus zu formulieren, vielleicht neu zu entdecken.
Beide werden aus dieser Begegnung nicht unverändert hervorgehen,
auch nicht das Christentum. 5. Der Dialog zwischen Christen und
Buddhisten ist ein Gespräch zwischen zwei Religionen mit je eigenem
Profil, auf der Basis gegenseitiger Respektierung des anderen, auch
in seinem Anderssein. Die Ausführungen dieses Beitrags sollten
nicht als Argument gegen den Dialog missverstanden werden. Dialog
zwischen Religionen sollte im Geist eines interreligiösen Realismus
geführt werden und nicht von falschen Harmonisierungsbedürfnissen
bestimmt sein.
Gekürzt und bearbeitet von Ernst Pohn
|