Fachartikel

"Von der Hoffnung, die euch erfüllt"

Von Petrus Bsteh

 

Im Zusammenhang mit dem nachkonziliaren Dialoggeschehen entsteht oft der Eindruck dass die Begegnung zwischen den Religionen alleine Aufgabe der religiösen Führer sei. Grundsätzlich ist dies jedoch Sache aller, die bereit sind am interreligiösen Dialog teilzunehmen. Dem Christentum wurde durch Säkularisierung und Individualisierung zusehends eine Nebenrolle zuteil. Resignation hat die Jüngergemeinde beschlichen. Im Angesicht dieser Zeit fragt Petrus Bsteh nach der Hoffnung, die die Christen erfüllt, und die sie verbreiten wollen.

Nach fast zweitausend Jahren Geschichte gestaltet sich das gläubige Selbstverständnis der Christenheit viel differenzierter, viel befrachteter als am Beginn. Freilich bricht auch heute für die Kirchen nach langer Zeit kolonialer Überlegenheit und geistlicher Vorherrschaft eine Diasporasituation an, in der man offensichtlich noch einmal versucht, sich mit allen Mitteln gegen eine Öffnung geschlossener Positionen zu sträuben. Die christliche Kirche ist nicht nur in einen Raum verschiedener Religionen, Bewegungen und Sekten eingebettet, sondern steht zum ersten Mal in der Geschichte einem weltweiten skeptischen und ideologischen Atheismus gegenüber. An der Existenz des letzteren ist ganz sicherlich auch das Christentum selbst mit schuld, so dass das Konzil die Kirche auch damit intensiv befasste.

Die Konzilserklärung Nostra Aetate

Die Geschichte ist eine verlässliche Lehrmeisterin. Es ist gut, sie um den Anlass dieses Dokumentes, das einen so bedeutsamen Aufbruch bewirken sollte, zu befragen. Zunächst ging es diesem Weltkonzil darum, eine langwährende Schuld abzutragen, die vor allem den alten Kirchenraum Europas und des Nahen Ostens betraf. In ihm hatte sich der Antijudaismus in seinen verschiedenen - allesamt unseligen - Formen entwickelt. Nach deren apokalyptischen Auswüchsen, die auf die Kirche selbst zurückzuschlagen begannen, galt es umzukehren und positive Schritte der Versöhnung zu setzen. Die Kirche wollte als gesamte ihr Wirken auf eine neue Basis stellen, die ihren tragenden Wurzeln in der Geschichte Israels gerecht würde. Diese Absicht stieß auf heftige Widerstände sehr komplexer Art. Ganz besonders waren sie in diesem Falle auch durch die äußerst gespannte Beziehung palästinensischer Christen zum neuerstandenen Staat Israel bestimmt.

Eine Fülle von Aufgaben

Um dem Glaubenssinn der Gesamtkirche zum Durchbruch zu verhelfen, musste man mit großer Entschiedenheit eigene Wege gehen. Die Anforderungen war nur im verlässlichsten der Sekretariate zur Vorbereitung und Bearbeitung für eine Konzilsversammlung unterzubringen. Es war dies jenes für die "Einheit der Christen", geleitet von Kardinal Augustinus Bea, dem profunden Bibliker und erfahrenen Meister der "Unterscheidung der Geister".

Dort konnte auch das mit dem Dialog verbundene Anliegen der Religionsfreiheit bis zu seiner Verabschiedung in der Konzilserklärung "Dignitatis Humanae" mit gebotener Sachlichkeit behandelt werden. Der Dialog mit dem Judentum sollte nicht einfach im Bereich der zu erneuernden Liturgie und Verkündigung subsumiert werden. Die Kirche bringt zwar die gesamte Heilsgeschichte im biblischen Kontext zur sakramentalen Darstellung, die biblische Tradition des Judentums bekennt jedoch ihre eigene Darstellung und Verfassung. Darüber hinaus gibt es noch die neben dem Christentum zweitgrößte Religion der Erde, die sich als unüberbietbare Reform sowohl der jüdischen wie auch der christlichen biblischen Tradition ausgibt, nämlich den Islam. Die Weltkirche hatte zudem noch an nichtmonotheistische Religionen zu denken, die als Dialogpartner zu akzeptieren sind. Durch den beherzten Einsatz einiger Pioniere christlichen Gewissens und einiger unbestechlicher Historiker wurde ein Beispiel dafür gegeben, dass der Wahrheit auch in Freiheit zum Durchbruch gegenüber einer nicht leicht zu bewegenden Mehrheit zu verhelfen ist.

Vom personalen Charakter Christlicher Hoffnung

Dass die Hoffnung neben Glauben und Liebe die bescheidenste Schwester in der Triade der christlichen Tugenden ist, hat Charles Peguy eindrucksvoll dargestellt (Das Mysterium der Hoffnung, Wien/München 1952, Seite 19, 23ff). Man spricht zwar in letzter Zeit des öfteren vom "Prinzip Hoffnung", aber ein bloßes Postulat, das den Mythos des Sisyphus und die Ausweglosigkeit des Labyrinthes der Menschen überwinden soll, überzeugt wenig. Deshalb sei der Grund unserer Hoffnung näher erläutert. Christliche Hoffnung hat immer "jemanden" vor sich. Gott als Hirte der Verlorenen wird von Jesus als Grund der Hoffnung dargestellt: Er selbst macht sich auf den Weg nach dem Menschen, um ihn, den gestaltlosen Erdling, durch den Hauch seines Lebens zu jenem zu formen und zu wecken, der seinem Anruf antwortet. Gott sucht und ruft, bis er den Verlorenen und Verwundeten wiederfindet, und lässt die Erfüllung seiner Hoffnung ein Höchstmaß einzigartiger Freude sein. Die Hoffnung des Menschen, der so umworben und berufen wird, ist demnach, die Freude seines Gottes durch Dank zu teilen. Die vollkommene Freude, von der Jesus spricht, ist die persönlicher Findung, von der auch das Hohe Lied singt. Der Dialog ist der Weg von Namen zu Namen, von Herz zu Herz, von Du zu Du; er kann also nie bloß durch Inhalte abgegolten, belohnt oder erledigt werden. Er bleibt ein Weg, dessen Schritte wohl inhaltlich gesetzt sind, aber doch so lange über sich hinausführen, bis sie zur Selbstmitteilung gelangen. Jede Verfestigung wäre Verrat an gegenseitiger Geschichte; die Überschreitung zum je neuen Wort und Satz führt zum Wagnis der Hoffnung, deren Freude es bleibt, erfüllt und doch je neu eröffnet zu werden: "Damit wir im Suchen finden und beim Finden suchen" (Augustinus).

Das lebendige Wort Gottes

Wo Gott selbst als Heil für den Menschen und der Mensch als Dank an seinen Gott glaubend erlebt wird, dort gibt es Hoffnung, die sich auch einander zuwendet. Das einzige Realsymbol göttlichen Zuspruchs und menschlicher Antwort, das vom strengen Bilderverbot nicht betroffen ist, ist das lebendige Wort. In diesem Sinn ist die Einmaligkeit der Offenbarung Gottes nur in heiligen Schriften zu denken, die in lebendiger Tradition verkündet und verwirklicht werden wollen. Nicht die statische Einsicht, sondern der dynamische Glaube aus dem Hören und Bezeugen entspricht dem Geheimnis des Glaubens. Deshalb wird dieser Prozess auch immer aus dem erzählenden Erinnern vollzogen werden, d. h. das Wort wird in Sätzen, die zum Gespräch führen, gegeben und bindet Gott und die Menschen in ein hoffnungsvolles Geschehen. So haben alle drei Monotheismen das Gespräch zu Gott und einander als Unterpfand der Hoffnung. In ganz anderer Weise ergibt sich das Gespräch mit jenen Religionen, für die die Offenbarung Gottes nicht in einem worthaften Berufungs- und Erfüllungsschema gedacht wird, sondern in einem jeweiligen Erschließen göttlicher Wirklichkeit im gesamten Erfahren des Seins. Dort, wo sich die Zeiten und Gegenstände wort- und satzhafter Aussagen im Schweigen des Innewerdens auflösen, ergibt sich das "Alles in allem". Hoffnung zu wecken aus Zielen, die offenbart sind, stört dann die "Stille der Natur". Doch kann die mitgeteilte Lehre erlangter Weisheit auch worthaft erfahren werden. Dialog unter diesen Voraussetzungen hat zu erweisen, dass das Versinken in das Geheimnis des Seins auch dort geteilt werden kann, wo dieses in der Ganzheit liebender Gemeinschaft erlebt wird. So mag das Gespräch nicht als gewaltsame Einmischung, sondern als weiterführende und tiefer leitende Erlösung gewahr werden. Der Dialog mit dem Hinduismus und Buddhismus wird daher in ganz anderer Weise erlernt werden müssen als unter den monotheistischen Offenbarungsreligionen.

Von der Rechenschaft der Hoffnung

Der erste Petrusbrief spricht von einer Rechenschaft, die den Hoffenden aufgegeben ist. Tatsächlich ist die Hoffnung nicht nur unter Niedergeschlagenen und bei Schuldverstrickten aufzurichten, sondern vor allem bei solchen, die das Leben nur als aussichtsloses Drama verstehen können, wie es die antike Umgebung des Christentums ja zum ersten Mal in der Menschheitsgeschichte getan hat. Gerade aber die Christen waren Menschen, die im Geiste das Kreuz und die Auferstehung Christi zur Mitte ihres Lebens und Wirkens gemacht hatten. So war das Unerhörte des Wunders eines aus Liebe erlösenden Gottes ein alles überbietendes Ereignis, das jede Rechenschaft weit überbot, aber nicht überflüssig machte. Für diese Rechenschaft ist die ureigene Bedeutung des Dialogs von Wichtigkeit, und zwar mit Gedanken, die uns Christen nach langen Irrtümern und erschreckenden Fehlleistungen durch jüdische Gläubige ins Gedächtnis gerufen wurden. Einer von ihnen, Franz Rosenzweig, sei deshalb mit seinem "Büchlein vom gesunden und kranken Menschenverstand" (Königstein 1984/Düsseldorf 1964) angeführt. Er meint, dass Gespräche nie vor sich hin und nie über Dinge an und für sich laufen dürften. In diesem Sinne seien sie keine vorgetragene Schreibe etwa einer Vorlesung, einer Belehrung von oben, vielmehr nährten sie sich vom Namen, also einem Wesen "für", nicht "über". Sprechen lässt sich seine Stichworte von anderen geben, lebt überhaupt vom Leben der anderen. Man weiß nie seinen Ausgang, es bleibt offenes gemeinsames Abenteuer, ist ein Geschehnis, das "verlorene Zeit", also Warten einschließt und das sich auffüllt mit Werten neuer Höhen und Tiefen, also Fragen, Bitten... Die Rechenschaft der Hoffnung bezieht sich auf den, der sagen konnte, "wenn du wüsstest, ... wer es ist, der zu dir sagt ..." (Joh 4, 10), wobei mit der angesprochenen Sünderin zu ergänzen ist, was er vergab und noch vielmehr einem jeden anderen zu vergeben bereit ist. Alles übrige wäre eine verdrehte Apologie.

Christliche Hoffnung und "die Anderen"

Ein Satz des Konziltextes sollte im Zusammenhang mit anderen Religionen besonders erwogen werden: "Die katholische Kirche lehnt nichts von alledem ab, was in diesen Religionen wahr und heilig ist. Mit aufrichtigem Ernst betrachtet sie jene Handlungs- und Lebensweisen, jene Vorschriften und Lehren, die zwar in manchem von dem abweichen, was sie selber für wahr hält und lehrt, doch nicht selten einen Strahl jener Wahrheit erkennen lassen, die alle Menschen erleuchtet. Unablässig aber verkündet sie und muss sie verkündigen Christus, der ist ‚der Weg, die Wahrheit und das Leben' (Joh 14, 6), in dem die Menschen die Fülle des religiösen Lebens finden, in dem Gott alles mit sich versöhnt hat" (N. A., 2). Ist der Dialog nicht von obig Ausgeführtem qualifiziert, so könnte diese Passage als kirchliche Anmaßung, selbst zu bestimmen, was in anderen Religionen "wahr und heilig ist" verstanden werden. Insofern Wahrheit im Dialog geschieht, insofern sie so personal gefasst wird wie in jenem Jesus, der im Gespräch der Samariterin begegnet, ist christliche Verkündigung Zeugnis von seinem Zeugnis, nicht mehr und nicht weniger. Wenn wir Christen sosehr den Namen "Jesu" für Hoffnung einsetzen, so deshalb, weil es ohne ihn, den "Engel der Geschichte" (vgl. auch diesen Buchtitel von Stephane Moses, Frankfurt/Main 1994), den Messias, auch keine eigentliche Zukunft für die Menschen in Gott geben kann. Er ist und bleibt das Wort, das uns zum Sprechen befähigt und ermächtigt, das Wort, das nicht dem anderen aufgenötigt werden, sondern selbst in ihm zur Sprache kommen will.

Eigenschaften des Dialogs

Diese Hoffnung braucht auch kein sachliches Ziel und Ergebnis des Dialoggeschehens; in gewisser Hinsicht darf es sich dann selbst genügen, wenn es zum Gespräch überhaupt kommt.

Jedem theologisch geübten Christen wird vertraut sein, was als Ergänzung dieser stark personalistisch konzipierten Auffassung des Dialoges nicht ausgeschlossen werden soll, ja erfordert bleibt: nämlich die inhaltliche Gültigkeit jeglicher Glaubensüberzeugung und Aussage. Nichts wäre dem Dialog unzuträglicher als verfließende Inhalte, ebenso wie dürre Bestände, wo doch die lebendige Mitteilung nach dem geschichtlich Gewordenen und Werdenden verlangt - übrigens durchaus auch mit den unverzichtbaren sakralen Eigenheiten religiöser Rede. Man wirft den "Dialogikern" des "Ich und Du" immer wieder das mangelnde "Wir" vor, das ja immer Voraussetzung, Umfeld und Folge eines echten Gespräches sein muss. Erfahrene Dialogiker müssten eigentlich gute Kirchengeschichtler und Kirchenlehrer sein. Ohne eine durch sich stets vertiefende und klärende Inhalte geformte Überlieferung der christlichen Glaubensgemeinschaft gibt es auch keine fruchtbare Übertragung in den Kontext anderer Religionen. Jedes eingehende Gespräch sollte auch den weiten Raum aller übrigen Partner mitbedenken - nicht nur, was die Vielfalt expliziter Religiosität betrifft, sondern gerade ihre "weltlichen" Bereiche, wie etwa der Kunst und Politik. Die Schwerkraft der Hoffnung, die Geschichte betreibt, kennt keine Grenzen: Es gibt keine Vereinnahmung und Ausschließung. Deshalb ist der Plural der Hoffnungsträger so wesentlich.

Konzil als Ausdruck von Hoffnung

Das Konzil ist einer der schönsten Ausdrücke einer solchen Hoffnung von seiner Unvorhergesehenheit und Unausschaltbarkeit her: Es hat die Jüngergemeinde aus ihrer gottgestifteten Tradition in den Dialog mit allen übrigen Religionen geführt, zugleich aber auch in die Öffentlichkeit gesellschaftlicher Schichten, staatlicher Souveränität und internationaler Foren. Ihre Rechenschaft ist nicht ein erpresstes Geständnis, sondern eine festergriffene Sendung, aus einer Erinnerung Zeugnis abzulegen - stärker als jede Schwäche und alle Schuld. Sie wandelt nicht im Reich der Träume und handelt nicht mit zärtlichen Artigkeiten. Ihr klarer Vorsatz findet sich aus dem durch Christus bezeugten Erbarmen Gottes. Wenn Kirche sich zu Glaube und Vernunft bekennt wie schon ausdrücklich im I. Vatikanischen Konzil, so hat sie die Öffentlichkeit nicht hinter totalitären Mauern abzuschirmen, vielmehr entspricht sie dem breiten Einzugsbereich gläubigen Bewusstseins durch die weiten Ausgangsfelder menschheitlicher Erwartung. Sie anerkennt dabei das Arcanum des Intimbereiches jeglicher echter Religiosität in seiner unantastbaren Hoheit, aber auch die Autorität der Geheimnisse von Haus und Gemeinde, ja der ganzen Gemeinschaft der Kirche als Wohnstatt im Geiste.

"Heiligt den Herrn und seid stets bereit zur Auskunft"

Der gesamte Vers des Petrusbriefes bringt das Beispiel und die Kraft des Herrn noch einmal ins Spiel. Die Sendung, die ihm vom Vater zuteil wurde, bestellt auch uns zu Zeugen. Es soll auch demjenigen, der mit ausgesprochenen oder unausgesprochenen Fragen jene Hoffnung sucht, neuen Bestand schenken. Die Botschaft ist nicht eine schlagfertige Widerrede gegen billige Vorwürfe, sondern muss Neues finden für jemanden, der deshalb sucht, weil er erfahren hat, dass er besucht wird. Nun hat das Christentum im Laufe seiner Geschichte vielen Religionen ein typisches Bild aufgeprägt und dieses, so gut man nur konnte, auch wissenschaftlich begründet. Sehr leicht kam es daher zu Übertragungen, die vorgeformte Fragen nahe legten. Vorurteile dieser Art, heute durch Massenkommunikation verbreitet, verhärten ein auferlegtes Selbstverständnis oder führen zu einem ausweglosen Widerstand. Die Gewohnheit, das Selbstverständnis ohne die Dynamik des Entgegenkommens einseitig festzulegen, ist durch den Auftrag des Dialoges abgeschafft. Jesus hat jedem Menschen bereits durch seine Ankunft Auskunft über seine Absicht bekundet, ihm das Heil widerfahren zu lassen. Gott gibt auf jeden Fall dem Suchenden Priorität, muss aber wohl jedem einzelnen den Urgrund und das letzte Ziel dieses Suchens als Lebensinhalt offenbaren. Ihn im Herzen zu halten bedeutet, aus Seinem Geiste zu leben und zum Leben zu verhelfen. Dies meint unsere Schriftstelle mit dem Eifer, der uns durchdringen soll. Er entspringt nicht einer verunsicherten oder nie hinterfragten Haltung des Angriffs oder der Abwehr, wie wir sooft auch im Gefolge des Konzils beobachten mussten und noch erfahren. Es handelt sich eben nicht um religiös kaschierte Eigeninteressen, sondern immer nur um eine Sendung, die offen legt, in welcher Bedingtheit menschliche Schwachheit sich vorfindet, wenn Gottes Kraft ihr begegnet.

Erlösung als Wegweiser

Der Lauf der Geschichte unserer Menschheit, gibt uns allen eine Last des Wortes auf, die nur mit Bangen und Zittern entgegengenommen werden kann, wahrscheinlich auch mit jenem Widerstreben, das sich unwillkürlich vor dem Auftrag der Hoffnung einstellt. "Der jüdische Messianismus", schreibt Gershom Scholem, "ist in seinem Ursprung und Wesen, und das kann nicht genug betont werden, eine Katastrophentheorie ... Die Erlösung ist kein Ergebnis innerweltlicher Entwicklungen wie etwa in den modernen abendländischen Umdeutungen des Messianismus seit der Aufklärung. Sie ist vielmehr ein Einbruch der Transzendenz in die Geschichte, ein Einbruch, in dem die Geschichte selber zugrunde geht, in diesem Untergang sich freilich wandelnd, weil von einem Licht betroffen, das von ganz woanders her in sie strahlt." (Über einige Grundbegriffe des Judentums, Frankfurt/Main3 1980, Seite 130, 133) Vermutlich wird sich die christliche Hoffnung angesichts so formulierter Erfahrungen (und sie wurden es noch viel drastischer, was ihre negative Seite anlangt) noch einmal der österlichen Mitte ihres Glaubens besinnen müssen. Sie hat sich auch dort des Geheimnisses von Passion und Ostern nicht zu schämen, wo ein religiös motivierter Heilsoptimismus den Weg des Lammes zum Kreuz schlagartig ausblendet (Islam); und sie muss diese personale Mitte auch dort einsetzen, wo unter dem Übergewicht des Leides die Trägerschaft von Namen und Wort gelöscht und getilgt wird (Judentum). Erlösung wird sich also sehr verschieden artikulieren müssen: Im Grunde schenkt sie dort geheimnisvoll Leben, das aus Beziehung angenommen und in Beziehung gestaltet werden kann, wo geliebt wird. Es gibt Leben in Fülle, d. h. verdanktes Leben, bevor es noch verstörte und verwirkte Erfahrung gibt. Aus diesem in Liebe wiedergeborenen Dasein, also einer Naivität in Pietät, ist christliche Hoffnung geboren, die sich im Dialog entfaltet.

Vom Grund und Ziel unserer Hoffnung

Von eigentlicher Hoffnung können wir Christen nur im Paradox von Personen sprechen: zunächst von jener, die sagen konnte: "Ich bin es", sodann von allen, die auf dieses Wort hin zum Glauben fanden. Sie ist also nicht Ergebnis schlüssiger Ableitungen aus festgefügten Grundsätzen, sondern entspringt freier Erwartung von Verheißungen: Nicht dialektische Mechanismen mit ihrem Zubehör statischer Thesen und Dogmen vermögen christliche Hoffnung zu erwecken, sondern vielmehr Dialoge, die Ausständiges und Außenstehende mit hinnehmender und hingebender Geduld bestehen lassen bzw. sogar in ihrem Bestand neu begründen. Wird ein so umfassendes Programm einer Hoffnung entworfen, so spricht vieles gegen uns selbst und alles nur für Ihn. Viel sprach dafür, im Bekenntnis des Glaubens an Jesus Christus als den Messias Missverständnisse zu widerlegen und auszugrenzen; vieles musste auch mit Berücksichtigung fremder Denkmethoden in andere Kulturen und Zeiten übertragen werden. Die Hoffnung konnte schließlich durch eine verfehlte Naherwartung sowie eine verfrühte Einführung der Macht des Allherrschers Christus wesentlich eingeschränkt werden. Die Folgen waren nicht nur politisch, sondern vor allem religiös verderblich: Es bewahrheitete sich, dass die Zersetzung des Besten am übelsten ausschlägt. Das Verhältnis zur vorhergehenden Wurzelreligion und zur nachfolgenden Reformreligion zählt zum Belastendsten, was das Gewissen des Christentums bedrückt. In diesem Sinne gehört das Bekenntnis zum Dialog der Hoffnung, das im II. Vatikanischen Konzil abgelegt wurde, auch zum Vorrangigsten des christlichen Ökumenismus.

 

Gekürzt und bearbeitet von Ernst Pohn

 

>> Die Konzilserklärung Nostra Aetate

>> Eine Fülle von Aufgaben

>> Vom personalen Charakter Christlicher Hoffnung

>> Das lebendige Wort Gottes

>> Von der Rechenschaft der Hoffnung

>> Christliche Hoffnung und "die Anderen"

>> Eigenschaften des Dialogs

>> Konzil als Ausdruck von Hoffnung

>> "Heiligt den Herrn und seid stets bereit zur Auskunft"

>> Erlösung als Wegweiser

>> Vom Grund und Ziel unserer Hoffnung

 
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