Buchtipp

"Kritische Antworten" auf Richard Dawkins´ "atheistische Mission"

"15 kritische Antworten" auf die "atheistische Mission" des britischen Evolutionsbiologen Richard Dawkins finden sich in dem von Rudolf Langthaler und Kurt Appel herausgegebenen Buch "Dawkins´ Gotteswahn". Theologen, Philosophen, Biologen und Physiker hinterfragen darin die Argumente und Theorien des wahrscheinlich prominentesten Vertreters des sogenannten "neuen Atheismus".

Mit seinem in mehreren Ländern zum Bestseller avancierten Buch "God Delusion" (in der deutschen Übersetzung: "Der Gotteswahn") wurde Richard Dawkins zu einem der bekanntesten und populärsten Vertreter des "New Atheism". Doch in theologischen und philosophischen Kreisen, so schreiben Rudolf Langthaler und Kurt Appel im Vorwort des von ihnen herausgegebenen Bandes, herrsche weitgehend die Ansicht, "dass sich die Auseinandersetzung mit Dawkins´ Kritik in sachlicher Hinsicht nicht lohne, zumal der unwissenschaftliche Charakter der Dawkin´schen Streitschrift eine ernsthafte Diskussion im Grunde gar nicht erlaube und deshalb auch nicht zumutbar sei."

Ausdruck einer weit verbreiteten Geisteshaltung

Nichtsdestotrotz sei eine sachliche Erwiderung auf die Ausführungen Dawkins´ unumgänglich, da diese "zweifellos eine in der gegenwärtigen akademischen und gesellschaftlichen Landschaft durchaus weit verbreitete Geisteshaltung" widerspiegelten, so Langthaler und Appel, die daher, wie es im Untertitel des Buches heißt, "15 kritische Antworten" auf Dawkins´ "atheistische Mission" zusammengestellt haben.

Dawkins´ Verzicht auf methodische Selbstreflexion

Vielen gilt Dawkins´ Buch "Der Gotteswahn" als eine der schärfsten Formen zeitgenössischer Religionskritik. Zeigt der Evolutionsbiologe darin laut eigenem Verständnis doch auf wissenschaftliche Weise die Irrationalität jedes Glaubens an einen Gott, welcher, so Dawkins, "mit ziemlicher Sicherheit" nicht existiere. Doch Dawkins´ Buch besticht zwar durch vermeintlich leicht verständliche "Argumente", aber entgegen des von Dawkins hervorgehobenen rein "wissenschaftlichen" Charakters seiner Überlegungen lässt Dawkins gerade ein wesentliches Merkmal jeder wissenschaftlichen Arbeit vermissen: Wie Rudolf Langthaler in seinem Beitrag überzeugend zeigt, fehlt Dawkins´ Text besonders eine Form methodischer Selbstreflexion.

Gott – eine Frage von "Wahrscheinlichkeiten"?

Unter anderem auf die komplexen Überlegungen des Philosophen Immanuel Kants zur Gottesthematik zurückgreifend weist Langthaler die prinzipielle Unzulänglichkeit des Ansatzes Dawkins´ auf, der unter anderem meint, die Richtigkeit der von ihm sogenannten "Gotteshypothese" mittels naturwissenschaftlich bestimmter "Wahrscheinlichkeiten" widerlegen zu können - ohne sich ernsthaft die Frage zu stellen, ob und wieweit die "Gottesfrage" tatsächlich mit "wissenschaftlichen" Argumenten, die für Dawkins allein naturwissenschaftliche sind, zu beantworten ist.

Dawkins´Atheismus – eine Form der "Religion"?

Auf die von Dawkins unbeachteten Grenzen des naturwissenschaftlichen Denkrahmens weisen im vorliegenden Band unter anderem auch der Physiker Herbert Pietschmann, der Dawkins angesichts von dessen Aussagen zur Gottesfrage wörtlich einen "Rückfall in primitives Denken" vorwirft, und der Biologe Ulrich Kattmann hin. Da die Naturwissenschaft, die "Übernatürliches" von vornherein ausschlösse, grundsätzlich nichts über die Existenz Gottes aussagen könne, entsprängen, so Kattmann, Dawkins´ Ausführungen über "Gott" in Wahrheit nicht der Wissenschaft, sondern einer Form von Religion, die sich unter anderem durch "sektiererischen Eifer" und einen ausgeprägten "Missionsgedanken" auszeichne.

"Kaum überbietbare Blödsinnigkeiten"

Dass Richard Dawkins wohl nicht nur angesichts der Frage nach den Möglichkeiten und Grenzen naturwissenschaftlichen Erkennens so manches von Immanuel Kant hätte lernen können, zeigt Rudolf Langthaler unter anderem auch anhand der Behandlung der Gottesbeweise durch den Biologen. Eine Behandlung welche, so Langthaler, durch "kaum überbietbare Blödsinnigkeiten" besticht. Ausführlich weist Langthaler daher die "eklatanten Fehlleistungen" Dawkins im Umgang mit den Argumentationsfiguren der traditionellen Gottesbeweise auf, indem er der Darstellung der Gottesbeweise durch Dawkins die Überlegungen Thomas´ von Aquin, Anselms von Canterbury und Kants gegenüber stellt und so beim Leser die Frage entstehen lässt, ob Dawkins, statt etwa das sogenannte "Ontologische Argument" des Anselm in die, so Dawkins, "Sprache des Spielplatzes" zu übersetzen, nicht lieber so manche philosophische oder theologische Interpretation des "Argumentes" gründlich studieren hätte sollen.

"Völlig absurde" Bibelinterpretationen

Doch Dawkins hat wohl nicht nur auf eine Auseinandersetzung mit den Überlegungen wichtiger philosophischer und theologischer Denker zur Gottesfrage verzichtet – oder aber, wie Kurt Appel in seinem Aufsatz schreibt, falls er die Texte gelesen hat, "kein Wort verstanden" –, sondern vermutlich auch auf eine Lektüre bibelexegetischer Texte. Was Jakob Deibl in seinem Aufsatz unter anderem an Dawkins´ für Deibl "völlig absurder" Interpretation der "Paradieserzählung" aufzeigt. Wenn Dawkins, so Deibl, die Erzählung von Adam und Eva wie einen historischen Bericht eines kleinen Obstdiebstahls lese, widerspräche er damit nicht nur jeder erstzunehmenden Interpretation, sondern verfehle auch die eigentliche Thematik des biblischen Textes, der vor allem Aussagen über das Wesen des Menschen beinhalte.

Wie ein naturwissenschaftlich ungebildeter Mensch, der die Naturwissenschaft verwirft...

Kritisch setzen sich im Rahmen des Buches auch die Theologen Ludger Schwienhorst-Schönberger und Martin Stowasser mit der Bibelinterpretation des britischen Biologen auseinander, dessen Umgang mit der Bibel, so Schwienhorst-Schönberger, vergleichbar sei einem "naturwissenschaftlich ungebildeten Menschen, der ein naturwissenschaftliches Buch aufschlägt, darin liest, kaum etwas versteht und die Naturwissenschaft als unsinnig verwirft".

Kritik an einer wörtlich verstandenen Bibel

Was Dawkins mit seiner Polemik gegen die Bibel – die seines Erachtens "in großen Teilen nicht systematisch böse, sondern einfach nur grotesk" ist – jedoch in Wahrheit vor allem zurecht kritisiert, darauf weist unter anderem Schwienhorst-Schönberger ausdrücklich hin, ist vor allem ein "primitives Verständnis" der biblischen Texte. Allerdings liest Dawkins selbst die Bibel allein wörtlich, da er jede Form – etwa symbolischer oder allegorischer - Bibelinterpretation als willkürlich ablehnt, ohne jedoch zu berücksichtigen, dass, wie Deibl besonders betont, Interpretationen selbst ein "Grundthema" des biblischen Textes sind.

Eine Herausforderung für die Theologie

Dass Dawkins´ stark polemische Form der Religionskritik in der gegenwärtigen Debatte keineswegs ein Einzelfall ist, zeigt der Philosoph Klaus Müller in seinem Aufsatz unter anderem anhand der Argumentationen von Autoren wie Christopher Hitchens, Daniel Dennet, Michel Onfray und Piergiorgio Odifreddi. Doch obwohl, so Müller, viele der entsprechenden Texte sich "derart ungeniert der Uraltklischees einer Vulgäraufklärung" bedienten, dass sich "eine Auseinandersetzung mit ihnen nicht lohnt, ja im Grunde mangels intellektueller Masse gar nicht möglich ist", sieht Müller im "New Atheism" auch eine Herausforderung für Theologen, die gegenüber "den gebildeten unter den Verächtern der Religion wie den Verunsicherten unter deren Anhängern" in einer "Bringschuld" stünden: Angesichts des Erfolges von Büchern wie "Der Gotteswahn" seien die Theologen besonders zur "Rechenschaft über die Gründe der Hoffnung, die den Glauben beseelt," verpflichtet.

Plädoyers für ein kritisches Nachdenken

Das von Rudolf Langthaler und Kurt Appel herausgegebene Buch kann wohl als ein solcher Versuch einer "Rechenschaft" und einer theologisch wie philosophisch fundierten Auseinandersetzung mit den Argumentationen prominenter zeitgenössischer Religionskritiker verstanden werden. Ein Versuch, der nicht nur so manche Polemik Dawkins´ entlarvt und zeigt, dass der Atheismus des Evolutionsbiologen teilweise nicht anderes ist, als, so Herbert Pietschmann, "Kreationismus mit umgekehrtem Vorzeichen", sondern der zugleich auch an die lange und vielfältige Tradition kritischen Nachdenkens über die Frage nach Gott, über die Inhalte des christlichen Glaubens und über das Verhältnis von Religion und (Natur-)Wissenschaft erinnert. Dass die entsprechenden Überlegungen nicht unbedingt in die von Dawkins etwa für seine Formulierung des "Ontologischen Gottesbeweises" gewählte "Sprache des Spielplatzes" übertragbar sind, spricht vermutlich weniger gegen ihre Überzeugungskraft, als gegen Richard Dawkins. Die Autoren der 15 "Antworten" auf Dawkins´ Thesen fordern die Leser ihrer Texte jedenfalls eindeutig dazu auf, sich selbst ein Urteil über die darin angesprochenen Fragen zu bilden.

 

 

Eine Rezension von Leonhard Weiss

 

 

Info:

Rudolf Langthaler / Kurt Appel (Hg): Dawkins´ Gotteswahn. 15 kritische Antworten auf seine atheistische Mission,

Böhlau, 2009,

ISBN-10: 320578409X

ISBN-13: 978-3205784098

 

 

 

 

 

 
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