Kreuz & Quer

Dienstag, 9.10. 2007, 22.30 Uhr in ORF 2

 

Themenabend über Religion und Totalitarismus

Themenabend anhand der Dokumentation "Jonestown - Verführung zum Tod" über den größten Massenselbstmord der Geschichte“

Mit erschütterndem Originalbildmaterial und seltenen Zeitzeugnissen dokumentiert der Film "Jonestown - Verführung zum Tod" von Marcia Smith (Buch) und Stanley Nelson (Regie) den Wahnsinn eines totalitären Gottesstaates: Die Siedlung Jonestown im Nordwesten Guyanas wurde im Jahr 1978 zum Schauplatz der Massentötung von mehr als 900 Anhängern des Sektenführers Jim Jones. Die Dokumentation versucht, die Hintergründe an diesem größten Massenselbstmord der Geschichte zu erhellen. Im Anschluss an den Film steht eine Studiodiskussion zum Thema "Religion und Totalitarismus" auf dem Programm.

Gründung 1956

"Jonestown - Verführung zum Tod" Jim Jones gründete 1956 in Indianapolis eine Kirche und nannte diese "Volkstempel". Seine Gemeinde wächst schnell. Jones nennt sich Prediger und Missionar und sammelt besonders Schwarzafrikaner um sich. 1965 siedelt der charismatische Prediger mit seiner Gemeinde nach Kalifornien. Dort findet er das geeignete gesellschaftliche Umfeld für sich und seine Ideen. Es war die Zeit der intensiven sozialen und kulturellen Auseinandersetzungen, es war die Zeit der Demonstrationen. Alles schien möglich.

Anziehungskraft des Gründers Jim Jones

Für die einen verkörperte Jim Jones den kraftvollen Führer des "Volkstempels", der ihnen die perfekte Ausgewogenheit zwischen Spiritualität und politischem Engagement erklärte. Für die anderen war er der soziale Garant, der nicht nur Integration und Rassengleichheit predigte - Jones baute eine Organisation auf, die den Anhängern Unterkunft, Verpflegung und Sicherheit bot. Auf den ersten Blick schien Jones mit seiner multikulturellen Kirche einen gesellschaftlichen Modellcharakter zu haben. Doch bei näherer Überprüfung stellte sich heraus, dass einiges nicht stimmte. 1974 beschließt er mit seinen Anhängern, die USA zu verlassen, um nach Guyana, Südamerika, auszuwandern und dort die Siedlung Jonestown aufzubauen.

Alarm wegen Misshandlungen

Doch bald verfällt der "Diener Gottes" einem hemmungslosen Kult um die eigene Person. Jones wird zusehends paranoider. Die Mitglieder werden total abgeschirmt, jeglicher Kontakt nach außen ist verboten, wer zu fliehen versucht, wird bestraft. In Kalifornien schlagen die zurückgebliebenen Angehörigen Alarm. Nachrichten über Misshandlungen an Kindern und Erwachsenen sowie sexuellen Missbrauch verdichten sich. Der Kongressabgeordnete Leo Ryan beschließt, sich selbst ein Bild zu machen. Er reist mit einem Kamerateam nach Guyana - und die Ereignisse eskalieren. Mit erschütterndem original Bild- und Tonmaterial sowie mit Gesprächen mit Zeitzeugen dokumentiert der Film "Jonestown - Verführung zum Tod" den Wahnsinn eines totalitären Sektenstaates.

Studiodiskussion zu "Religion und Totalitarismus"

Wer absolute Wahrheiten verkauft, läuft Gefahr, Widerspruch und Opposition zu unterdrücken. Andererseits brauchen viele Menschen etwas, woran sie als Wahrheit glauben können. Wie erreicht man Orientierung, ohne die Menschen in ein System zu zwingen? Wie koordiniert man relative Wahrheiten? Darf man den Tod mit einbeziehen? Wann schlägt religiöser Wahrheitsanspruch in Totalitarismus um? Mit Günter Kaindlstorfer diskutieren: Bernhard Pesendorfer, Philosoph, Wien, Bernhard Grom SJ, Theologe und Religionspsychologe, und Terese Schulmeister, Künstlerin.