Sendung

kreuz und quer

29.11.2011 (Dienstag), 22.30 Uhr, ORF 2

01.12.2011 (Donnerstag), 20.15 Uhr, ORF III

Wiederholung in gekürzter Form:
01.12.2011 (Donnerstag) 12:00 Uhr, ORF 2

 

 

„Licht aus einer anderen Welt – Eine antike Religion kehrt zurück“

Ein Film von Peter Beringer

 

Sie forderte schon in der Antike Kirche und Theologie heraus – die Gnosis. Eine Mysterienreligion, nach der die materielle Welt das Gefängnis der Seelen ist. Die Menschen können sich befreien – indem sie ihren inneren, von Gott stammenden Lichtfunken erwecken. In der Antike wurde das sogenannte „hermetische“ Denken in Geheimbünden gelehrt. Auch heute sind es kleine Zirkel Eingeweihter, die die gnostische „Erkenntnis“ vermitteln – zu der es gehört, dass man Gott in sich selbst begegnen kann. Diese Erfahrung, meinen Gnostiker, führt zu einer grundsätzlichen Umwertung aller Werte: Der Tod ist nichtig, das wahre Leben spielt sich einem völlig jenseitigen Lichtreich ab, das die Menschen nach Erlangen der „Gnosis“ erreichen.

 

„Bibliotheca Philosophica Hermetica“

Peter Beringer hat für diesen Film heutige Gnostiker besucht. In Amsterdam spricht er mit Jost Ritman, einem schwerreichen Unternehmer, der die Schriften der Hermetik, darunter unschätzbare Kostbarkeiten aus der Renaissance, in seiner „Bibliotheca Philosophica Hermetica“ zusammengetragen hat – sie wird heute von Forschern aus aller Welt benutzt, sogar Umberto Eco recherchierte hier für das „Foucault'sche Pendel“. Ritman ist gleichzeitig Mitglied der Leitung des „Lectorium Rosicrucianum“, einer gnostischen Bruderschaft, die wie die antiken Mysterienreligionen einen Einweihungsweg zum „wahren Wissen“ lehrt. Die Rosenkreuzer haben für diesen Film erstmals erlaubt, in ihren Tempeln zu filmen. Es gibt auch andere gnostische Gruppen: In Wien besucht Beringer die „Akademie Gnosis“ und erfährt über Methoden und Meditationen, die zur gnostischen Gotterkenntnis führen sollen – und gleichzeitig auch, wie man die Bibel interpretiert, wenn der Schöpfer der Welt in Wahrheit nicht der wahre Gott ist. Dann ist die Schlange in der Paradiesgeschichte der wahre Bote Gottes, und der Gott des Alten Testaments will die Befreiung des Menschen verhindern.

 

Gnosis vs. traditionelles Christentum 

Die 1875 gegründete Theosophische Gesellschaft steht am Ursprung des Esoterik-Booms unserer Zeit. Sie beschäftigt sich mit den östlichen Religionen, ihre Haltung kann man als gnostisch bezeichnen. Anhand ihrer Geschichte beleuchtet der Film, wie sich die Verbindungen der Gnosis zu den östlichen Religionen von der Antike bis heute darstellen. Schließlich fragt der Film nach: Was sagt die Psychologie über die angeblich außergewöhnlichen Phänomene, von denen die Gnostiker reden? In der transpersonalen Psychologie werden ähnliche Erfahrungen herbeigeführt. Zu Besuch bei einem Seminar des transpersonalen Therapeuten Sylvester Walch beleuchtet der Film, wie ein der Gnosis ähnliches Erleben im Rahmen einer verbreiteten Therapierichtung Anwendung findet. Schließlich fragt der Film nach, inwieweit die mystischen Erfahrungen von Christen gnostisch interpretierbar sind: bei Willigis Jäger, einem Zen-Meister und Benediktinermönch in der Nähe von Würzburg, dem die Kirche Lehrverbot erteilt hat, zeigt sich, dass Gnosis und traditionelles Christentum tatsächlich kaum miteinander vereinbar sind.

 

„Johannes XXIII. und der Aufbruch“

Eine Dokumentation von Guido Knopp und Harald Schott

 

Als Papst Pius XII. 1958 stirbt, wird Angelo Roncalli, der Patriarch von Venedig, zur Wahl des neuen Papstes in den Vatikan berufen. Er geht als einziger Kardinal ohne jegliche Ambitionen in das Konklave und lässt sich in das Intrigenspiel der anderen nicht verwickeln. Bereits vor dem ersten Wahlgang sieht Roncalli sich mit einer ihm fremden Machtpolitik konfrontiert: Die konservative italienische Fraktion, geführt von Staatssekretär Monsignore Tardini und Kardinal Ottaviani, steht der fortschrittlichen französischen Fraktion gegenüber. Nach mehreren Wahlgängen zeichnet sich keine Einigung ab. Schließlich bietet sich eine Kompromisslösung an, die auch Tardini und Ottaviani zufriedenstellt: Der neue Papst ist Italiener, hoch betagt und wird vor allem als zu schwach eingeschätzt, um sich ihrem Willen zu widersetzen. So wird Angelo Roncalli dem jubelnden Volk von Rom als Papst Johannes XXIII. präsentiert.

 

Mann des Volkes

Johannes XXIII. ist ein Mann des Volkes und erfreut sich bald größter Popularität. Aufgrund seines Alters gilt er jedoch als Übergangspapst, der mit den Machtspielen im Vatikan nicht vertraut ist. So wiegen sich die Kardinäle Ottaviani und Tardini in der Gewissheit, ihre eigene Politik durchsetzen zu können. Ottaviani und Tardini haben ihn jedoch unterschätzt. Mit unglaublicher Energie macht er sich an die Durchsetzung seiner Pläne. Als er erkennt, dass die Presse fest in der Hand der Kurie ist, benutzt er als erster Papst das Medium Fernsehen, um seine Botschaft unmittelbar und unzensiert an die Welt zu richten. Bilder, die den Papst im Schwerverbrechertrakt des römischen Gefängnisses im Zwiegespräch mit einem Mörder zeigen, gehen um die Welt. Johannes XXIII. wird durch sein einnehmendes und humorvolles Wesen so etwas wie ein internationaler Medienstar. Noch nie saß ein Mann auf dem Stuhl Petri, der sich der Sympathie und Liebe der Menschen in aller Welt so sicher sein konnte.

 

Das Zweite Vatikanische Konzil

Gestärkt durch seine Popularität macht er sich daran, die mittelalterlichen Strukturen der Kirche aufzubrechen. Dazu beruft er das Zweite Vatikanische Konzil ein. Mehr als 3.000 Kardinäle, Bischöfe und Priester aus aller Welt sollen in St. Peter über die Zukunft der Kirche beraten. Eine schier übermenschliche Aufgabe. Ottaviani und Tardini wollen eine Modernisierung der Kirche um jeden Preis verhindern und behindern die Vorbereitung des Konzils. Auch die Versuche des Papstes, auf dem Höhepunkt des Kalten Krieges zwischen Amerika und der Sowjetunion zu vermitteln, sind der Kurie, die eine eindeutige Verdammung des Kommunismus wünscht, ein Dorn im Auge. Johannes XXIII. verteidigt seine Position des Dialogs. Sein spektakulärer Erfolg gibt ihm recht: Als während der Kubakrise die Welt am Rande des Dritten Weltkriegs steht, appelliert Johannes XXIII. mit eindrucksvollen Worten an den Friedenswillen der Politiker in Ost und West. Und tatsächlich lenken die UdSSR und die USA ein. Die Gefahr eines Atomkrieges ist gebannt.

 

Kardinal Tardini

Kardinal Tardini erkennt nun die Bedeutung dieses Papstes, doch Ottaviani zweifelt an dem Erfolg eines Konzils. Außerdem ist die Gesundheit des Papstes angeschlagen: Johannes XXIII. fühlt sich häufig schwach und leidet unter starken Schmerzen. Bald wird Magenkrebs diagnostiziert. Dennoch laufen die Vorbereitungen des Konzils auf Hochtouren. Noch vor der feierlichen Eröffnung des Konzils stirbt Tardini. Johannes XXIII. hat seinen einzigen Verbündeten in der Kurie verloren. Dennoch gibt er nicht auf, und obgleich er bei den konservativen Kräften auf Ablehnung stößt, gewinnt er das auf dem Petersplatz versammelte Volk mit einer zu Herzen gehenden Rede für seine Ideen.

 

„Pacem in terris“

Noch während des Konzils neigt sich das Leben von Johannes XXIII. dem Ende zu. Als Krönung seines Lebenswerks erlässt der 82-Jährige die Enzyklika „Pacem in terris“. Ottaviani, der die Veröffentlichung der Enzyklika bis zum Schluss verhindern wollte, söhnt sich am Sterbebett mit dem Heiligen Vater aus: Trotz ihrer konträren Haltungen sind sie im gemeinsamen Glauben vereint. Sterbend erteilt der Papst Ottaviani den Segen.

 

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Buch-Tipp:

Im Alter mutig Neues wagen – Hubert Gaisbauer über Johannes XXIII.