kreuz und quer
24. 01. 2012 (Dienstag), 22.30 Uhr, ORF 2
25. 01. 2012 (Mittwoch), 20.15 Uhr, ORF III
„Hildegard Burjan – Ein Leben für die Menschlichkeit“ wird außerdem am Sonntag, 29. 01. 2012, um 14.15 Uhr in ORF III und ORF Wien ausgestrahlt.
„Der Traum vom christlichen Staat – Katholische Kirche zwischen Republik und Anschluss“ ist am Donnerstag, 26. 01. 2012, in der gekürzten Wiederholung um 11.50 Uhr in ORF 2 zu sehen.
„Hildegard Burjan – Ein Leben für die Menschlichkeit“
„Gleichen Lohn für gleiche Arbeit!“ – Bereits 1917 sorgte Hildegard Burjan mit dieser Forderung für Aufsehen. Eine Forderung, die bis heute nichts an Aktualität verloren hat. Hildegard Burjan wurde am 30. Jänner 1883 als Hildegard Freund im schlesischen Görlitz in eine jüdisch-liberale Familie geboren. Sie wuchs im Geist des Humanismus, aber ohne Religionsunterricht auf. Dennoch interessierte sie sich bereits früh für Glaubensfragen und fand nicht zuletzt durch das Armutsideal von Franz von Assisi zum Katholizismus.
Die unerwartete Heilung von einer lebensbedrohlichen Krankheit im Jahr 1909 deutete Hildegard – die zu diesem Zeitpunkt bereits mit dem Techniker Alexander Burjan verheiratet war – als Fügung Gottes und bewog sie, zum Christentum zu konvertieren. Noch im selben Jahr übersiedelte das Ehepaar Burjan nach Wien, wo Alexander Burjan rasch zu einem führenden Unternehmer aufstieg und sich in der Wiener „High Society“ einen Platz verschuf. Die extremen gesellschaftlichen Gegensätze im Wien der zu Ende gehenden Monarchie waren für Hildegard Burjan schwer auszuhalten. Vor allem das entsetzliche Elend arbeitender Frauen motivierte sie zu ihrem karitativen, sozialen und politischen Engagement. Nicht Almosen wollte sie geben, sondern strukturelle Änderungen herbeiführen.
1912 gründete sie schließlich den „Verband der christlichen Heimarbeiterinnen“, 1918 den Verein „Soziale Hilfe“. Im selben Jahr wurde sie Mitglied im Gemeinderat von Wien und plädierte von da an auch unermüdlich für das allgemeine Frauenwahlrecht. Ein Jahr später zog sie als erste weibliche Abgeordnete der Christlich-Sozialen in die Nationalversammlung der Ersten Republik ein. Als begnadete Rhetorikerin nannte sie Unannehmbarkeiten unmissverständlich beim Namen. So verurteilte sie beispielsweise 16-stündige Arbeitstage von Kindern als eine „allem Christentum hohnsprechende Verletzung der Menschlichkeit“.
Schon bald galt Hildegard Burjan als „Gewissen des Parlaments“. Die christlich-soziale Politikerin genoss hohes Ansehen – weit über ihre Gesinnungsgemeinschaft hinaus. Durch ihr soziales Engagement wollte sie den Klassenkampf zwischen Sozialdemokraten und Christlich-Sozialen entschärfen. Dennoch schied Hildegard Burjan bereits 1920 aus dem Parlament aus und widmete sich einer neuen Aufgabe: der Gründung einer religiösen Schwestern-gemeinschaft – der Caritas Socialis –, die sich für die Resozialisierung geschlechtskranker Mädchen und für verwahrloste Kinder einsetzte, Mädchen in Bahnhöfen vor Zuhältern schützte und mit „Ausspeisungsstätten“ für Bedürftige den Grundstein für die Einrichtung „Essen auf Rädern“ legte. Die Schwesterngemeinschaft „Caritas Socialis“ besteht bis heute und leistete in den vergangenen Jahren vor allem auf dem Gebiet der Hospizarbeit bahnbrechende Dienste.
Die letzten Jahre ihres Lebens waren gekennzeichnet von den Anfängen des Nationalsozialismus. Hildegard Burjan stellte auch hier ihr scharfes politisches Urteilsvermögen unter Beweis und warnte schon früh vor der menschenverachtenden Politik. Den Sieg der Nationalsozialisten musste Hildegard Burjan nicht mehr miterleben. Sie starb am 10. Juni 1933 im Alter von 50 Jahren an den Komplikationen einer Nierenoperation.
1963 wurde der Seligsprechungsprozess für Hildegard Burjan von Kardinal Franz König eingeleitet. Die Dokumentation beleuchtet Leben und Wirken von Hildegard Burjan. Darüber hinaus zeigt der Film aber auch das Erbe von Hildegard Burjan – das Wirken der Schwesterngemeinschaft Caritas Socialis. Der Film entstand als Koproduktion von Produktion West und ORF mit Unterstützung von BMUKK, BMWFJ und Stadt Wien.
Ein Film von Anita Lackenberger
und Gerhard Mader
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„Der Traum vom christlichen Staat – Katholische Kirche zwischen Republik und Anschluss“
„Im Namen Gottes des Allmächtigen“: So beginnt die Verfassung des Bundesstaates Österreich, die am 1. Mai 1934 in Kraft trat. Bundeskanzler Engelbert Dollfuß hatte Parlament und Demokratie ausgeschaltet und regierte autoritär. In seiner berühmten Trabrennplatzrede am 11. September 1933 hatte er die Schaffung eines „christlichen deutschen Staates auf ständischer Grundlage mit einer starken autoritären Regierung“ angekündigt. Die katholischen Bischöfe reagierten erfreut. Sollte jetzt tatsächlich ein christlicher Staat entstehen – nach den ethischen Normen der katholischen Kirche und ohne den Einfluss „gottloser“ Ideologien?
Denn Verunsicherung und Orientierungslosigkeit katholischer Kreise waren nach dem Zusammenbruch der Monarchie 1918 groß. Thron und Altar hatten immer zusammengehört; aber plötzlich gab es den Thron nicht mehr. Ausgerechnet der von der Kirche abgelehnte Sozialismus wurde zum bestimmenden Faktor in der Regierung des jungen Staates. In den ersten beiden Jahren der Republik wurden auf Initiative der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei zahlreiche Sozialgesetze beschlossen. 1920 schmiedete dann der Priester und christlich-soziale Politiker Ignaz Seipel mit den Großdeutschen einen Bürgerblock, mit dem es ihm gelang, die Sozialdemokraten von der Regierung fernzuhalten.
Der politische Kampf um die Religion und um alte Privilegien und Einflussmöglichkeiten der katholischen Kirche machte Seipel zur zentralen Figur des politischen Katholizismus. Als Kind seiner Zeit setzte er dabei nicht auf Argument und Überzeugung, sondern auf Vorschrift und Kontrolle. Der Kulturkampf um Schule, Ehe und Priesterbesoldung verschärfte das Klima zwischen Kirche und Sozialdemokratie. Als Seipel im Zuge des Justizpalast-Brandes am 15. Juli den Waffengebrauch der Exekutive gegen Demonstranten zu verantworten hatte und als „Prälat ohne Milde“ beschimpft wurde, mehrten sich auch im katholischen Lager besorgte Stimmen über die allzu große Nähe der Kirche zur Staatsmacht. Seine bedingungslose Ablehnung der Sozialdemokratie machte Seipel zu einem Wegbereiter jener autoritären Strömung, die später – freudig begrüßt von der Kirche – im Ständestaat bestimmend wurde.
Im Bürgerkrieg vom Februar 1934 stand die Kirche auf der Seite des Regimes. Nachdem Engelbert Dollfuß im Zuge des Nazi-Aufstandes am 25. Juli 1934 ermordet wurde, errichtete man zum Gedenken an ihn Kirchen und Gedenkstätten und verehrte den „toten Führer“ als Märtyrer. Dollfuß wurde als Fürsprecher für den Ständestaat angerufen. Als deutlich wurde, dass die austrofaschistische Realität wenig mit dem Traum von einem christlichen Staat zu tun hatte, wuchs die Kritik der Bischöfe. Trotzdem blieben sie dem Regime treu.
Der Film schildert den Weg der katholischen Kirchenführung in das autoritäre Experiment. Er zeigt aber auch auf, wie die enge Verbindung zum austrofaschistischen Ständestaat die alte Einheit von Kirche und Staat infrage stellte. Am Ende wurden jene Strömungen gestärkt, die der Kirche den Rückzug aus der aktiven Politik und die verstärkte Hinwendung zur Seelsorge dringend empfahlen.
Ein Film von Christian Rathner