Sendung

kreuz und quer

13. 03. 2012 (Dienstag), 22.30 Uhr, ORF 2

14. 03. 2012 (Mittwoch), 20.15 Uhr, ORF III

15. 03. 2012 (Donnerstag), 01.20 Uhr, ORF III
15. 03. 2012 (Freitag), 11.20 Uhr, ORF 2 (verkürzte Wiederholung)

 

 

„Grüß Gott und Heil Hitler – Kirche unter dem Hakenkreuz“

Zwischen März und Oktober 1938 drängen sich die Ereignisse: Anbiederung, Zustimmung, Bedrohung, Opposition: Ein Kardinal, der zu Hitlers Ankunft in Wien die Kirchenglocken läuten lässt. Ein mit „Heil Hitler“ unterzeichneter Hirtenbrief der österreichischen Bischöfe, der den Gläubigen empfiehlt, für den Anschluss zu stimmen. Ein Rosenkranzfest im Wiener Stephansdom, das zum größten regimekritischen Protest der gesamten NS-Zeit wird. Fanatisierte Hitlerjugend, die das erzbischöfliche Palais stürmt. Transparente bei einer NS-Kundgebung am Wiener Heldenplatz: „Nieder mit Innitzer, hängt die Pfaffen“. Noch am 10. März hatte Kardinal Theodor Innitzer den abgesetzten Kanzler Schuschnigg volle Unterstützung der Kirche für die geplante Volksabstimmung über Österreichs Unabhängigkeit zugesichert. Welche Motive und Strategien verbergen sich hinter dieser Kehrtwende? Kardinal Innitzer als Wendehals? Was erhoffte sich die österreichische Amtskirche? Anpassung und misslungene Anbiederung als Strategie, um Macht und Einfluss zu behalten? Darauf versucht die Dokumentation Antworten zu geben, Ursachen, Folgen und Wirkungen zu beleuchten. Auch jene auf die vielen katholischen NS-Gegner, bei denen sich spätestens nach dem „Ja“ Theodor Innitzers Resignation breit machte. Thematisiert werden aber auch die ebenso enttäuschten Hoffnungen der Protestanten auf ein „Ende der Gegenreformation“.

Die Gestalter stellen vergleichende Bezüge zur deutschen Kirche und zum Vatikan her. Die österreichischen Bischöfe kannten die leidvollen Erfahrungen des deutsche Episkopats nach der Machtübernahme Hitlers im Jahr 1933, sie wussten von Repressionen und Vermögensraub, auch die Enzyklika „Mit brennender Sorge“ war ihnen vertraut, in der Papst Pius XI. fast genau ein Jahr vor dem Einmarsch, am 14. März 1937, den Nationalsozialismus klar verurteilte. Trotzdem versuchte das Episkopat einen eigenen österreichischen Weg zu gehen, einen Ausgleich mit Hitler zu finden und tappte damit in die Falle. War die Kirche seit Jahrhunderten eine Stütze der Machthaber, vor allem auch im christlich autoritären Ständestaat, so geriet sie nach dem März 1938 recht schnell auf die Gegenseite und in die Mühlen nationalsozialistischer Repression.

Ob gutgläubige Naivität gekoppelt mit dem Mangel an politisch-strategischem Geschick und selbstbewusster Zivilcourage zur Niederlage gegen dem NS-Staat führte, will die Dokumentation klären. Ebenso warum der Konflikt zwischen Hitler, NS-Ideologie und katholischer Kirche tiefere Wurzeln hat und sich nicht einfach mit „Kirchenfeindlichkeit“ abtun lässt.  

Gleichzeitig gab es aber auch Versuche des Brückenschlags zwischen katholischer Kirche und Nationalsozialismus. Hoher und zentraler Repräsentant dieser Versuche des Ausgleiches war der österreichische Bischof Alois Hudal, seit 1923 Rektor der „Anima“ in Rom und glühender Deutschnationaler. Er glaubte, dass man den Nationalsozialismus „christianisieren“ und vom Rassismus reinigen könnte, aber seine Ideen wurden in Rom wie in Berlin abgelehnt.

Erst im August 1938 gaben die Bischöfe die fruchtlosen Verhandlungen um einen Modus Vivendi endgültig auf. Nach den dramatischen Protesten beim Jugendgottesdienst im Stephansdom blieb der Widerstand weitgehend eine Sache der Basis. Der Kampf ums Überleben fand in Sakristeien statt, in verbotener Jugendarbeit, in der Sorge um getaufte Juden, in mutigen Predigten. Engagierte Laien wurden ebenso verhaftet, deportiert, ermordet oder hingerichtet wie Hunderte Priester. Über Widerstandskämpfer in der Soutane wurden auch Landesverweisungen und Predigtverbote verhängt. 

Nach Kriegsende dauerte es Jahrzehnte, bis die mutigen Widerstandsleistungen von Franz Jägerstätter und Schwester Restituta gewürdigt wurden. Während die beiden heute einer breiten Öffentlichkeit bekannt sind, schlummert das tragische Schicksal anderer noch immer in Archiven und nicht aufgearbeiteten Nachlässen. An einige dieser christlichen Widerstandskämpfer zu erinnern hat sich die Dokumentation zur Aufgabe gemacht. Sie holt Lebensgeschichten von Menschen aus dem Dunkel, die sich für einen anderen Weg als die offizielle Kirche entschieden haben. So zum Beispiel die Widerstandsgruppe Maier, Messner, Caldonazzi. Die letzten noch lebenden Zeitzeugen geben über den Kirchenkampf des NS-Regimes Auskunft.

Während der Zeit stetig steigender Bedrohung durch den braunen Terror und des Zweiten Weltkriegs fand ein schmerzhafter Prozess des Umdenkens statt. Die zunächst erzwungene Abtrennung von der Politik und die Reduktion auf pastorale Arbeit führten zu einem inneren Neuaufbau, einer Neuorientierung, die den Kirchen helfen sollte, Repression und Weltkriegs-Katastrophe zu überleben, aber sich auch endgültig vom politischen Katholizismus und dem Mitmischen in der Politik zu verabschieden.

 

„Zwei oder drei Dinge, die ich über ihn weiß“

Hanns Ludin wird bereits in der Weimarer Republik berühmt, weil er in der Reichswehr für Hitler konspiriert. Nach 1933 steigt er schnell zum SA-Obergruppenführer auf. Ihm werden der Blutorden und andere hohe Weihen des Nazistaates zuteil. 1941 schickt ihn Hitler als Gesandten in den „Schutzstaat“ Slowakei. Als „Bevollmächtigter Minister des Großdeutschen Reiches“ soll er dort die Interessen Berlins durchsetzen – vor allem die „Endlösung“. Nach dem Krieg wird Hanns Ludin von den Amerikanern an die Tschechoslowakei ausgeliefert, 1947 zum Tode verurteilt und hingerichtet.

Diese Tatsachen nimmt sein jüngster Sohn, der Filmemacher Malte Ludin, zum Ausgangspunkt einer schmerzlichen filmischen Auseinandersetzung mit den Legenden, die in der Familie über den Vater kursieren. War er ein Held und Märtyrer oder ein Verbrecher? Auf einmal sind alle bereit zu reden: Die Schwestern und Schwager, Nichten und Neffen.

Es entsteht ein intimes und doch beispielhaftes Filmdokument – ein hochemotionaler Bericht aus dem Inneren einer deutschen Familie. 67 Jahre nach Kriegsende spielt Hitler im Leben der Familienmitglieder des hochrangigen Nazi Hanns Ludin Leben noch immer eine enorme, höchst kontroverse Rolle.