Sendung

kreuz und quer

20. 03. 2012 (Dienstag), 22.30 Uhr, ORF 2

21. 03. 2012 (Mittwoch), 20.15 Uhr, ORF III

22. 03. 2012 (Donnerstag), 01.10 Uhr, ORF III
22. 03. 2012 (Donnerstag), 11.50 Uhr, ORF 2 (verkürzte Wiederholung)

22. 03. 2012 (Donnerstag), 17.15 Uhr, ORF III (verkürzte Wiederholung)

 

 

„Ägypten - Kinder der Revolution“

Ägypten, ein Jahr nach dem Arabischen Frühling: Vieles, das Anfang des Jahres 2011 Anlass zur Hoffnung gab, hat sich unerwartet weiterentwickelt, manches völlig zerschlagen. Der ägyptische Freiheitskampf drohte Familien und Nation zu spalten und reichte schließlich auch in die Auseinandersetzung religiöser Gruppen hinein. Wie es nun um das Land bestellt ist, sieht man am eindrucksvollsten anhand des Schicksals seiner Revolutionäre.

 

Der Film von May Abdalla begleitet drei junge Menschen, die den Umsturz der Diktatur mitgestalteten. Wie alle Demonstranten am Tahrir-Platz in Kairo kamen sie aus den verschiedensten ägyptischen Bevölkerungsschichten und mit unterschiedlichsten politischen Motivationen. Doch mit dem gemeinsamen Ziel, das Regime Muhammad Husni Mubaraks zu beenden, Notstandsgesetze außer Kraft zu setzen, die 30 Jahre - ihr ganzes Leben lang - gegolten hatten, und freie und demokratische Wahlen durchführen zu können.

 

Der emanzipierten Städterin Gigi aus Ägyptens Upperclass ging es um einen Freiheitskampf. Sie dokumentiert die Entwicklungen mittels Blackberry - ein maßgebender medialer Faktor dieser Generation von Demonstranten, die den Medienmissbrauch durch den Militärrat zum Teil per Internet unterbinden können.

 

Der religiöse Hardliner Tahir leitet eine Koranschule und sieht die Revolution als Chance für die ultrakonservative Salafistenpartei - um ein Ägypten ganz nach den Gesetzen der Scharia zu errichten. Und schließlich Achmed aus dem Armenviertel, der trotz hochqualifizierter Ausbildung seit Jahren arbeitslos ist. Er glaubt, nun durch seine ehrenhafte Mitwirkung an der Revolution in der neuen ägyptischen Gesellschaft alle Chancen zu haben - bis er mit der blutigen Realität konfrontiert wird.

 

„Moskauer Mächte - Russisch-orthodoxe Christen zwischen Thron und Altar“

Nach Jahrzehnten der Verfolgung, Unterdrückung und Bevormundung in der Sowjetzeit erlebt die russisch-orthodoxe Kirche ein beispielloses Wachstum. Kirchen werden renoviert oder neu gebaut. In die Klöster ist das Leben zurückgekehrt, theologische Lehranstalten erfreuen sich reger Nachfrage. Der russisch-orthodoxe Patriarch Aleksij II. (1929-2008) sprach in einem seiner letzten Fernsehinterviews im Hinblick auf die Rückkehr so vieler Menschen zum Glauben von einem „Wunder, das wir heute sehen“

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Christian Rathners Film beleuchtet dieses „Wunder“. Junge Theologiestudenten bereiten sich im Seminar von Sergiev Posad auf ihren späteren Beruf vor - und vielleicht auch auf die Ehe. Das Kloster Optina Pustyn, zu Sowjetzeiten in einen landwirtschaftlichen Betrieb umgewandelt, hat seine Strahlkraft wiedergewonnen. Immerhin galt es im 19. Jahrhundert als wichtigstes geistiges Zentrum des Landes. Größen wie Gogol, Dostojewski oder Tolstoi kamen hierher, um mit den berühmten „Starzen“, besonders begnadeten Seelenführern, über Gott und die Welt zu diskutieren.

 

Was Menschen in Russland unter der Stalin-Diktatur zu leiden hatten, wird deutlich bei einem Besuch im Polygon von Butowo, wo innerhalb eines Jahres mehr als 20.000 Menschen wegen angeblicher antisowjetischer Aktivitäten erschossen wurden. Auch in Moskau selbst glänzen die goldenen Kuppeln, singen die Chöre in den Gottesdiensten ihre eindrucksvollen Gesänge.

 

Aber die neue Zeit hat auch ihre Schwierigkeiten. Die Kirche war weder unter den Zaren noch unter den Bolschewiken vom Staat unabhängig und kooperiert auch heute wieder eng mit ihm. Die heute Mächtigen stehen ihr wohlwollend gegenüber. Genau deshalb ist eine Diskussion über die Nähe der Kirche zu Staat und Nation entbrannt.

 

Während der Patriarch auf die erstmals vollzogene Trennung von Kirche und Staat verweist, warnt etwa Pavel Men, Bruder des 1990 ermordeten Priesters und Religionsphilosophen Alexander Men, vor einer allzu engen Verflechtung zwischen Thron und Altar. Die Geschichte habe gezeigt, dass eine Nähe zum Staat immer eine Entfernung von Gott und Evangelium bedeute.

 

Die Religionswissenschafterin Anna Shmaina-Velikanova vermutet, die Kirche habe im neuen russischen Staat vor allem dekorative Funktion. Und der Theologe und Dichter Evgenij Rashkovskij sieht hinter der großen Auferstehung der Religion überhaupt ein vorwiegend quantitatives Phänomen und vermisst die ethische und geistige Kraft in diesem Aufbruch.

 

Intellektuelle wie der Germanist Alexander Archipov hingegen hegen ungebrochenes Vertrauen zur Kirche. In den Turbulenzen der Jahre nach der Wende mit schnellem Geld und steigender Kriminalität sehnt er sich nach der geistigen Höhe der großen Dichter des 19. Jahrhunderts zurück. Einerseits und andererseits: Aufzeichnungen aus einer Zeit des Übergangs.