Sendung

kreuz und quer

Dienstag, 29. Mai, ab 22.30 Uhr, ORF 2

Mittwoch, 30. Mai, ab 20.15 Uhr, ORF III

Donnerstag, 31. Mai, ab 16.40 Uhr, ORF III
 

 

"Frische Lebensmittel für den Müll"

Unter dem Titel "Taste the Waste" lief Regisseur Valentin Thurns Dokumentation in den Kinos. kreuz und quer zeigt eine TV-Fassung des erfolgreichen Kinofilms.

 

Die Hälfte aller Lebensmittel werden weggeworfen: Jeder zweite Salat, jede zweite Kartoffel und jedes fünfte Brot. Das meiste davon landet im Müll, bevor es überhaupt den Verbraucher erreicht. Und fast niemand kennt das Ausmaß der Verschwendung. Wer macht aus Essen Müll? Welche Folgen hat die globale Nahrungsmittel-Vernichtung für das Klima? Und für die Ernährung von sieben Milliarden Menschen? Der Film findet Antworten bei Bauern, Supermarkt-Direktoren, Müllarbeitern und Köchen. In Deutschland, Österreich, Japan, Frankreich, Kamerun, Italien und den Vereinigten Staaten. Und er findet Menschen, die unserem Essen mehr Wertschätzung entgegenbringen und Alternativen entwickelt haben, um die Verschwendung zu stoppen.

 

Essen wegzuwerfen findet niemand gut - "weil andere nichts zu essen haben", sagen die Jüngeren und die Älteren erinnern sich noch an den Hunger im Krieg: "Da waren wir um jeden Kanten Brot froh." Aber wir alle machen mit beim Wegwerfen. Valentin Thurn hat die Wirklichkeit in unseren Mülltonnen aufgespürt - in den Abfall-Containern der Großmärkte, der Supermärkte und denen vor unserer Haustür. Sie enthalten Massen einwandfreier Lebensmittel, teilweise noch originalverpackt, oft ist nicht einmal das Haltbarkeitsdatum abgelaufen. Mehr als zehn Millionen Tonnen Lebensmittel pro Jahr werden allein in Deutschland weggeworfen. Und es werden immer mehr! Warum werfen wir so viel weg? Auf der Suche nach Erklärungen spricht Valentin Thurn mit Supermarkt-Verkäufern und -Managern, Bäckern, Großmarkt-Inspektoren, Ministern, Psychologen, Bauern und EU-Bürokraten.

 

Was er findet, ist ein System, an dem wir uns alle beteiligen: Supermärkte bieten durchgehend die ganze Warenpalette an. Bis spät in den Abend muss das Brot in den Regalen frisch sein, zu jeder Jahreszeit gibt es Erdbeeren. Und alles muss perfekt aussehen: Ein welkes Salatblatt, ein Riss in der Kartoffel oder eine Delle im Apfel - sofort wird die Ware aussortiert. Joghurtbecher schon zwei Tage vor Ablauf des Mindesthaltbarkeitsdatums. Dass wir die Hälfte unseres Essens verschwenden, wirkt sich verheerend auf das Weltklima aus.

 

Die Landwirtschaft ist für mehr als ein Drittel der Treibhausgase verantwortlich, der Anbau der Lebensmittel verbraucht Energie und Dünger und zerstört immer mehr Regenwälder. Wenn Nahrungsmittel auf der Mülldeponie verrotten, entweicht zusätzlich Methangas, das bei der Erderwärmung 25-mal so stark wirkt wie Kohlendioxid. Unsere Verschwendungssucht verschärft auch den weltweiten Hunger. Früher mahnten uns unsere Mütter, den Teller leer zu essen: "Die Kinder in Afrika wären froh, wenn sie dieses Essen bekämen." Als Kinder haben wir sie nicht ernst genommen - wie sollten unsere Tellerreste auch zu den afrikanischen Kindern kommen? Doch die Aussage unserer Mütter war geradezu prophetisch. Die steigenden Weizenpreise belegen es: Heutzutage kaufen wir unser Essen auf demselben Weltmarkt, auf dem auch die Entwicklungsländer kaufen. Würden wir weniger wegwerfen, müssten wir weniger einkaufen; die Preise fielen und es bliebe mehr für die Hungrigen. Aber es geht auch anders!

 

Ein Film von Valentin Thurn

 

"Der Junge, der vom Himmel fiel"

Auf einem Feld in einem kleinen deutschen Dorf an der Grenze zur Schweiz nördlich des Zürcher Flughafens findet ein Spaziergänger die Leiche eines schwarzen Buben, tief in den regendurchtränkten Ackerboden gedrückt. Bananenschalen und eine Reisetasche im Fahrwerkschacht eines Airbusses aus Kamerun bestätigen die Vermutung, dass er aus einem Flugzeug fiel. Als blinder Passagier wollte Mforbei Solomon Fusi nach Europa fliegen. Die Rekonstruktion der Ereignisse und die Suche nach den Ursprüngen fördern Träume von einem Leben in Wohlstand sowie afrikanische und europäische Realitäten zutage. Jugendliche, die ihr Leben riskieren, um der Perspektivlosigkeit in ihren Heimatländern zu entkommen, werden auch als "Wirtschaftsflüchtlinge" bezeichnet. "Der Junge, der vom Himmel fiel" verleiht diesem Begriff ein Gesicht und eine Geschichte und macht wieder einen Menschen aus ihm. Der Film folgt den Spuren Solomons bis in die Tiefe seiner Heimat und beginnt mit dem letzten Kapitel aus Solomons Geschichte.

 

"Der Junge, der vom Himmel fiel" wird in dem kleinen Ort Lauchringen post mortem adoptiert. Er wird feierlich bestattet und erhält einen Grabstein aus Granit, in den Afrika eingraviert und Kamerun gekennzeichnet ist. Immer wieder liegen Blumen auf seinem Grab, der Pfarrer sagt, man habe ihm ein Stück Heimat gegeben. Er denkt aber auch, dass nicht jeder im Ort begeistert gewesen wäre, wäre Solomon lebend zu ihnen gekommen. In Frankreich lernten zwei Menschen Solomon kennen, als er vier Monate vor seinem Tod auf dem Rollfeld des Pariser Flughafen Charles de Gaulle aufgegriffen wurde. Solomon erzählte die unglaubliche Geschichte, er sei im Fahrgestellschacht eines Flugzeuges gereist. Solomons Pflegemutter lobt ihn als braven Buben, der nicht so raubeinig war wie die anderen, und der Sozialfürsorger bedauert, dass Solomon eines Tages beschloss, wieder nach Kamerun zurückzukehren.

Solomons Familie ist glücklich, den verlorenen Sohn zurück zu haben, doch die Freude währt nur kurz. Zwei Wochen nach seiner Rückkehr versucht Solomon erneut, als blinder Passagier nach Europa zu gelangen, diesmal mit tödlichem Ausgang. Die Menschen, die mit ihm lebten, erzählen mit großer Offenheit seine Geschichte, aber auch ihre Erwartungen, Bewertungen und ihre Moral. Sie entwerfen ein widersprüchliches Bild des Buben und man erhält sehr persönliche Innenansichten einer afrikanischen Familie. Diese lassen ahnen, welcher Druck auf der jungen afrikanischen Generation lastet, die einerseits die soziale Hoffnung und Perspektive der Familien ist und andererseits von einem Leben als freies Individuum nach westlichem Vorbild träumt

 

Ein Film von Ulrike Westermann