Kreuz & Quer

Dienstag, 08. 01. 2002; 23.05 Uhr in ORF 2

 

Jesus Christ Airlines

Dieses ist die Geschichte der wohl ungewöhnlichsten Fluglinie der Welt. Die Männer und Frauen, die sie betrieben, flogen mehr als 5000 humanitäre Hilfsflüge und retteten schätzungsweise mehr als einer Million Menschen das Leben. Sie flogen nur bei Nacht und steuerten dabei einen der gefährlichsten Flughäfen der Welt an – Uli, Codename "Annabelle", ein Stück notdürftig zurecht gerichtete Asphaltstraße irgendwo in Westafrika. Die Betreiber der Fluglinie waren allesamt Amateure – Priester und Pastoren. Ihre fliegenden Kisten waren klapprige Propellermaschinen, die mit dem Beginn des Jet-Zeitalters ausgemustert worden waren. Sie flogen in flagranter Verletzung des Völkerrechts, doch sie hatten den Segen des Papstes. Ihre Flugzeuge wurden bombardiert und von der Fliegerabwehr beschossen, dreizehn von ihnen kamen bei Abstürzen ums Leben.

Hilfe im Biafra-Konflikt

Der politische Hintergrund ihres Einsatzes war der sogenannte Biafra-Konflikt, der Nigerianische Bürgerkrieg 1967-70. Die Fluglinie nannte sich JCA – Joint Church Aid – weil sich mehrere christliche Kirchen erstmals zu einer gemeinsamen Hilfsaktion zusammengeschlossen hatten. Für die Haudegen, die die Maschinen pilotierten, hieß JCA einfach JESUS CHRIST AIRLINES.
Viele erinnern sich noch an die Bilder der verhungernden Kinder in Biafra, doch kaum jemand kennt die Geschichte dieser unorthodoxen, größten privaten Hilfsaktion der Geschichte. Alles begann mit einer Gruppe irischer Heilig-Geist-Missionare, die das Flugzeug eines professionellen Waffenschmugglers charterte um Nahrungsmittel einzufliegen. Als die Operation 18 Monate später ihr Ende fand, hatte eine Flotte von zuletzt mehr als 20 Flugzeugen etwa 60.000 Tonnen Hilfsgüter nach Biafra gebracht.
Als Ausgangsbasis für ihre Hilfsflüge hatten die Priester damals die ehemalige portugiesische Kolonie Sao Tomé gewählt – heute ein unabhängiger Staat, eine knappe Flugstunde von der nigerianischen Küste entfernt.

Frederick Forsyth blickt zurück

30 Jahre später brachte Lasse Jensen, der dänische Regisseur dieses Films, eine Gruppe von JCA-Veteranen wieder auf die Insel zurück. Einer von ihnen ist der ehemalige BBC-Reporter und inzwischen weltberühmte Romanschriftsteller Frederick Forsyth. Er ist viele Male mit geflogen und führt neben Piloten, Priestern und Pastoren durch den Film.

Trotz der Fülle an Original-Filmmaterial ist dieser Film keine "gewöhnliche" historische Dokumentation, sondern vor allem durch die neu gedrehten Aufnahmen und Interviews, in denen die handelnden Charaktere in ihrer Persönlichkeit und Motivation für den Zuseher spürbar werden, ein bewegendes Dokument von Hilfsbereitschaft bis zum Einsatz des eigenen Lebens. Darüber hinaus wiederholte sich das Muster dieses Konflikts auf dem afrikanischen Kontinent bis in die Gegenwart und erhielt erst dieser Tage wieder Aktualität durch die neuerlich zunehmenden Spannungen zwischen Moslems und Christen in Nigeria.