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Erfüllte Zeit27. 11. 2004, 7.05 Uhr - 8.00 Uhr, Österreich 1
„Vom
Kommen des Menschensohnes“ (Markus 13, 24 – 37) von
Mag. Regina Polak Apokalyptische
Bilder machen Angst. Täglich sind heute im Fernsehen, im Radio
apokalyptische Nachrichten zu sehen und zu hören: Naturkatastrophen
löschen Tausende Menschenleben aus; die Ökosphäre droht zu
kollabieren; Erdöl und Erdgas werden knapp, eine gewaltige
Energiekrise kommt auf uns zu; die Finanzmärkte sind fragil, ihr
Zusammenbrechen wäre eine globale Katastrophe; ebenso das Übergreifen
des Vogelgrippevirus H5N1 auf den Menschen. Angst vor einer
bedrohten und bedrohlichen Zukunft wird immer mehr die Grundstimmung
moderner Gesellschaften. Auch
in der Welt der Verfasser der neutestamentarischen Schriften kannten
Menschen solche verstörenden Ängste vor dem Weltende. Sie drückten
sie in zahlreichen apokalyptischen Visionen aus. Auffallend ist
jedoch, dass apokalyptische Texte nur mit wenigen Ausnahmen wie z.
B. der Offenbarung des
Johannes Eingang ins Neue Testament gefunden haben. Die Ängste der
Menschen durch Furcht erregende Visionen anzufachen, war und ist
offenbar nicht im Sinne der christlichen Botschaft. Kriterium für
die Aufnahme apokalyptischer Texte war eines: Stiften sie trotz
aller Angst- und Bedrohungsszenarien auch Hoffnung? Das ist nun auch
der Sinn apokalyptischer Bilder im Neuen Testament: die Ängste
ernst nehmen, aber zugleich gute Gründe für die Hoffnung nennen.
Der christliche Glaube sagt: Trotz aller Bedrohungen, trotz aller
Katastrophen ist uns Menschen ein gutes Ende verheißen: Gott wird
das letzte Wort haben und alles zum Guten wenden. Die Schriftstelle zum heutigen Sonntag formuliert eine solche Hoffnung: In den Tagen nach der großen Not, inmitten totaler Finsternis und der Erschütterung des Himmels selbst wird der Menschensohn erscheinen, der die Menschen retten wird. Der Menschensohn, das ist eine visionäre Erlösergestalt aus dem Buch Daniel, dem Herrschaft, Würde und Königtum gehören, dem alle Völker Nationen und Sprachen dienen. Seine Herrschaft währt ewig und unvergänglich, sein Reich geht niemals unter. Christinnen haben diesen Menschensohn mit Jesus Christus identifiziert Wer
zu Beginn des Advents diese Textstelle hört, wird daran erinnert,
dass sich die Hoffnung auf eine letzte Rettung aus allen Nöten mit
Jesus Christus bereits erfüllt hat. Genau darin besteht die
befreiende, die frohe Botschaft – und zugleich eine Provokation,
die von brisanter Aktualität ist. Denn: Die Apokalypsen, mit denen
wir heute tagtäglich konfrontiert sind, sind in ihrer Grundfärbung
ohne Hoffnung. In all ihren angestrengten Bemühungen, die Gefahren
und Probleme in den Griff zu bekommen und eine bessere Zukunft zu
planen, wirken moderne Gesellschaften seltsam resigniert und
perspektivenlos. Hoffnung auf eine bessere Zukunft ist ein rares Gut
geworden. Diese Krankheit hat tragischerweise auch so manche in der
Kirche ergriffen. Der Glaube, dass das Böse mit Christus endgültig
besiegt ist und Gott bereits begonnen hat, sein Reich zu errichten
– heute, in konkreter Gegenwart -
ist in Vergessenheit geraten. Moderne
Gesellschaften sehen in der Zukunft etwas, das sie selbst planen und
vorbereiten müssen. Zukunft gilt ihnen als Verlängerung von
Vergangenheit und Gegenwart. Zukunft ist Futurum, also das, was nach
gestern und heute sein wird. Und selbstverständlich ist an dieser
Vorstellung etwas Wahres. Natürlich ist die Zukunft immer auch ein
Resultat dessen, was wir gestern entschieden haben und heute tun.
Aber für Christen gibt es neben dem Futurum auch den Adventus: die
Zukunft, die uns Gott verheißen hat, und in der er selbst uns in
Liebe entgegenkommt und retten möchte. Christen glauben: Das letzte
Wort über die Zukunft hat Gott – ER ist der Herr über die Zeit,
er entscheidet, wie die Geschichte ausgeht. Wieso Christen das zu
sagen wagen: Weil sie seit der Auferstehung Christi wissen, dass
Gott das Leben und nicht den Tod will. Weil sie in Christus gesehen
haben, wer und wie Gott ist: dass er seine Versprechen hält und
seine Verheißungen erfüllt. Heute,
am ersten Adventsonntag, werden wir wieder daran erinnert, dass wir
in größten Ängsten auf die Ankunft Gottes hoffen dürfen. Wie er
mit der Geburt Jesu zu uns gekommen ist, wird er wieder kommen,
immer wieder kommen. Wer solche Hoffnung riskiert, dem kann Gottes
Kraft zuwachsen, sich den Herausforderungen der Zukunft mutig und
entschlossen zu stellen. Wer sich auf die Hoffnung auf Gottes
Ankunft bei den Menschen einlässt, verfügt über das stärkste
Gegengift gegen die apokalyptischen Ängste unserer Zeit.
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