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Erfüllte Zeit08. 12. 2005, 7.05 Uhr - 8.00 Uhr, Österreich 1
„Die Verheißung der Geburt Jesu“ (Lukas 1, 26 – 38) von
Pater Christian Tauchner SVD
Stellen Sie sich vor, Maria hätte diese Begegnung mit ihrem Handy fotografiert und an eine Zeitung geschickt. Dann wären jetzt die letzten zwanzig Jahre X-Files über die UFOs so etwas von uninteressant. Wir könnten noch jahrelang diskutieren, ob der Engel wirklich so schön ist, wie ihn Botticelli oder Rafael gemalt haben oder welche Farbe seine Aura hat. Aber Maria hat kein Handy gehabt. Gott sei Dank. Denn in dieser Geschichte geht es überhaupt nicht um den Engel, sondern Lukas erzählt, wie und wo Gott in unsere Welt kommt. Es
ist die zweite Geschichte einer Geburtsankündigung am Anfang des
Evangeliums und sie verläuft recht anders als die erste unmittelbar
vorher. Dort
ist der gleiche Engel einem zukünftigen Vater erschienen, im
Tempel, in heiliger Umgebung, aber er ist auf Unglauben und Zweifel
gestoßen. Zacharias ist darauf stumm heimgekehrt zu seiner Frau
Elisabet: jetzt sind sie nicht nur kinderlos im Alter, sondern er
ist noch dazu behindert. Mit
der Ankündigung an Maria geht es ganz anders. Der Engel besucht
eine junge Frau – im Gegensatz zum alten Priester Zacharias. Der
Ort der Handlung ist nicht der heilige Tempel im religiösen
Machtzentrum Israels, sondern die Wohnung Marias in einem
unbedeutenden Nest von Galiläa, am Rand der Gesellschaft und
Religion. Wie ein guter Bekannter tritt der Bote bei ihr ein. Maria
erschrickt nicht über den Engel, im Gegensatz zu Zacharias. Sie ist
verwirrt über die Botschaft und den Gruß: Sei gegrüßt, die du
von Gnade voll gemacht worden bist. „Von
Gnade erfüllt worden“ zu sein, diese eigenartige passive
Ausdrucksweise gibt schon einen Hinweis, dass Gott selber seine Hand
im Spiel hat. Und darum geht es in diesem Besuch: Maria soll einen
Sohn bekommen und ihn Jesus nennen, also: Gott ist Helfer. Sie gibt
ihm den Namen, nicht Josef. Maria hat offenbar keine Probleme mit
diesem Vorschlag. Ihre Frage richtet sich denn auch eher auf
technische Probleme, nicht auf die Möglichkeiten Gottes, in Nazaret
Helfer zu sein. Auch wieder ein Gegensatz zur Begegnung mit
Zacharias. Jetzt
wird endlich auch klar, wer in diesem Ereignis der Protagonist ist. Maria
hätte ihn mit ihrem Handy gar nicht fotografieren können. Die
Hauptfigur ist nämlich Gott selber, der in die Geschichte der
Menschheit eingreift und jetzt in seiner Schöpfung einen neuen
Anfang macht. Daher auch die Antwort auf die Frage Marias, wie denn
das gehen sollte: Der Geist Gottes. „Denn für Gott ist nichts unmöglich“,
erklärt der Engel lakonisch. Ebenso
lakonisch ist auch die Antwort Marias: „Ja, ich bin die Magd des
Herrn“, mein Leben ist in seine Hand geschrieben. Viel kürzer und
klarer könnte ihre Antwort nicht ausfallen. Das ist nicht die
reflektierte Reaktion eines ehrwürdigen Priesters, sondern die
Unschuld eines Mädchens vom Land. Es
ist allerdings keine improvisierte Antwort, sondern wohl der
Ausdruck ihrer Lebensoption: Sie will Gott dienen. Und
so kommt Gott in die Welt. Damals wie heute: abseits der
Machtzentren und des Tempels, am Rand von Gesellschaft und Religion,
in der Alltäglichkeit einer jungen Frau. Die lateinamerikanische
Theologie versteht diese Vorgangsweise Gottes als seine „Option für
die Armen“: bei den armen und einfachen Leuten findet Gott die
Offenheit und Hoffnung, dass er in dieser Welt „Jesus“ werden
kann: Gott unser Helfer.
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