Erfüllte Zeit

08. 12. 2005, 7.05 Uhr - 8.00 Uhr, Österreich 1

 

 

 

Aus: „Maria liest - Das heilige Fest der Geburt“,

herausgegeben von Andrea Günter, Christel Göttert Verlag. Der Text stammt von Andrea Günter

 

 

Gilt in der Antike der Samen und die Verfügung des Mannes über den Körper der Frau als Ursache für Zeugung und Schwangerschaft, so ist die vaterlose Zeugung Zeichen dafür, dass Gott die soziale Erniedrigung der Frauen als passives Gefäß beendet. Indem Gott das Gesetz natürlicher MännerVaterHerrschaft aushebelt, erweist sie-er sich als pro Mutter, aber auch als pro töchterlich, formuliert das Magnifikat.

 

Die griechische Sprache nun sieht in einer Jungfrau „n parthénos“ die Trägerin der Zukunft: des Keimes, des Sprösslings, des nachkommenden Lebens, des Triebes, also auch des Begehrens, und in diesem Sinne des Himmels, des Heils und der Rettung. Aus der Erde erwächst der Himmel, aus der Materie der Geist.

 

Marias Zusage ist keine passive Hingabe an Männerzeugungstaten, sondern Bekundung des Einverständnisses in einen menschlich nicht erkennbaren und verfügbaren Vorgang. Ihre Jungfräulichkeit besteht darin, trotz Geheimnis und Unverfügbarkeit keinem anderen Willen zu unterliegen.

 

Diese geschlechtsspezifische Zuordnung des Verfügens bzw. Nicht-Verfügens über Kausalitäten und damit auch über die Zeugung entspricht der jüdischen Haltung, die Religionszugehörigkeit über die Mutter zu bestimmen, weil für Menschen erkennbar ist, wer die Mutter, nicht aber, wer der Vater eines Kindes ist.

 

Die Verkündigungsszene ist das Sinnbild für den Übergang, den das Mütterliche gewährt. Der Engel lässt Maria am Geschehen allein durch sein Erscheinen, und damit durch den Dialog, auf menschliche Weise teilhaben.

Die Beziehung zwischen Maria und Gott ist hiermit geistig und mütterlich: geistig-mütterlich. Die Schwangerschaft wird nicht einfach leiblich, sie wird auch geistig und hierbei weiblich gestiftet. Gott wird als mütterlicher Ursprung kenntlich. Der Gottessohn hat eine Menschenmutter, die durch Gott mütterlich Mutter wird. Zu Recht formuliert das Nizänum: aus Gott geboren. Es kennzeichnet die Menschwerdung als mütterliche Tat und Erscheinungsweise Gottes. Sie animiert Frauen, sich zu treffen und sich mutterwerdend aneinander zu binden. Maria geht zu Elisabeth.