Erfüllte Zeit

26. 12. 2005, 7.05 Uhr - 8.00 Uhr, Österreich 1

 

 

 

„Aufforderung zu furchtlosem Bekenntnis“ (Matthäus 10, 17 – 22)

von Diakon Franz Schrittwieser

 

 

Wenn man das vorhin gehörte Evangelium des heutigen Tages überdenkt, dann ist da von einer Frohbotschaft wenig zu spüren. Am zweiten Weihnachtstag, dem Stefanitag, wo unsere Gedanken noch an der Freude der Weihnachtsbotschaft hängen, werfen uns diese Worte des Evangelisten nach dem Traum vom Weihnachtsfrieden geradezu zurück in die Wirklichkeit – da wird von Verfolgung um des Namens Jesu willen gesprochen, vom Gericht und vom Ausliefern. Und dennoch, durch all die finsteren Worte bricht ein Licht der Hoffnung herein: „Macht euch keine Sorgen, wie und was ihr reden sollt, denn es wird euch in jener  Stunde eingegeben, was ihr sagen sollt ... der Geist eures Vaters wird durch euch reden“.

 

Einer, der das hautnah erlebt hat, war der erste Martyrer der Kirchengeschichte, der Namenspatron des heutigen Tages, der Hl. Stephanus. Er wurde vom Kirchenvolk, also von unten, von der Basis aus, als einer von sieben ausgewählt, die sich um den Dienst an den Armen kümmern sollten. Als Bestätigung für das neue Amt legten ihm die Apostel die Hände auf und beauftragten ihn damit vor der ganzen Gemeinde zu seinem wichtigen Dienst.

Stephanus wurde der Dienst an den Tischen anvertraut. Das heißt: er hat dafür gesorgt, dass das, was die Reicheren zu den Gemeindeversammlungen oder gemeinsamen Mahlzeiten mitgebracht haben, auch an die nicht so Betuchten

umverteilt wurde. Der Einsatz für einen gerechten Ausgleich zwischen den Habenden und den Brauchenden war für die Urkirche ein wesentliches Merkmal von Christen.

 

Stephanus aber, so heißt es in der Apostelgeschichte, „tat Wunder und große Zeichen unter dem Volk“. Das führte aber, fast möchte ich sagen natürlicherweise dazu, dass auch Neider auf den Plan gerufen wurden. Sie brachten Stephanus durch falsche Anschuldigungen vor Gericht.

 

Aber selbst dort hat er mutig seine Botschaft verkündet und dem Hohepriester und den Mitgliedern des Hohen Rates einen Spiegel vorgehalten und ihnen gesagt, dass sie ihre Propheten immer schon verfolgt und getötet hätten. Mutige Worte gegen mächtige Herren. Das kostete Stephanus das Leben.

 

In unserer Gesellschaft heute geht es nicht mehr nur um einen gerechten Austausch von Gütern. Für mich geht es um den Austausch zwischen den Menschen überhaupt. Die Hoffnungen, Sorgen und Ängste, die Freuden der Mitmenschen zu teilen und Anteil zu nehmen an deren Leben ist für mich eine Grundaufgabe der Christen.

 

Gottesdienst erstreckt sich nicht nur allein in der Zusammenkunft von Menschen zum gemeinsamen Gebet, sondern muss auch spürbar werden zwischen uns. Das ist für mich eine diakonische Aufgabe – Begegnung und Austausch zu ermöglichen – Vermittler dieses Austausches zu sein. Christen müssen miteinander weinen und lachen können. Ein gemeinsames Tragen des Lebens, eine Solidarität muss spürbar werden. Dass das Christentum nicht nur etwas Theoretisches, sondern auch praktisch erlebbar und spürbar werden muss ist nicht nur Aufgabe eines Diakons oder eines kirchlich Beauftragten, sondern jeder Christin und jedes Christen.

 

Stephanus hat den „Dienst an den Tischen“ und den „Dienst des Wortes“ miteinander verknüpft, wie wir aus der Apostelgeschichte wissen, er hat die Verkündigung der Botschaft des Auferstandenen und die tätige Nächstenliebe als eine Einheit gesehen und auch gelebt.

 

Vielleicht ist der heutige Feiertag auch für uns ein Anstoß zum Nachdenken: wo sind in meinem Leben diese beiden Säulen des Urchristentums vereinigt? Wo verbinde ich als Christin und als Christ, das Verkünden der Frohen Botschaft mit der tätigen Nächstenliebe – etwas anders formuliert: erstreckt sich mein Christsein nur auf den Kirchgang, oder folgen auch Taten, an denen andere mich als jemand erkennen können, der versucht in Jesu Spuren zu gehen?