Erfüllte Zeit

26. 12. 2005, 7.05 Uhr - 8.00 Uhr, Österreich 1

 

 

 

Nachruf auf Luis Lintner von Pina Rabbiosi

 

 

Das Testament, das uns Luis hinterlassen hat, ist sein Leben selbst. Luis war als Person und Priester ein Vorbild für alle, die ihn kennen gelernt haben, er war ein stiller, nachdenklicher Mensch, ein Vorbild an Güte und Geduld, wie man nach und nach jeden Tag mehr entdecken konnte. Seine Haltungen haben ihn charakterisiert als Menschen des Hinhörens und des Respekts.

 

Es waren die Kleinen, die ihn zuerst als Menschen des Dienstes erkannt haben. Wir haben Rosy kennen gelernt, als sie noch unter einem Baum lebte, ihr Mann war Säufer, ihr Kind hat nie ein Kleid oder Schuhe getragen, sie selbst war psychisch schwer krank. Nach einer langen Begleitungszeit haben wir für Rosy und ihre Familie eine kleine Hütte gekauft. Ein Mitarbeiter von Luis hat die hygienischen und elektrischen Installationen erledigt. Nach einigen Monaten kam Rosy eines Morgens in unser Haus, aufgeregt fragt sie nach Padre Luis: „Ich weiß nicht, vielleicht habe ich die Toilette falsch benutzt, aber sie ist verstopft, es geht nichts mehr runter ... kannst du mir helfen?“ Luis bat sie um ein wenig Geduld, er habe jetzt eine Verpflichtung, aber er werde kommen und nachschauen. Nach dem Mittagessen, fast heimlich, hängt er sich die Schürze um, nimmt den Werkzeugkasten und geht zu Rosy...

 

Luis hat sein priesterliches Amt nie als Instrument des Privilegs oder des persönlichen Vorteils benutzt. Sein Lebensstil war von äußerster Kohärenz und Konsequenz geprägt. Luis hat immer an ein einfaches Leben geglaubt und dieses gelebt. In den Häusern, in denen wir gewohnt hatten, hat er für sich immer das kleinste Zimmer ausgesucht. Sein Schlafzimmer war leer wie eine Klosterzelle. Luis hat immer Sandalen getragen, auch um an offiziellen Momenten teilzunehmen, sei es auf kirchlicher oder sozial-politischer Ebene. Das einzige Paar Schuhe, das er besaß, wurde regelmäßig nur vor seinem Heimaturlaub herausgeholt und abgestaubt. Luis liegt barfuß im Sarg, denn so ist er auch durchs Leben gegangen. Padre Luis hinterlässt uns die Aufgabe, arme Kirche zu sein unter den Armen und Zeichen der Liebe des zärtlichen Gottes, Mutter und Vater des Lebens, unter den Kleinen dieser Welt.

 

 

(Aus: Martin M. Lintner, Christl Hauger Fink (Hg.), Francesco Comina (Hg.) „...weil das Leben siegen wird! Luis Lintner. Mystiker. Kämpfer. Märtyrer“, Athesia Verlag)