Erfüllte Zeit

01. 01. 2006, 7.05 Uhr - 8.00 Uhr, Österreich 1

 

 

 

„Die Geburt Jesu“ (Lukas 2, 16 – 21)

von Caritasdirektor Michael Landau

 

 

Neu und unberührt wie ein frisch verschneites Feld in der Morgensonne liegt dieses junge Jahr vor uns. Was es bringen wird, liegt nur zum Teil in unserer Hand. Wir werden unsere Spuren ziehen. Wege und Umwege, wie sie zum Leben des Menschen gehören. Was dabei ganz sicher ist: Wir sind nicht alleine auf unserem Weg. Oft mit lieben Menschen, so wäre zu wünschen. Vielleicht ist es ja gerade am Beginn des Jahres gut, auf die Weggemeinschaft zu achten und Gott im Gebet für die Menschen zu danken, die uns nahe sind. Und es ist gut, wenn wir einander ein Lächeln schenken, ein liebes Wort, ein Gebet; denn all das macht die Welt heller und schöner. Vor allem aber sind wir mit Christus unterwegs. Denn er ist einer, der uns nicht verlässt, dem wir am Herzen liegen und wichtig sind, was auch immer kommen mag, was auch immer geschieht. Der die frohen und die ernsten Stunden mit uns teilt.

 

Zum neuen Jahr gehören dabei für viele Menschen Feier und Aufbruch. Immer wieder ganz bewusst inne zu halten und froh zu feiern halte ich für wichtig – als Mensch und als Christ. Glaube meint ja nicht sauertöpfische Pflichterfüllung, sondern einen Weg, der in die Weite führt, in die Freiheit, der mit gelungenem Leben zu tun hat, mit Freude, mit Fest.

 

Zugleich aber ist der Neujahrstag für viele ein Anlass, hier und heute einen neuen Anfang zu wagen. Wir lassen hinter uns, was war, um – begleitet von guten Wünschen und vielleicht auch Vorsätzen – aufzubrechen. Zum Leben gehört diese Bereitschaft und der Mut zum Aufbruch. Der Entschluss, nicht stehen zu bleiben. Das Vertrauen darauf, dass Veränderung möglich ist – für uns selbst und durch uns, auch heute und hier. Christsein heißt unterwegs sein – letztlich auf Gott zu, der uns erwartet und der unser Hoffen, unser Sehnen, unsere Freude vollenden will.

 

Im Evangelium des heutigen Tages leuchtet dabei nochmals das Weihnachtsgeheimnis auf: Gott ist für uns Mensch geworden. Er ist leibhaftig erschienen – nicht unter den Zeichen von Macht und Herrlichkeit, sondern schutzlos und in einem Stall, weil in der Herberge kein Platz mehr für Ihn war. Die ersten, die zu dem Kind eilen, sind Hirten, nicht Könige. Sie brechen auf und folgen dem Ruf. Sie bezeugen, was sie sehen und was sie über dieses Kind gehört haben. Und ihr Herz wird mit Freude erfüllt; sie rühmten Gott und priesen ihn.

 

Da aber spüren wir, dass das Weihnachtsfest nicht bloß Erinnerung ist: Die Begegnung mit dem Kind in der Krippe kann und soll auch unser Leben verändern: Die Menschwerdung Gottes macht uns Mut zur Menschwerdung des Menschen – damit auch unser Herz mit Freude erfüllt wird und damit auch wir hellhörig werden für die, die heute noch an unsere Türen klopfen und auf uns hoffen: die allein erziehende Mutter, den Vater ohne Arbeit, das Ehepaar, das alt und einsam geworden ist. Der Name des Kindes will deutlich machen, worum es geht: Jesus meint: Der Herr rettet; er ist Heiland der Welt. Das zu bezeugen – und selbst zu leben –, das heißt Christsein heute und hier.

 

Von Maria aber heißt es, sie bewahrte alles, was geschehen war, in ihrem Herzen und dachte darüber nach. Damit Aufbruch, damit Veränderung gelingt, gilt es, das Erlebte in der Erinnerung zu bewahren. Das Ernste als Quelle der Kraft um Veränderungen durchzustehen und alte Fehler nicht zu wiederholen. Vor allem aber das Schöne, das Positive und Gelungene im eigenen Leben und in dieser Welt als Beistand und als Quelle des Mutes – gerade auch im Blick auf das Kommende, auch auf dieses Jahr, das noch so unberührt, so hoffnungsvoll vor uns liegt.