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Erfüllte Zeit01. 01. 2006, 7.05 Uhr - 8.00 Uhr, Österreich 1
„Sich nicht im Heiligen
irren“
Angesichts des Leidens und des Todes, des Bösen, des Krieges und der
Naturkatastrophen wird der Mensch aus der Fassung gebracht. Er
versteht das nicht; das Leben hat keinen Sinn mehr; die Welt gerät
aus den Fugen. Er empfindet das Bedürfnis, sich einer höheren
Macht anzuvertrauen, die einschreiten und diese chaotischen Zustände
ändern kann. Wie kann man sich ihre Gunst und ihren Schutz sichern?
Durch Geschenke, Opfergaben, Riten, die das Schicksal beschwören
sollen. Man zündet Kerzen an, verrichtet Gebete, verehrt Bildnisse,
trägt Medaillen, bringt Opfer dar, geht auf Pilgerschaft... Auf
diese Art tritt man mit dem Göttlichen in Verbindung, und die Orte,
an die man sich zu diesem Zweck begibt, die verwendeten Zeichen und
Gegenstände werden selbst geheiligt, werden sakral. Das intuitive
Gefühl, dass der Mensch nicht das höchste Wesen ist, dass etwas
oder jemand ihn weit überragt, war und ist weit verbreitet. Es ist
der Ursprung der Religionen. Die Religion verbindet den Menschen mit
dem Heiligen. Hinter diesen Praktiken versteckt sich oft der Wunsch, den göttlichen
Willen seinen eigenen Bedürfnissen und Wünschen gefügig zu machen
– ein Markten also: Ich gebe dir dies, und du tust für mich das.
Irren wir uns also nicht im Heiligen. Unsere Gesten, Zeichen und
Riten haben nur einen Zweck: uns unablässig in Erinnerung zu rufen,
dass wir für eine bessere Zukunft der Menschheit arbeiten sollen.
Gottes heiliges Antlitz scheint in den Gesichtern unserer Schwestern
und Brüder auf. Es ist an uns, etwas zu unternehmen, damit
Krankheiten eingedämmt werden, an uns, den Sterbenden Trost zu
spenden, gegen das Böse zu kämpfen, in erster Linie in uns selbst
und dann um uns herum, damit die Übergriffe auf das Leben und die Würde
des Menschen aufhören. Es liegt an uns, uns dafür einzusetzen,
dass der Planet Erde für kommende Generationen erhalten bleibt, und
katastrophalen Entwicklungen vermehrt vorzubeugen. Eine gewaltige
Aufgabe – ein heiliges Unterfangen! (Aus: Jacques Gaillot, Alice Gombault, Pierre de Locht „Ein
Katechismus, der Freiheit atmet“, Edition K. Haller)
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