Erfüllte Zeit

08. 01. 2006, 7.05 Uhr - 8.00 Uhr, Österreich 1

 

 

 

„Die Taufe Jesu“ (Markus 1, 7 – 11)

von Prälat Franz Schrittwieser, St. Pölten

 

Das Fest der Taufe des Herrn bildet eine Brücke zwischen Weihnachten und Ostern. Markus lässt im Prolog seines Evangeliums Johannes den Täufer auftreten, der uns in der Adventzeit immer wieder begegnet ist. Er ist hier nicht der unsympathische Bußprediger, der seine Botschaft wortgewaltig und kompromisslos in die Menge schleudert. Er ist der neue Elia, der in der Wüste durch Predigt und Wassertaufe das Neue Volk Gottes sammelt. Seine Anhänger führt er zur Jesusbewegung hin. Ihm, dem kommenden Messias bereitet er den Weg und nimmt sein Lebensschicksal vorweg. Seine Wassertaufe wird durch die Geisttaufe abgelöst. Jesus von Nazareth, vielleicht auch einer seiner Sympathisanten, lässt sich von Johannes taufen. Er taucht dabei wirklich unter, nicht nur im Wasser des Jordan sondern steigt in Solidarität mit den erlösungsbedürftigen Menschen hinab in die Abgründe des Menschseins. Er verlässt seine eigene Familie, die ihn für verrückt hält und zurückholen möchte, um eine neue Familie von Jüngerinnen und Jüngern zu sammeln. Dabei liegen ihm die Armen und Hoffnungslosen, die Kleinen und Schwachen, die Kranken und Ausgegrenzten besonders am Herzen. In der Taufe nimmt er seinen Tod vorweg, durch den er die alte Menschheit überwindet und die neue in sich trägt, durch den er alle, die an ihn glauben, zur neuen Freiheit der Kinder Gottes führt. Der Geist Gottes enträtselt das Geheimnis dieser Szene. Von ihm sagt schon der Prophet Jesaja, dass Gottes Geist auf ihm ruht und ihn mit seinen Gaben erfüllt.

 

Beim ersten öffentlichen Auftritt in seiner Heimatsynagoge in Nazareth sieht Jesus diese Ankündigung in seiner Person erfüllt. Wie der Knecht Gottes beim Propheten Jesaja schreit und lärmt er nicht, den glimmenden Docht löscht er nicht aus. Er wird nicht müde und bricht nicht zusammen, bis er auf der Erde das Recht begründet hat. So tritt er, der Stärkere, entgegen den Messiaserwartungen seines Vorläufers, niedriger, leiser und demütiger auf. Er zieht  landauf und landab, um Zeichen des anbrechenden Gottesreiches zu setzen. Dem Täufer, der an ihm zweifelt, lässt er in das Gefängnis berichten: "Geht und berichtet Johannes was ihr gesehen und gehört habt: Blinde sehen wieder, Lahme gehen und Aussätzige werden rein; Taube hören, Tote stehen auf, den Armen wird das Evangelium verkündet."

Vielleicht wird das Erlebnis am Jordan zu Jesu Berufungsvision, aus der er den Auftrag spürt, in die Wüste zu gehen, um sich auf seine Sendung vorzubereiten, bis ihn sein Weg nach Jerusalem führt, um auf Golgotha sein Lebenswerk zu vollenden.

 

Wer auf seinen Namen getauft ist, sollte sich bewusst  werden, dass die Taufe keine harmlose Angelegenheit ist, um zu einer Religionsgemeinschaft zu gehören, die immer noch ein gewisses Ansehen in unserer Gesellschaft besitzt. Die Taufe begründet eine neue Existenz. Wie beim Sterben lassen die Getauften den alten Menschen hinter sich und sollen immer mehr den neuen Menschen anziehen, der nach dem Bild Gottes geschaffen ist in wahrer Gerechtigkeit und Heiligkeit. Sie sind herausgefordert zur Umkehr und zum Glauben an das Evangelium. Sie gehören zur neuen Familie Jesu, die dem Gottesreich die Wege bereitet und mitbaut an einer besseren Welt.

 

So wird das Fest der Taufe Jesu zum Gedenktag an unsere eigene Taufe. Je mehr wir uns dem idealen Jesu verschreiben, ziehen wir weihnachtliche Spuren in einer noch vorweihnachtlichen Welt. Wenn wir uns in seine Nachfolge rufen lassen und immer mehr seine Zeugen werden, leben wir als österliche Menschen in einer schon, aber noch nicht endgültig erlösten Welt.