Erfüllte Zeit

12. 02. 2006, 7.05 Uhr - 8.00 Uhr, Österreich 1

 

 

 

„Die Heilung eines Aussätzigen“ (Markus 1, 40 – 45)

von Präses Ludwig Zack

 

 

Ein Aussätziger kam also zu Jesus und bat ihn um Hilfe und dieser heilte ihn. Zehn Aussätzige traf Jesus im Grenzgebiet von Samaria und sie baten ihn um Hilfe und er heilte sie. So berichtet Lukas. Als Kind haben mich diese Geschichten von den Aussätzigen immer schon berührt. Einerseits gehörte diesen Armen, verstoßenen Menschen mein ganzes Mitleid und andererseits war ich empört, verärgert und traurig über die Undankbarkeit der Geheilten und wie sie mit Jesus umgingen. „Erzähl niemand etwas davon“, schärfte Jesus dem Mann ein und der - so heißt es - erzählte bei jeder Gelegenheit, was geschehen war und verbreitet die ganze Geschichte im ganzen Land. Und bei Lukas heißt es, von den zehn Geheilten kam nur einer zurück, um sich zu bedanken und das war ein Fremdling.

 

Aber reden wir zunächst über diese armen, ausgestoßenen Menschen und reden wir nicht nur über die von damals. Auch unsere Gesellschaft hat ihre Aussätzigen – Ausgegrenzten – Ausgestoßenen. Lepra ist heilbar, was aber nicht heißt, dass es nicht weiter Leprakranke gibt. Und das, was diese Krankheit so grausam macht, ist erst recht nicht verschwunden. Im Gegenteil, Aussätzige unserer Zeit haben viele Namen und viele Gesichter.  Drogen- oder Aidskranke, Sandler oder Ausländer sollten am besten verschwinden aus dem Stadtbild, aber auch arbeitslose Jugendliche sollte man am besten nicht sehen. Bettler und sonstige schräge Typen sollten gleich weg gewiesen werden dürfen. Aus dem Auge, aus  dem Sinn. Dann wird es ruhig werden für die anständigen Bürger der Stadt.

 

Aber so einfach ist die Geschichte natürlich nicht. Nicht einmal für Jesus war sie das, wie wir gehört haben. Weil der Geheilte alles was ihm geschehen war, weiter erzählte, konnte sich Jesus in keiner Stadt mehr zeigen. Er hielt sich nur mehr außerhalb der Stadt auf, an einsamen Orten. Das heißt, er wurde selbst zum Außenseiter - wenn sie wollen - zum Aussätzigen.

 

Und trotzdem kamen Leute von überall her zu ihm, heißt es weiter. Einsame Orte einer Stadt bekommen in diesem Zusammenhang auf einmal Namen und viele Gesichter: Die Gruft von der Wiener Caritas, die Anonymen Alkoholiker, die Drogen- und Aids-Beratungsstellen, das Integrationshaus, das Kolpinghaus, das Pfarrhaus, der Canisibus und viele andere. Und überall sind Menschen für die Außenseiter da und werden selbst an den Rand gedrängt. Und an ihre eigenen Grenzen. Weil eben viele von überall zu ihnen kommen. Oft viel zu viele. Und sie suchen Hilfe. „ Haben sie mich verfolgt, werden sie auch euch verfolgen“, mit Spott, Besserwisserei, Geringachtung und subtiler Feindseligkeit usw. Wie immer, wer sich einlässt auf die unendliche Geschichte der immer wieder kehrenden Aussätzigen, der wird einen starken Glauben brauchen und eine große Zuversicht. „Arme werdet ihr alle Zeit unter euch haben“, sagt Jesus. Das ist der eine Pol. Und der andere ist die Sehnsucht nach einem „neuen Himmel“ und einer „neuen Erde“. Wo immer ein Mensch diese Spannung aushält, wird er zum Segen für den anderen, der irgendwo draußen ist, als Außenseiter.