Erfüllte Zeit

19. 02. 2006, 7.05 Uhr - 8.00 Uhr, Österreich 1

 

 

 

„Die Heilung eines Gelähmten“ (Markus 2, 1 – 12)

von Präses Ludwig Zack

 

 

Jesus heilt also einen Gelähmten. Kein Mensch kann erklären, wie das gegangen ist. Wunder sind eben unerklärbar. Trotzdem oder gerade deswegen lösen solche Heilungsgeschichten viele Fragen aus. Die können zwar auch nicht alle beantwortet werden, sie zeigen aber oft, wie es dem Fragenden geht.  „Wie kann dieser Mensch so reden?“ dachten einige Schriftgelehrte. „Wer kann Sünden vergeben außer Gott?“ Dieser Jesus stört ihr Bild von Gott, die Heilung selbst beeindruckt sie gar nicht. Es sind die Begleitumstände mit denen sie nicht zurande kommen. Und das Interessante dabei ist nun, dass sie mit ihrem Bild von Gott die Gedanken der „anders Gläubigen“ geradezu auf das Kernanliegen Jesu hinführen. Das ist: Der Glaube und die Sündenvergebung. Vor allem die Sündenvergebung konnten sie ihm nicht verzeihen. „Wie kann dieser Mensch so reden? – Er lästert Gott“. Welche Strafe auf Gotteslästerung steht, sagen sie nicht – jetzt noch nicht. Jesus aber weiß das und geht auf ihre Vorwürfe ein und beginnt einen anschaulichen Überzeugungsweg mit ihnen. Er stellt die Frage: „Was ist leichter zu sagen: Deine Sünden sind dir vergeben oder steh auf und geh?“ Und obwohl sie sahen, dass der Gelähmte nun geht, glaubten sie nicht. Und an diesem Punkt wird die Auseinandersetzung mit den Gelehrten abgebrochen, beendet aber wird sie, wie wir wissen, nicht – nicht für immer. Denn dieser Vorwurf „Er lästert Gott“ kostet Jesus schließlich das Leben.

 

Ganz anders ging es da den Leuten, die zu Jesus kamen, weil sie  ihn einfach wieder einmal hören wollten. „Er verkündete ihnen das Wort und sie gerieten außer sich, über das was sie da sahen“: Ein Gelähmter geht plötzlich wieder, „so etwas hatten sie noch nie gesehen“. Wenn jemand gelähmt ist, dann ist das eben so, damit muss der Betroffene leben und allein zurande kommen. Oder doch nicht? Nein, nicht immer. Wenn die, die gehen können, mit denen, die nicht gehen können, gemeinsam leben, geht es auch anders. Das haben die vier Männer der heutigen Geschichte recht deutlich gezeigt. Und Jesus hat es deutlich genug gesagt: Es war der Glaube der vier Freunde, der ihn so beeindruckt hat, dass er den Kranken heilte. Kranke und Gesunde gehören zusammen. Und wenn sie ihr Leben gemeinsam leben können, sind an Wunder grenzende Wandlungen möglich. Was da alles geschieht, bleibt weitgehend verborgen. Das muss es auch bleiben und soll es auch. Aber von Zeit zu Zeit soll doch daran erinnert werden, was Menschen in dieser oft als Zeitalter der Egoisten verrufenen Zeit für ihre Kranken und alten Menschen in unserer Gesellschaft leisten. Eine Zahl: Von zehn alten pflegebedürftigen Menschen werden acht daheim von ihren Angehörigen gepflegt. Lauter Einzelschicksale? So wird manches Mal ausweichend geantwortet.  Aber man könnte doch darüber nachdenklich werden, wenn dann die Frage auftaucht: „Wenn ich selbst einmal so weit bin – dann wünsche ich mir…“

 

Mutige, Resolute, wenn es sein muss Verrückte, Verwandte oder Freunde, die den festen Glauben haben, dass Kranke und Gesunde zusammengehören, finden auch Wege zueinander. So ein Glaube hat einen Gelähmten geheilt – so ein Glaube kann in Bewegung bringen, was erstarrt ist – so ein Glaube kann öffnen, was Bitterkeit verschlossen hat – so ein Glaube kann geben, was Trauer genommen hat. Das ist letztlich der Glaube, der Berge verrücken kann, weil er aus der Liebe zu Gott und den Menschen kommt.