Erfüllte Zeit

25. 12. 2006, 7.05 Uhr - 8.00 Uhr, Österreich 1

 

 

 

„Die Frage nach dem Fasten - Neues ist geworden“ (Mk 2, 18 - 22)

von Univ. Prof. Dr. Wolfgang Langer


Manchmal sieht die Kirche ganz schön alt aus. Und das ist sie ja auch: immerhin zweitausend Jahre! Und doch ist sie zugleich jung geblieben. Was der Mann aus Nazaret zu sagen hatte, altert nicht. Es trifft jede Zeit wieder neu, fordert die Menschen heraus, sich mit dem Lebensprogramm Jesu auseinanderzusetzen.

Aber das Eigentliche sind nicht seine Worte und Weisheiten. Es ist die Person des Nazareners. Wenn Christen ihn als den Sohn Gottes bekennen, dann glauben sie nicht weniger, als dass in ihm Gott selbst zu seiner Welt gekommen ist. Damit hat nicht nur irgendeine Epoche der Weltgeschichte unter anderen begonnen wie mit Caesar oder Karl dem Großen. Die Weltgeschichte als solche hat sich verwandelt, ist auf einzigartige, unvergleichliche Weise neu geworden.

Israel, das alte Gottesvolk, hat die besondere Beziehung zu seinem Gott IHWH, den „Bund“, unter dem Bild des Ehebundes gefasst. Jede enttäuschte Abkehr des Volkes von IHWH, jede Zuwendung zu einem anderen der zahlreichen „Götter“ (Baal, Astarte) wurde deshalb von den Propheten als Ehebruch gebrandmarkt.

In dieser Tradition bezeichnet sich Jesus als „Bräutigam“. In ihm ist Gott als Mensch zu den Menschen gekommen, um sich mit ihnen in einem neuen (Ehe-) Bund zu verbinden und zu verbünden. Diese Nähe, die menschliche Gegenwart Gottes in Jesus Christus, ist das unerhört Neue. Sie sprengt alle alten Vorstellungen von der Ferne und Verborgenheit des „unbekannten“ Gottes – so wie junger, noch gärender Wein alte, brüchig gewordene Schläuche zerreißt. Sie ist nicht die reformierte Fortsetzung der alten jüdischen Opfer- und Gesetzesreligion – so viel an Gutem und weiter Gültigem die Kirche aus der Tradition Israels auch geerbt hat. Das sagt das Bild vom neuen Tuchfleck, den man nicht auf das alte Kleid nähen kann, ohne alles zu verderben.

Von Jesus haben die Christen gelernt, dass Gott Liebe ist. Und diese Liebe leuchtet auf im menschlichen Antlitz des Menschen, des liebenden Bräutigams Jesus. Sie klingt heraus aus den Worten seiner Botschaft vom Heil, von der Rettung aller Menschen aus der vermeintlichen Übermacht des Bösen und des Todes. Sie zeigt sich in seiner Zuwendung zu den Armen, den Kranken, den Ausgegrenzten, den Versagern und Verlierern.

Wo dieses Evangelium von der in Jesus Mensch gewordenen Liebe Gottes im Glauben angenommen wird, breitet sich Freude aus: innere Herzensfreude, Hochzeitsfreude, die danken, jubeln und tanzen will. Das verträgt sich nicht mit der düsteren Religion von Menschen, die meinen, Gott mit Kasteiungen, mit Fasten und Verzicht dienen zu müssen. Allerdings: In diese Freude über das Neue, das uns von Gott her gekommen ist, mischen sich die leidvollen Erfahrungen mit dem immer noch bestehenden und mächtigen „Alten“ in dieser vergänglichen Welt. Aus ihr ist uns der Bräutigam Jesus „hinweg genommen“ worden. An seinem Schicksal haben wir teil. Das bringt uns Verzicht und Leiden genug – ohne dass wir sie suchen und uns selbst zufügen müssen. Sie gilt es zu ertragen: in der Überzeugung des Paulus, „dass die Leiden der gegenwärtigen Zeit nichts bedeuten im Vergleich zu der Herrlichkeit, die an uns offenbar werden soll“ (Röm 8, 18).