|
||||
Erfüllte Zeit12. 03. 2006, 7.05 Uhr - 8.00 Uhr, Österreich 1
„Der
innerkirchliche Dialog“
von Kardinal Franz König Die
Kluft zwischen dem, was die Kirche lehrt, und dem Lebensgefühl der
Menschen wird vielleicht am akutesten gespürt in der so genannten
westlichen Welt. Sie führt zu heftigen Diskussionen über Themen
wie den Zölibat, die Rolle der Frau in der Kirche, die Geburten-
regelung, den Kommunionempfang für wiederverheiratete Geschiedene.
Gerade wenn diese Fragen sozusagen von oben her behandelt werden,
haben viele Menschen nicht das Gefühl, unmittelbar angesprochen zu
sein. Die theologische Sprache, in der die offiziellen Dokumente
verfasst werden, klingt oft unpersönlich und kalt und hat auch
manchmal einen arroganten Beigeschmack. Jeder persönliche Kontakt
– und damit auch der Dialogpartner – fehlt und ist gleichsam
ausgeschlossen. Ich verstehe einerseits sehr gut die Sorge der
vatikanischen Behörden, die Kirche könne auseinander brechen, aber
deswegen muss man nicht unhöflich sein. Niemand verliert an Autorität,
wenn er höflich ist. Man muss die Einheit bewahren, aber die
Vielfalt nicht ausschließen. Damit
die einzelnen Katholiken das Gefühl bekommen, dass ihnen die Kirche
nahe ist und nicht eine entfernte Behörde und dass ihre Interessen
der Kirche am Herzen liegen, muss das kontinentale und territoriale
Bewusstsein gestärkt werden. Das bedarf neuer Überlegungen, und da
ist natürlich immer ein Risiko dabei. So könnte man etwa die Frage
stellen, ob die Zölibatsfrage europäisch, lateinamerikanisch oder
kontinental zu lösen sei. Die Zölibatsdebatte ist verständlich,
zumal der Zölibat keine dogmatisch fixierte Doktrin ist. Es wird
oft vergessen, dass wir schon jetzt, was den Zölibat betrifft,
verschiedene Lösungen innerhalb der katholischen Kirche haben. In
der griechisch-katholischen Kirche, die in voller Union mit Rom
steht, dürfen verheiratete Männer Priester werden. Der Grund,
warum sich der Vatikan auf die Zölibatsvorschrift für die
lateinische Kirche versteift, ist vielleicht, weil es nicht nur für
einen Papst aus Polen eben unvorstellbar ist, etwas zu ändern, was
sich jahrhundertelang bewährt hat – wobei ich gar nicht weiß, ob
sich der Zölibat wirklich bewährt hat. Ich
bin überzeugt, dass der nächste Papst die Weihe von viri probati,
das heißt von (in Ehe und Familie) bewährten Männern, ermöglichen
wird. Andererseits muss man aber auch sagen: Die Zölibatsvorschriften
in der lateinischen Kirche zu lockern würde zwar gewisse Probleme lösen,
aber dafür würden sich andere ergeben. Innerhalb kürzester Zeit würden
wir höchstwahrscheinlich mit dem Problem von geschiedenen Priestern
konfrontiert werden. Es ist der menschliche Faktor, der immer eine
große Belastung für die Kirche ist. (Aus:
Franz Kardinal König „Offen für Gott – offen für die Welt.
Kirche im Dialog“, hrsg. von Christa Pongratz-Lippitt, Herder
Verlag)
|