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Erfüllte Zeit16. 04. 2006, 7.05 Uhr - 8.00 Uhr, Österreich 1
Dietrich Bonhoeffer
Unser
Blick fällt mehr auf das Sterben als auf den Tod. Wie wir mit dem
Sterben fertig werden, ist uns wichtiger, als wie wir den Tod
besiegen. Sokrates überwand das Sterben, Christus überwand den Tod
als letzten Feind. Mit dem Sterben fertig werden bedeutet noch nicht
mit dem Tod fertig werden. Die Überwindung des Sterbens ist im
Bereich menschlicher Möglichkeiten, die Überwindung des Todes heißt
Auferstehung. Nicht von der ars moriendi (Kunst des Sterbens),
sondern von der Auferstehung Christi her kann ein neuer, reinigender
Wind in die gegenwärtige Welt wehen. Hier ist die Antwort auf das
„Gib mir einen festen Ort, auf dem ich stehen kann und ich werde
die Erde bewegen“. Wenn ein paar Menschen dies wirklich glaubten
und sich in ihrem irdischen Handeln davon bewegen ließen, würde
vieles anders werden. Von der Auferstehung her leben – das heißt
doch Ostern. Wo
aber erkannt wird, dass die Macht des Todes gebrochen ist, wo das
Wunder der Auferstehung und des neuen Lebens mitten in die Todeswelt
hineinleuchtet, dort verlangt man vom Leben keine Ewigkeiten, dort
nimmt man vom Leben, was es gibt, nicht Alles oder Nichts, sondern
Gutes und Böses, Wichtiges und Unwichtiges, Freude und Schmerz,
dort hält man das Leben nicht krampfhaft fest, aber man wirft es
auch nicht leichtsinnig fort, dort begnügt man sich mit der
bemessenen Zeit und spricht nicht irdischen Dingen Ewigkeit zu, dort
lässt man dem Tod das begrenzte Recht, das er noch hat. Den neuen
Menschen und die neue Welt aber erwartet man allein von jenseits des
Todes her, von der Macht, die den Tod überwunden hat. (Aus:
„Dem Leben auf der Spur“, hrsg. von Wolfgang Brinkel, Gütersloher
Verlagshaus)
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