Erfüllte Zeit

30. 04. 2006, 7.05 Uhr - 8.00 Uhr, Österreich 1

 

 

 

„Die Erscheinung des Auferstandenen in Jerusalem“

(Lukas 24, 35 – 48)

von Veronica Schwed

 

 

Ihr seid Zeugen dafür!
Waren Sie schon einmal in einer Situation, in der Sie einen Zeugen gebraucht haben?
Einen Menschen, der bestätigt hat: "Ja, so war das, dafür stehe ich ein"?
Der notfalls auch vor einem Gericht für Sie ausgesagt hätte?

Solche Zeugen sucht Jesus und er beauftragt und befähigt seine Jünger und Jüngerinnen zu dieser glaubwürdigen Zeugenschaft.


Es war allerdings nicht von Anfang an selbstverständlich, für den Glauben an die Auferstehung Jesu Christi einzutreten!
Für uns heutige Christen und Christinnen ist das ein sehr vertrauter und von Kindheit an vermittelter Inhalt unseres Glaubens.
Die Jünger und Jüngerinnen Jesu hingegen mussten erst nach und nach zu dieser Überzeugung finden.
Auch, wenn Jesus sie ob ihrer Zweifel tadelt, sind diese doch verständlich: Sie haben alles auf eine Karte gesetzt und offensichtlich verspielt.
Ein gekreuzigter Messias?! - Undenkbar!
Auferstanden? Erschienen? - Schwer vorstellbar!
Wie soll es weitergehen?
Was glauben wir eigentlich?
Wem können wir überhaupt noch glauben?
Ist das der große Wendepunkt in der Heilsgeschichte Gottes mit den Menschen oder eine schillernde Seifenblase, die zerplatzt ist?


- Erst schrittweise haben die Jünger und Jüngerinnen zum Auferstehungsglauben gefunden, erst nach und nach dieses gewaltige Geschehen annehmen können.
Jesus möchte ihren staunenden, noch unsicheren Glauben festigen, will ihnen die Angst nehmen, sie ermutigen, stärken und als Zeugen befähigen. Er führt sie zu ihrer Aufgabe hin, die Osterbotschaft zu verkünden.

Die Begegnung der Jünger mit dem Auferstandenen ist schwer in Worte zu fassen. Das ist nicht nur in dieser Perikope zu beobachten, sondern ist ein Grundzug aller Erscheinungserzählungen. Immer herrscht eine eigentümliche Spannung zwischen Differenz und Identität: Die Jünger und Jüngerinnen erkennen den Herrn nicht sofort:
Maria Magdalena hält ihn für den Gärtner, sie erkennt Jesus erst, als er sie beim Namen nennt.
Die Emmausjünger werden vom Auferstandenen begleitet und reden mit ihm, ohne zu wissen, wer vor ihnen steht. Sie erkennen ihn am Brotbrechen.
Im heutigen Text meinen die Jünger einen Geist zu sehen und haben Angst. Sie brauchen "handfeste" Beweise.

Jesus tadelt sie und fordert sie auf, auf seine Hände und Füße zu sehen - nicht in sein Gesicht!
Er sagt: "Fasst mich doch an, dann merkt ihr, dass ich kein Geist bin!"


Der Evangelist erwähnt nicht, ob die Jünger dieser Aufforderung Folge geleistet haben.
Er stellt aber fest, dass sie staunen, sich freuen, aber noch immer nicht zum Glauben gefunden haben.
Daraufhin isst der Herr vor ihnen ein Stück gebratenen Fisch, um zu verdeutlichen, dass er nicht einfach ein Gespenst ist.
Nun scheinen sie bereit dafür zu sein, dass Jesus ihnen die Schrift erklärt und ihnen "den Sinn öffnet".

Leider endet der heue verkündete Abschnitt bereits mit dem Auftrag zur Zeugenschaft.

Die anschließende Verheißung des Heiligen Geistes und die Segnung durch Jesus Christus zeigen aber: Die Jünger müssen nicht aus eigener Kraft handeln, sondern der Herr befähigt sie mit der Kraft des Geistes.

Sie sind seine Zeugen, wenn sie allen Völkern seinen Tod und seine Auferstehung sowie die Sündenvergebung in seinem Namen verkünden.

Die Jünger und Jüngerinnen Jesu sind beauftragte und befähigte Zeugen des Herrn.

Auch wir sind beauftragt und befähigt, seine Zeugen zu sein.

 

Was heißt das nun? Wie werde ich zur Zeugin?

Jesus Christus selbst macht mich dazu!

Er reißt Menschen aus dem bisherigen Alltagstrott heraus!

Diese Osterbotschaft stellt uns vor die elementare Entscheidung! Entweder ich nehme sie an, oder sie ist an mir vorbeigegangen. Ein bisserl Auferstehungsglauben geht nicht!

 

Das Angesprochen-Werden durch Jesus Christus zeigt sich praktisch.

Es wird konkret in einem Streit, wo es gelingt, dass mir die Augen geöffnet werden und Frieden entstehen kann.

Es wird konkret in der Begegnung mit Armen und Leidenden, wenn ein Mensch den Mut bekommt, solidarisch zu handeln.

Es wird konkret am Grab eines lieben Menschen, wenn nicht Trauer und Einsamkeit siegen sondern Hoffnung und Vertrauen in Gott.

 

Wenn ich annehmen kann, dass Jesus Christus wirklich auferstanden ist, kann ich das bezeugen. Diese Zeugenschaft zeigt sich z.B., wenn ich nicht peinlich berührt schweige, wenn sich jemand über die Kirche lustig macht, sondern mich zu ihr bekenne.

Oder wenn ich nicht gleichgültig den Mund halte, wenn fremdenfeindliche Asylgesetzt beschlossen werden, sondern für Menschenrechte eintrete.

Oder wenn ich nicht weghöre, wenn am Stammtisch Vorurteile verbreitet werden, sondern Farbe bekenne und dagegen auftrete.

 

Zeugenschaft für Jesus Christus ist unbequem, anstrengend, macht Feinde, lässt einen zeitweise dumm da stehen.

Das muss uns schon bewusst sein. Es ist nicht nur lieb, nett, angenehm und wohltuend.

Aber auch uns ist die Kraft aus der Höhe zugesagt, auch wir leben im Segen Jesu Christi.

Zeugenschaft sucht man sich nicht aus, man wird dazu gerufen.

 

Jesus Christus ist auferstanden, Halleluja!