Erfüllte Zeit

14. 05. 2006, 7.05 Uhr - 8.00 Uhr, Österreich 1

 

 

 

„Die Bildrede vom Fruchtbringen“ (Johannes 15, 1 – 8)

von Regens Nikolaus Krasa

 

 

Bleiben Sie dran …

Bleiben Sie dran …

Ich weiß schon, wenn da plötzlich kein Ton mehr aus dem Radio kommt, dann wandert der Finger fast automatisch zum Apparat. Vielleicht ist auf einem anderen Kanal mehr, besseres zu hören. Vielleicht versäume ich sogar etwas Wichtiges, das auf einer anderen Frequenz gesendet wird.

Bleiben Sie trotzdem dran!

 

Dranbleiben ist ja so etwas wie eine der großen Herausforderungen unserer Zeit. An einer Sache dranzubleiben. Wenn das Angebot so groß ist, so vielfältig, wenn ich am liebsten alles gleichzeitig haben, spüren, erleben möchte. Trotzdem an einer Sache dranzubleiben. Auch wenn die vielleicht nach einiger Zeit nicht mehr so spannend, aufregend ist. Wenn es so viel neueres, spannenderes, aufregenderes gibt.

Bleiben Sie dran!

 

Das ist wohl die zentrale Aufforderung des heutigen Evangeliums. O –Text Jesu an seine Jünger: „Bleibt in mir“. Bleiben. Offenbar eine für die Jünger entscheidende Botschaft, wird sie doch in diesem kurzen Abschnitt der so genannten Abschiedsreden fünf mal leicht variiert wiederholt. Und dazu beteuert Jesus dann noch 3x im selben Abschnitt, dass er, bzw. seine Worte in den Jüngern bleiben, er also auch „dran bleibt“.

Bleibt dran!

 

Jesus unterstreicht diese Aufforderung mit einem im letzten sehr radikalen Bild. Ein Bild, das keinen Ausweg offen lässt. Er, Jesus, ist der Weinstock. Die Jünger sind die Rebzweige an diesem Weinstock. Wenn die Rebzweige wachsen wollen und Weintrauben hervorbringen wollen, müssen sie am Weinstock dran bleiben. Wird diese Verbindung getrennt, wird die Rebe also abgeschnitten, verdorrt sie, stirbt ab und ist zu nichts zu gebrauchen.

Bleibt dran!

Warum ist diese Aufforderung für die Jünger Jesu so wichtig, dass sie Jesus innerhalb kürzester Zeit ihnen fünf Mal einbläuen muss und dazu noch ein Bild verwendet, das ihnen sagt, sie haben eigentlich keine andere Möglichkeit, als in ihm zu bleiben.

 

Eine erste Antwort ergibt sich aus dem größeren Zusammenhang des Johannesevangelium. Wir befinden uns knapp vor der Passion Jesu. Nach der Fußwaschung und der Entlarvung des Judas als Verräter beginnt Jesus im Johannesevangelium eine lange Rede, sie wird oft Abschiedsrede genannt. Nach ihrem Ende verlässt er den Abendmahlssaal und begibt sich in jenen Garten, in dem ihn Judas verraten wird. Der Leidensweg beginnt. Und die Jünger werden sich auf diesem Weg schwer tun. Sie werden davonlaufen, Petrus wird ihn sogar öffentlich verleumden. Angesichts der Ereignisse der Passion ist es für die Jünger fast unmöglich dranzubleiben. Nur einige Frauen und der Jünger, den Jesus liebte, werden bei Johannes unter dem Kreuz Jesu aushalten, werden dranbleiben. Und es wird nach Ostern einige Zeit brauchen, bis die anderen wieder dran sind.

 

Und damit öffnet sich der Blick auf eine zweite Antwort. „Dranzubleiben“ wird so in unserem Evangelium auch der nachösterlichen Kirche eingebläut. Eingebläut für eine Zeit, in der es weiter Verfolgungen geben wird (auch davon erzählen die Abschiedsreden), eingebläut für eine Zeit, in der Jesus nicht mehr in der Form sichtbar unter den Jüngern ist, wie in der Zeit um Ostern. Bleibt dran an mir!

 

Warum eigentlich? Warum eigentlich an ihm dranbleiben? Weil er „er“ ist, oder um den ersten Satz des Evangeliums zu zitieren: weil er, Jesus, der wahre Weinstock ist. Der einzige, der den Reben an ihm Lebenskraft, also Leben geben kann.

 

Und wie geht das, an ihm dranzubleiben? Davon erzähle ich Ihnen kommenden Sonntag mehr, wenn Sie dran bleiben….