Erfüllte Zeit

25. 05. 2006, 7.05 Uhr - 8.00 Uhr, Österreich 1

 

 

 

„Die Erscheinungen des Auferstandenen“ (Markus 16, 15 – 20)

von Pater Gustav Schörghofer SJ

 

 

Der Himmelfahrt Christi ist eine andere Reise vorausgegangen, die Höllenfahrt. Der Abstieg Jesu Christi in die ausweglose Situation menschlicher Existenz.

 

Ignatius von Loyola hat für die von ihm zusammengestellten geistlichen Übungen eine Betrachtung über die Menschwerdung erfunden. Sie beginnt mit einer Beschreibung der Situation, die zu betrachten ist: „wie die drei göttlichen Personen die ganze Fläche oder Rundung der ganzen Welt voller Menschen schauten und wie, da sie sahen, dass alle zur Hölle abstiegen, in ihrer Ewigkeit beschlossen wird, dass die zweite Person Mensch werde, um das Menschengeschlecht zu retten ...“. Das Bild ist faszinierend. Die Erde aus dem Weltall betrachtet, wie von einem Satelliten aus. Und das vor fast 500 Jahren. Ob die Erde eine Scheibe ist oder doch eine Kugel, wird offen gelassen. Eindeutig aber, hart und klar ist die Feststellung, dass alle Menschen dieser Erde zur Hölle fahren. Also genau die umgekehrte Richtung des heutigen Festes der Himmelfahrt.

 

Obwohl es sich auch bei Höllen- und Himmelfahrt um Reisen handelt, glaube ich nicht, dass Sie bei Ihrer Urlaubsplanung jemals an solche Destinationen gedacht haben. Aber es lohnt sich doch, einmal darüber nachzudenken, wohin die Reise geht. Und bei nüchterner Betrachtung der Geschichte muss ich feststellen, dass das Ziel Hölle für die Reisegesellschaft Menschheit mir weit eher einleuchtet als irgendein Himmel. Dazu brauche ich keinen Glauben. Es genügt mir anzuschauen, wie Menschen miteinander und mit der Natur umgehen, wie sie auf den eigenen Vorteil bedacht einander Gewalt antun, erniedrigen, ausbeuten und betrügen. Ich würde sagen, dass die Sicht der drei göttlichen Personen sehr realistisch ist. Der Zug geht nach unten, nicht nach oben. Die Schwerkraft siegt.

 

Die Frage ist nun: Wie kommt es zur Schubumkehr? Wie wird aus der Höllenfahrt eine Himmelfahrt?

Das ist die Frage des heutigen Festes. In der Betrachtung des Ignatius und im heutigen Evangelium findet sich auch schon eine Antwort. Gar so kompliziert ist es nicht. Wenn Sie jetzt allerdings denken: Das interessiert mich nicht – oder: Gar so schlimm wird es schon nicht sein, was gehen mich die anderen an – wenn Sie so oder so ähnlich denken, dann haben Sie auch schon eine Antwort gegeben. Dann wird sich gar nichts ändern.

 

Wie aber kann sich etwas ändern? Wie kommt es zur Schubumkehr? Der springende Punkt dabei ist, ob mich interessiert, was mit den anderen geschieht. Ob ich mich vom Leben, vom Glück und Leid der anderen berühren lasse. Die großartige Einsicht des Ignatius ist, dass Gott das Schicksal der Menschen nicht gleichgültig ist. Die ganze Bibel hallt wider von diesem Interesse Gottes an den Menschen. Interesse ist ein viel zu schwacher Ausdruck: Von der Leidenschaft Gottes für die Menschen. Diese Leidenschaft Gottes für den Menschen geht so weit, dass Gott schließlich selber Mensch wird, damit der Mensch Gott gleich werden kann. Wie der Vater den Sohn in die Welt sendet, so sendet auch Jesus seine Jüngerinnen und Jünger in die Welt. Die Kraft dieser Sendung wirkt auch heute fort. Kinder, Frauen und Männer lassen sich von ihr ergreifen. Gemeinsam ist ihnen allen, dass ihnen ihre Mitmenschen nicht gleichgültig sind. Dass sie Anteil nehmen an dem, was andere erfreut und was sie erleiden. Dass sie Anteil nehmen am Weg der anderen, an dem, was aus ihnen werden kann. Die Anteilnahme am Schicksal der anderen macht uns Gott gleich.

 

Schauen Sie doch auf Ihr eigenes Leben. Haben nicht auch Sie die Anteilnahme anderer erfahren? Und Sie selber nehmen doch auch sicher Anteil am Leben anderer? Sie können doch sicher nicht sagen, es sei Ihnen gleichgültig, was mit denen geschieht. Es sind also die anderen, die in mir etwas wachrufen: Anteilnahme, Aufmerksamkeit, Mitgefühl.

 

Aus all dem wächst die Bereitschaft, mich um die anderen zu bemühen, ihnen etwas von dem mitzuteilen, was mein Leben trägt, meinen Glauben, meine Hoffnung, meine Liebe. Und sehen Sie: So kommt es zur Schubumkehr. Es trägt uns schon nach oben. Wir dürfen nur nicht nachlassen in der Aufmerksamkeit füreinander. Denn in die Hölle kann ich auch alleine kommen, in den Himmel aber nur gemeinsam mit den anderen.