Erfüllte Zeit

23. 07. 2006, 7.05 Uhr - 8.00 Uhr, Österreich 1

 

 

„Die Rückkehr der Jünger“ (Markus 6, 30 – 34)

von Veronica Schwed

 

Am vergangenen Sonntag wurde in den Kirchen die Aussendung der 12 Jünger durch Jesus verkündet. Ausgestattet mit der Vollmacht, die ihnen Jesus gegeben hatte, machten sich die Zwölf auf den Weg und riefen Menschen zur Umkehr auf.

 

Im heutigen Evangelium heißt es, die Apostel versammelten sich wieder bei Jesus. Jetzt schon? Alle? Zur gleichen Zeit? War das nur eine „Probemission“?

Ich meine, dass diese – doch unerwartet frühe – Rückkehr der Apostel eine erste wesentliche Grundhaltung zeigt: Die Sendung der Kirche darf nicht ins Leere gehen. Sie muss immer rückgebunden an Jesus Christus sein. Das gilt sowohl für alle Vergeblichkeit als auch für allen Erfolg, den die Jünger und die Kirche auf ihrem weiteren Weg erleben.

 

Einen zweiten Wesenszug christlichen Wirkens spricht Jesus selbst an: „Kommt mit an einen einsamen Ort, wo wir alleine sind und ruht ein wenig aus.“ Sie fanden nämlich nicht einmal mehr Zeit zum Essen, weil ständig Menschen um sie waren und etwas von ihnen wollten.

Seelsorge, Verkündigung, Katechese kann sehr belastend sein, wenn ein Mensch nur mehr hergibt, ohne darauf zu achten, dass „der eigene Brunnen wieder nachgefüllt wird“. Der Rückzug in die Einsamkeit, Zeit für Stille, Inneres Auftanken sind für jene, die die Botschaft Jesu glaubhaft verkünden wollen, unentbehrlich.

 

Modern ausgedrückt bedeutet das: Nur ein gesunder Umgang mit dem eigenen Energiehaushalt kann davor bewahren, sich zu verausgaben und schließlich am so genannten „Burn out“ zu leiden.

Jesus fährt also mit den Aposteln in einem Boot weg, um alleine zu sein. Die Menschen, die sie abfahren sehen, laufen aus allen Richtungen voraus. Sie kommen vor Jesus an, erwarten ihn voll Sehnsucht. Jesus hat Mitleid mit den vielen, die ihn voller Hoffnung erwarten, „denn sie waren wie Schafe, die keinen Hirten hatten.“

 

Hier greift Jesus ein Bild aus dem Alten Testament auf, denn im Buch Numeri heißt es: „Die Gemeinde des Herrn soll nicht sein wie Schafe, die keinen Hirten haben.“

 

Und in der ersten Lesung dieses Sonntags aus dem Buch Jeremia ist Gott selbst als oberster Hirte dargestellt, der die verstreuten Schafe sammelt und Hirten für sie bestellt.  Jesus ist dieser Spross Davids, den Gott zu erwecken verheißen hat und der im Land für Recht und Gerechtigkeit sorgt.

Dieser Vergleich „denn sie waren wie Schafe, die keinen Hirten hatten“ trifft auch heute für viele zu. Sie sind hirtenlos, orientierungslos, ohne gute Begleitung.

 

Es gibt zu viele „Gurus“, denen Menschen unreflektiert nachlaufen, Scharlatane, die Wissen vortäuschen, das sie nicht haben, die mit esoterischem Glimmer locken und das Heil in Steinen, Düften, Mondphasen oder Sternen versprechen.

Bitte verstehen Sie mich nicht falsch: Ich bin ein sehr naturverbundener Mensch, halte viel von der Heilkraft von Kräutern und bin davon überzeugt, dass es Orte mit besonderer Kraft gibt. Aber das Heil ist das Wort Gottes, ist Jesus Christus.

 

Auf dem Glaubensweg brauche ich Menschen, Hirten und Hirtinnen, die mich begleiten. Seelsorger und Seelsorgerinnen im guten Sinn des Wortes. Ich brauche jemanden, der mich wirklich gut kennt, mit dem ich sehr persönliche Dinge besprechen kann, der Probleme anspricht, auch wenn es unbequem ist, ein Mensch, der auch Ansprüche stellen darf und soll, der „die Latte nicht zu tief legt“, der immer wieder Anstöße gibt, mich motiviert und da ist, wenn es nötig ist.

 

Solch gute Begleitung im Glaubensleben ist mir sehr kostbar. Ich lerne dadurch Jesus Christus in seinem Wort besser kennen und verstehen, kann mich immer wieder neu ausrichten und werde ermutigt, mich dort mehr zu bemühen, wo es nötig ist.

 

Diese Begleitung ist allerdings nicht nur Aufgabe eines Priesters, sondern kann und soll ebenso die Aufgabe der Mutter und des Vaters, eines Freundes oder einer Freundin oder auch eines Lehrers und einer Lehrerin sein. Jeder und jede Getaufte soll so für andere da sein.

Dieses heutige Evangelium kann ein Anstoß für den eigenen Glaubensweg sein:

 

Es macht deutlich, dass jede Verkündigung in Jesus Christus rückgebunden sein muss, es ermutigt, Einsamkeit und Stille zu suchen, es regt an zu überdenken, wem man folgt und es fordert auf, Jesu Lehre anzunehmen.