Erfüllte Zeit

23. 07. 2006, 7.05 Uhr - 8.00 Uhr, Österreich 1

 

 

„Die wunderbare Speisung einer Volksmenge am See von Tiberias“

(Johannes 6, 1 – 15)

 

von Veronica Schwed

 

Wenn ich mir das Szenario dieses Brotwunders vorstelle, bin ich beeindruckt:

Tausende Menschen auf einer grünen Wiese umringen Jesus. Er spürt ihre Sehnsucht, gibt ihnen nach, sättigt sie alle. Es ist, als würde Er diese Menschen schon an dem teilhaben lassen, was Er als „Leben in Fülle“ verheißt. Dieses Geschenkwunder verweist darauf, wer Jesus ist, es scheint das Geheimnis um Ihn zu enthüllen. Es wird hier das Mysterium spürbar, dass Jesus wahrer Gott und wahrer Mensch zugleich ist.

Das wollte der Evangelist Johannes seinen Lesern und Leserinnen nahe bringen.

Doch trotz dieses beeindruckenden Wunders kommt Jesu Sendung, seine Absicht nicht an. Dem wundersüchtigen Volk geht es allein um das Brot, um die Nahrung: Einen Brotkönig will es haben, der alle irdischen Probleme löst. Doch diesem Anspruch entzieht sich Jesus: Das will Er nicht sein. Ein verschwenderisches Wunder wird vergeblich gewirkt.

Sehe ich nur das Brotwunder, das einmal passiert ist, so staune ich zwar, doch es wird mein Leben nicht in der Tiefe berühren.

Das ist die große Schwierigkeit für mich, wenn ich mich mit diesem biblischen Text beschäftige. Es stellt sich mir die Frage, was Jesus mit diesem Wunder wollte.

Wäre es ihm nur um die Sättigung gegangen, hätte er die Menschen ja in die umliegenden Gasthäuser und Tavernen schicken können. Es ist ihm aber sichtlich um mehr gegangen.

 

Um diesen Text zu verstehen, möchte ich einen Rückblick auf den vorigen Sonntag machen. Da hat es in den letzten beiden Versen des Evangeliums geheißen: „Als er ausstieg und die vielen Menschen sah, hatte er Mitleid mit ihnen; denn sie waren wie Schafe, die keinen Hirten haben. Und er lehrte sie lange.“

Ich meine, die eigentliche Sättigung ist bereits hier geschehen! Es geht hier nicht um leibliches satt Werden!

Jesus wollte vielmehr zeigen, dass Er das Brot des Lebens ist!

Das eigentliche Brot, von dem wir Menschen leben, ist Sein Wort, ist Er, das Menschgewordene Wort Gottes!

Jesus selbst antwortet dem Teufel, der Ihn in der Wüste in Versuchung führen möchte und der Ihn dazu bringen will, Steine in Brot zu verwandeln: „In der Schrift heißt es: Nicht vom Brot allein lebt der Mensch, sondern von jedem Wort, das aus dem Munde Gottes kommt.“ (Dtn 8,3, Mt 4,4)

Darum geht es. Um das Leben aus Gottes Wort.

In diesem Evangelium wird das deutlich, was das II. Vatikanische Konzil in der Liturgiekonstitution ausgedrückt hat, wo es vom “Tisch des Herrrenleibes“ (Nr. 48) und dem „Tisch des Gotteswortes“ (Nr. 51) spricht.

Jesus, das Menschgewordene Wort Gottes, gibt sich selbst in seinem Leib und Blut ganz hin.

Obwohl im heutigen Evangelientext ein Brechen des Brotes nicht ausdrücklich erwähnt wird, ist das Verb „eucharistäsas“ im griechischen Originaltext doch als Anspielung auf die Eucharistie zu verstehen.

Jesus spricht das Dankgebet, Er allein teilt – ohne Mithilfe der Jünger – an alle aus, soviel sie wollen.

 

Die Apostel sammeln dann die übrig gebliebenen Essensreste ein, das, was Jesus zuerst ausgegeben hat, um dann selbst wieder austeilen zu können. Für jeden von ihnen bleibt ein ganzer Korb über. So können sie weitergeben, was sie von Jesus empfangen haben.

Hier wird wieder die Rückbindung an Jesus Christus deutlich, ohne die Verkündigung nicht möglich ist, wie ja bereits der vergangene Sonntag gezeigt hat.

Das heutige Evangelium fordert dazu auf, nicht wie die wundersüchtige Menge nach einem Brotkönig zu rufen, der alle meine Probleme löst, sondern aus Jesu Wort und aus der Kraft der Eucharistie mein Leben zu gestalten. Es ermutigt dazu, das Wort Gottes bewusst zu hören und anzunehmen, es wirklich zur Nahrung werden zu lassen, aus der ich leben kann und meine Verbundenheit mit Jesus Christus in der Eucharistie als unbegreifliches Geschenk anzunehmen.