Erfüllte Zeit

15. 08. 2006, 7.05 Uhr - 8.00 Uhr, Österreich 1

 

 

 

„Der Besuch Marias bei Elisabet“ (Lukas 1, 39 – 56)

von P. Maximilian Hofinger OSFS

 

 

Eine Volksseuche unserer Zeit ist die Unzufriedenheit. Dabei geht es uns objektiv gut. Wir sind finanziell und medizinisch abgesichert, leben im Frieden in einem gewissen Wohlstand, sind gesund, können uns Feiertage und vielleicht auch einen Urlaub leisten. Und dennoch sind wir unzufrieden.

Ganz anders macht es da  Maria. Sie wird von Elisabeth begrüßt: „Gesegnet bist du mehr als alle anderen Frauen, und gesegnet ist die Frucht deines Leibes. Wer bin ich, dass die Mutter meines Herrn zu mir kommt?“  Maria antwortet in ihrem Jubel mit dem Gebet, das wir Magnifikat nennen. Maria zeigt ein ganz anderes Lebensgefühl, das gerade Gegenteil von Unzufriedenheit: „Hoch preiset meine Seele den Herrn, und meine Geist jubelt über Gott, meinen Retter. In Gnaden hat er geschaut auf die Niedrigkeit seiner Magd. Von nun an preisen mich selig alle Geschlechter.“

 

Marias Lebensgefühl ist nicht Stolz, es ist Hochgemutheit. Stolz lebt davon, andere herabzusetzen: Der Pharisäer betet: „Mein Gott, ich danke dir, dass ich nicht bin wie dieser Zöllner da!“ Das ist Stolz. Maria weiß sich reich beschenkt, in Gnade, ohne ihr Verdienst.

 

Wir feiern heute die leibliche Aufnahme Mariens in den Himmel. Diesem Geheimnis sind viele Kirchen in unserer Heimat geweiht, vor allem alle Kirchen der Zisterzienser. Wir denken an die Krönung Mariens zur Himmelskönigin. Sie weiß sich als niedere Magd hoch erhoben. Sie weiß sich mit Gnaden überhäuft. Sie freut sich, wie sehr Gott sie beschenkt hat: Sie wird Mutter seines Sohnes.

 

Wir brauchen Maria nicht zu beneiden. „Warum wurde sie so begnadet und nicht ich?“ So zu denken wäre kurzsichtig. Sie wurde ja Mutter Gottes für alle Menschen. Am Kreuz hat schließlich Jesus im Blick auf Johannes zu ihr gesagt:  „Siehe da deinen Sohn!“ und zu Johannes, „Siehe da, deine Mutter!“ Johannes steht hier für uns alle und so will ja Maria uns allen nahe sein.  Maria ist nicht stolz, sondern hochgemut. Sie weiß, dass von nun an alle Menschen sie selig preisen werden. Sie weiß aber genau, dass das nicht ihr Verdienst ist, sondern Geschenk Gottes.

 

Mein Ordensstifter, der Hl. Franz von Sales, empfiehlt auch uns, immer wieder die besonderen Vorzüge dankbar zu sehen, die uns Gott gegeben hat. Manche haben dann Angst, sie würden dadurch stolz. Der demütige Mensch weiß genau, wie viel er geschenkt bekommen hat und wie viel sein Verdienst ist. Aber es wäre Undankbarkeit, die großen Gaben nicht zu erkennen. Maria hat uns da ein leuchtendes Beispiel gegeben. Sie sagte: „Siehe ich bin die Magd des Herrn, mir geschehe nach deinem Wort!“ Sie fühlte sich also als Magd und Dienerin des Willens Gottes, aber sie wusste auch, „von nun an werden mich selig preisen alle Geschlechter.“ Für uns, liebe Zuhörer, ist dieses Festgeheimnis ein Weg zur Freude am Glauben. Gott wirkt unter den Menschen . Er will unser Glück, er will, dass wir das Leben haben und es in Fülle haben. Maria hat dieses Ziel erreicht. Darum ist es nur billig und recht, sie am heutigen Tag als Königin des Himmels zu verehren.

 

Ich kann nur wiederholen: Wer unzufrieden ist, hat Christus noch nicht entdeckt. Er ist ein Gott, der dankbar macht. Der Christ weiß sich reich beschenkt. Der Begnadete kann mit Maria ausrufen: Hoch preiset meine Seele den Herrn!