Erfüllte Zeit

03. 09. 2006, 7.05 Uhr - 8.00 Uhr, Österreich 1

 

 

 

„Von Reinheit und Unreinheit“  (Markus 7, 1 - 8. 14f. 21 – 23)

von Regens Anton Leichtfried

 

 

Ein schwerer Vorwurf, den Jesus an die Frommen seiner Zeit erhebt, die Pharisäer, die es wirklich ernst genommen haben mit dem religiösen Leben: „Sie ehren mich mit den Lippen, ihr Herz aber ist weit weg von mir!“. Warum legt sich Jesus gerade mit denen an, die doch seine wichtigsten Verbündeten sein könnten?

 

Glauben heißt nicht nur gewisse religiöse Rituale zu befolgen, sondern betrifft das ganze Leben. Gott interessiert sich nicht nur für „den frommen Teil“ meines Lebens, sondern für mein ganzes Leben, so wie ich tatsächlich lebe, denke, fühle, streite, lache, weine. Von 0-24 Uhr. Gott möchte es wirklich mit mir zu tun bekommen.

 

Jesus kritisiert die Überbetonung von Äußerlichkeiten. Reinheit ist nicht nur eine Frage von Waschungen, sondern betrifft das gesamte Leben, Herz und Hände. „Herz“ meint in biblischer Sprache übrigens nicht nur das emotionale Zentrum des Menschen, sondern insgesamt die Personmitte, die Mitte meines Lebens.

 

Wir könnten uns jetzt leicht über die Frommen jener Zeit erheben: Wie kann man nur so kleinkariert sein?! etc. – Aber leben nicht gerade wir in einer Zeit, die Äußerlichkeiten überbetont? Übertriebener Köperkult, Fitness, Mode, äußerliche Attraktivität als das wichtigste im Leben? Wie viel Zeit verwenden für die Schönheit unseres Herzens, unserer Seele?

 

„Selig, die ein reines Herz haben.“ Die sind wirklich ein Segen für ihre Umgebung. Danken wir Gott für solche Menschen. Auch ich kenne Menschen, bei denen ich das Gefühl habe, ich schaue ihnen direkt in das Herz hinein – und das ist ohne Falsch und Hinterlist.

 

Im Normalfall haben wir aber nicht so selbstverständlich und immer und überall ein reines Herz. Aber wie gesagt: Gott möchte es mit mir zu tun haben, so wie ich eben tatsächlich bin. Vor Gott kann ich mein Herz ausschütten, wie es heute gerade ist: teils verhärtet, teils weich, rein und unrein, verwundet und verheilt, schwach und stark. Im Hymnus des Stundengebetes beten wir jeden Mittwoch: „Blick tief in unser Herz hinein; sieh unser ganzes Leben an, noch manches Arge liegt in uns, was nur dein Licht erhellen kann.“

 

Jesus geht es nicht um den Rückzug in die bloße Innerlichkeit des Herzens, sondern um das rechte Zueinander von Innen und Außen. Unser Verhalten, unser Tun und Lassen, Agieren und Reagieren wächst ja auf einem gewissen Nährboden, hat Wurzeln in unserem Inneren. Bitten wir heute Gott um ein Herz, das mit den Weinenden weinen und mit den Lachenden lachen kann; um ein gutes Herz, das sich über das Gute und Schöne in unserer Umgebung ehrlich mitfreut, um Fantasie für gute Worte und Taten. Selig, die ein reines Herz haben.