Erfüllte Zeit

17. 09. 2006, 7.05 Uhr - 8.00 Uhr, Österreich 1

 

 

 

„Wer sein Leben retten will, wird es verlieren – Das Messiasbekenntnis des Petrus“ (Markus 8, 27 – 35)

von Elisabeth Rathgeb

 

 

"Wer sein Leben retten will, wird es verlieren; wer aber sein Leben um meinetwillen und um des Evangeliums willen verliert, wird es retten."

 

Dieser Satz ist sperrig. Dieser Satz hat Widerhaken. Er fordert heraus. Ehrlich gesagt, habe ich mit diesem Satz noch immer ein Problem: Auch, wenn er schon lange vertraut ist - er schleift sich nicht ab. Er verliert nichts von seinen Ecken und Kanten. Denn wer will sein Leben nicht retten, ohne dass er es zuerst verlieren muss?

 

"Es gibt keine Probleme, nur Geschenke", soll Mutter Teresa einmal gesagt haben. Ich finde das Geschenk in diesem Satz nicht, es versteckt sich zu gut. Aber ich bin ja auch keine Heilige und - das tröstet mich nun doch - Petrus ist es auch nicht anders ergangen.

 

Während ich an diesem Satz des heutigen Sonntagsevangeliums kaue, heize ich den Kachelofen ein. Das Holz liegt kreuzweise, unten kleine Äste, die großen Scheiter oben. Die Kleinen fangen schnell Feuer, aber die Großen wollen heute partout nicht brennen. Immer wieder geht das Feuer aus. Ich lege kleine nach. Endlich gelingt es ihnen, auch die Großen anzuzünden. Schnell wird aus dem trockenen Holz strahlende Wärme. Das widerspenstige großklobige Holz bringt mich auf einen Gedanken: Vielleicht hat Jesus deshalb nicht auf die Großen seiner Zeit gesetzt? Er hat als seine Jünger die Kleinen ausgewählt - nicht die Mächtigen und Einflussreichen, sondern arme Fischer. Die Kleinen waren Feuer und Flamme, sie haben alles hinter sich gelassen, um ihm zu folgen.

 

"Die Kirche braucht burning persons", habe ich neulich von einem führenden Unternehmensberater gelesen. Burning persons - brennende Personen. Ein gewagtes Wort. Meine erste Assoziation ist "Scheiterhaufen", und davon haben wir im Lauf der Geschichte ja wahrlich genug gehabt. Aber Menschen, die im übertragenen Sinn für die Botschaft Jesu Feuer und Flamme sind, damit kann ich mich anfreunden. Noch lieber ist mir die Stelle aus dem Emmaus-Evangelium, als die Jünger nach ihrer Begegnung mit dem Auferstandenen fragten: Brannte uns nicht das Herz? Menschen, die Feuer und Flamme sind für die Botschaft Jesu: Ich kenne sie auch heute noch. Wenn ihre Begeisterung nicht in Fanatismus umschlägt oder in einem Strohfeuer verpufft, verändern sie sich und verwandeln ihre Umgebung: Sie bringen Wärme in die Kälte. Sie machen das Dunkel hell.

 

Jesus hat nicht auf die Großen seiner Zeit gesetzt. Vielleicht waren ihnen ihr Reichtum, ihre Macht im Weg - zu groß die Angst und das Risiko, alles zu verlieren, wenn sie sich auf seine Botschaft einlassen: Wer mein Jünger sein will, der verleugne sich selbst und folge mir nach. Wer sein Leben retten will, wird es verlieren.

 

Jesus hat auf Petrus gesetzt, den Fischer, den er zum Felsen macht, auf den er seine Kirche bauen will. Petrus ist der erste unter den Jüngern, der Jesu wahre Identität erkennt: Du bist der Messias! Aber sein Bild von Jesus als Messias ist noch sehr verschwommen. Zu sehr prägen seine eigenen Wunschvorstellungen und die seiner Zeit das, was er sehen will und kann: Petrus sieht in Jesus zuerst den mächtigen Herrscher, den politischen Führer. Er will nichts wissen von einem Messias als „Menschensohn", der einen Prozess verlieren und einen Tod voller Schande am Kreuz sterben soll. Dieses Bild passt nicht in sein Konzept. Es widerspricht seinen Hoffnungen auf Erfolg, Aufstieg und Macht. Petrus, der Hoffnungsträger, ist zugleich einer, der Jesus immer wieder verleugnet: Er macht ihm jetzt Vorwürfe und wird später gleich dreimal behaupten, ihn nicht zu kennen. Petrus ringt um sein Verständnis, sein Bild von Jesus - und es ergeht ihm, wie es sicher vielen von uns ergeht: Seine Wünsche, seine Projektionen stehen ihm im Weg. Für wen haltet ihr mich? Aber Jesus korrigiert ihn - wütend, geduldig, verzeihend, tatkräftig - bis Petrus seine Zerrbilder von Gott loslassen und scharf und deutlich erkennen kann: Dieser Messias ist kein Gott der Einflussreichen und Mächtigen. Dieser Messias ist ein Gott der Solidarität mit den Leidenden, Ausgegrenzten, Armen und Ohnmächtigen. Deshalb heißt Nachfolge Jesu auch Solidarität mit allen Menschen in Not und mit den eigenen Schattenseiten und Lasten: Wer mir nachfolgen will, der nehme sein Kreuz auf sich.

 

Dann erst kann die rettende Botschaft der Auferstehung ihren Klang entfalten: Seinen Tod verkünden wir und seine Auferstehung preisen wir. Beides gehört untrennbar zusammen.