Erfüllte Zeit

19. 11. 2006, 7.05 Uhr - 8.00 Uhr, Österreich 1

 

„Vom Kommen des Menschensohnes“ (Markus 13, 24 – 32)

von Sr. Beatrix Mayrhofer

 

Es ist zu einem großen Lacherfolg geworden, unser Lied vom Ende der Welt.

 

Bei einem internationalen Treffen von Schulschwestern haben die Schwestern aus der deutschen Sprachgruppe die Liturgie gestaltet und mit viel Rücksicht auf die Schwestern aus Nordamerika Lieder ausgesucht, von denen sie meinten, da könnten alle mitsingen.

 

Und so wurde der Gottesdienst eröffnet mit: „Ja, wenn der Herr einst wieder kommt!“ wahrscheinlich kennen Sie dieses Lied, das ursprünglich ein Spiritual war und von der Sehnsucht der Menschen singt, dabei zu sein, wenn er wiederkommt. Aber unsere Schwestern aus den Südstaaten der USA denken bei diesem Lied nicht an den Einzug der Heiligen, nein, sie denken an den Aufmarsch ihrer Football-Mannschaft, an die Saints aus New Orleans, die ins Stadion einmarschieren. Und unsere Mitschwestern haben gelacht und gelacht eine ganze Liturgie lang.

 

„We almost rolled out of the chapel“ wie es eine formuliert hat, was auf gut wienerisch vielleicht heißt: „Wir zerkugelten uns“. Dieses Lied „Oh when the Saints go marchin’in“ ist für unsere Schulschwestern aus Texas in der Tat so etwas wie „a national domain“ – ein Melodie, die ganz eindeutig vom Sport besetzt ist, auch jetzt noch, nachdem der Wirbelsturm Katrina 2005 New Orleans grausam zerstört und eine  Endzeitstimmung hat aufkommen lassen.

 

Mit Begeisterung für den Sport kann man auch in den Trümmern einer Stadt die Gedanken an einen Weltuntergang wieder vertreiben. Der Begeisterung für die Wissenschaft und ihren Erfolgen gelingt es ja nicht mehr, Endzeitstimmung zu vertreiben. Im Gegenteil. Immer mehr Menschen denken darüber nach, ob wir nicht selber gerade dabei sind, die Sonne zu verfinstern durch die Rauchwolken unsere Kriege und das Gift der zerstörten Umwelt, ob wir nicht doch die Gewalt über selbsterzeugte Himmelskörper verlieren und uns auf den Kopf fällt, was irgendwo irgendwer in das All geschossen hat.

 

Von der „Apokalypse now“ redet ja nicht nur der Titel eines bekannten Films über den Vietnamkrieg. Meine Suchmaschine findet zum Stichwort Apokalypse in 0,4 Sekunden 25 Millionen Einträge! Das Lied vom Ende der Welt singen schon viele – und es ist ihnen dabei nicht zum Lachen zumute.

 

Die Christengemeinde, für die Markus sein Evangelium schrieb, hatte in den ersten Jahrzehnten ihres Bestehens auch viele Gründe, ein Ende der Welt zu erwarten. Im jüdischen Krieg wurde der Versuch eines Aufstandes gegen die römische Herrschaft grausam niedergeschlagen, der Tempel in Jerusalem im Jahr 70 zerstört und die Bewohner des Landes brutal vertrieben.

 

Diese große Not, so berichtet Markus, nennt Jesus nur den Vorboten des ganz großen Umsturzes, wenn sich die Sonne verfinstern und der Mond nicht mehr scheinen wird, wenn die Sterne herunterfallen und die Kräfte des Himmels erschüttert werden.

 

Unzählige Versuche hat es seither gegeben, den Tag und die Stunde zu berechnen, wann dies geschehen wird. Aber diesen Tag weiß niemand, auch nicht die Engel im Himmel. Aber worauf es ankommt, das wissen wir, das sagt uns genau diese apokalyptische Stelle des heutigen Evangeliums.

 

Die Apokalypse in der Heiligen Schrift – auch diese Stelle bei Markus – ist ja keine science fiction, auch keine lustvolle Beschreibung von totaler Zerstörung. Es ist ein prophetisches Trostwort. Es ist keine Ansage über das Weltende, es ist die Zusage von Gottes liebender Treue.

 

Das ist die große, die tröstende Verheißung Jesu: die Auserwählten, die an sein Wort glauben, die werden gesammelt werden, zusammengeführt von allen Enden der Erde. Wenn alle irdischen Kräfte zusammenstürzen, wenn es kein Oben und Unten mehr geben wird, nichts, woran man sich anhalten kann, dann wird die Gemeinschaft derer gebildet, die sich an das Wort Gottes halten und ihm mehr vertrauen als allen weltlichen Machtworten.

 

Mit dem Lied aus den Zeiten der Unterdrückung bitten wir: „Lass mich auch dabei sein“ und mit den Betern wissen wir es schon seit 2500 Jahren: Es wird eine Zeit kommen, da werden wir alle einstimmen in den Jubel des Psalms 126 wo es heißt: „Als der Herr das Los der Gefangenschaft Zions wendete, da waren wir alle wie Träumende. Da war unsere Zunge voll Jubel und unser Mund voller Lachen!“ (Ps 126,1f)