Erfüllte Zeit

26. 11. 2006, 7.05 Uhr - 8.00 Uhr, Österreich 1

 

 

 

„Das Verhör durch Pilatus“ (Johannes 18, 33b – 37)

von Pfarrer Hans-Peter Premur

 

 

Als Pfarrer von Krumpendorf am Wörthersee habe ich eine Christ-König-Kirche als Pfarrkirche. Heute werden wir also unser Patrozinium feiern, unseren Namenstag. Immer am letzten Sonntag im Jahreskreis, dem Christ-König-Sonntag, schauen wir beim Gottesdienst auf unser Standkreuz vorm Altar. Der Kärntner Künstler Heinz Goll hat in Messing einen gekreuzigten aber gekrönten Christus in eine Platte gegossen. Die Vorderseite zeigt also nicht den leidenden, sondern wie ansonsten in der Romanik üblich, den herrschenden Christustyp. Heinz Goll hat durch seine Affinität zu Südamerika eine eigene Formensprache gefunden, die an die Inka- oder Maya-Traditionen anknüpft. Beim Schauen auf diesen gekrönten Gekreuzigten ist man deshalb unwillkürlich in eine entrückte, archaische Welt versetzt. Das kleine Kreuz misst ca. 30cm und ist an einer hochpolierten Nirostastange montiert. Wenn ein Betrachter davor steht, schaut einem Christus als Inka-König direkt ins Gesicht. Doch das wahre Geheimnis dieses Königskreuzes offenbart sich erst, wenn man es umschreitet. Die Rückseite ist in großen Lettern auf Quer- und Vertikalbalken beschriftet. Das Wort Liebe ist in die Länge des Querbalkens gezogen, doch vertikal wird es vom Wort Leben durchbrochen. Im Buchstaben E kreuzen sich diese fundamentalen Worte und geben ein Geheimnis preis. Nur wenn Leben von Liebe durchkreuzt wird und umgekehrt, dann kann man vom königlichen Weg des Christentums sprechen.

 

In unserem heutigen Evangelium wird Jesus vom Römer Pilatus gefragt, ob er denn ein König sei. Es schaut auf den ersten Blick so aus, als ob Jesus keine rechte Antwort geben wollte. Als ob das Wort König zu sehr belastet sei mit materiellen, kriegerischen und politischen Assoziationen. Würde er ein normaler König sein, würde er mit Waffen kämpfen, um sich zu retten. Doch seine Waffe ist scheinbar überirdisch, nicht von dieser Welt. Seine Waffe heißt Wahrheit. Er ist dazu in die Welt gekommen, dass er für die Wahrheit Zeugnis ablege, heißt es in unserem Text. Und jeder, der aus der Wahrheit ist, versteht, worum es geht. Unwillkürlich kommt in mir die Erinnerung an Mahatma Gandhi in den Sinn, der sein politisches Programm mit dem Wort Wahrhaftigkeit überschrieben hat. Satja Graha, auf Sanskrit, das Ergreifen der Wahrheit, bedeutet, sein Leben aus allen Lügen heraus zu ziehen. Keine Angst vor den Menschen zu haben, seinen Idealen nach zu gehen, auch wenn es oft irreal ausschaut und darauf vertrauen, dass es viele Brüder und Schwestern gibt, die Ähnliches empfinden. Gandhi hat mit diesem spirituellen Programm eine politische Wende herbeigeführt und für Indien damit beweisen, dass sich sowohl Vertikales und Horizontales, Spirituelles und Politisches verbinden lässt. Auch Gandhis Königtum war nicht ganz von dieser Welt und hatte dennoch so einen großen Effekt auf das Zusammenleben von vielen Menschen. Obwohl ihm der irdische Erfolg nur in Bruchstücken zu Teil wurde, hat er dennoch eine geistige Welt hinterlassen, die sich gegen alle großen Lebenslügen stellt.

 

Heinz Goll, der Kärntner Künstler aus Südamerika, mag dies erkannt und gespürt haben. Der königliche Weg ist der Weg der Wahrheit, der Wahrhaftigkeit und kann nicht im Jenseits, sondern nur im Diesseits gegangen werden. Obwohl der Weg ein königlicher ist, ist es ein Kreuzweg. Ein Weg, wo das Leben von der Liebe durchkreuzt wird. Wo dies geschieht, muss Wahrheit gegenwärtig sein, eine Wahrheit, die nicht von dieser Welt ist, weil die Welt nicht so bleiben kann, wie sie ist. Sie muss verwandelt, geadelt und gekrönt werden. Der königliche Weg beginnt dann, wenn alles Leben von echter Liebe durchkreuzt wird. Ich wünsche Ihnen einen schönen Christ-König-Sonntag.