Erfüllte Zeit

03. 12. 2006, 7.05 Uhr - 8.00 Uhr, Österreich 1

 

 

 

„Mahnungen im Hinblick auf das Ende“ (Lukas 21, 25 – 28. 34 – 36)

von Pfarrer Hans-Peter Premur

 

 

Wir alle wissen zwar, dass der Sonntag der erste Tag der Woche ist, dennoch sprechen wir immer von Wochenenden. Heute am 1. Adventsonntag wird uns aber klar, dass wir Christen die Woche wirklich mit dem Sonntag beginnen. Der erste Tag im neuen Kirchenjahr ist auch der erste Tag im Advent. Und den beginnen wir gleich mit einem Feiertag. Eigentlich ist der Advent eine kleine Fastenzeit und deshalb mahnen uns das Evangelium und alle Texte der Liturgie zur Besinnung: „Nehmt euch in Acht, dass Rausch und Trunkenheit und die Alltagssorgen euch nicht verwirren“, heißt es heute. Dieses Wort trifft mitten in die Einkaufszeit, wo Adventpunsch und Glitzergeschäfte unseren Geist benebeln, all zu leicht auf taube Ohren. Deshalb sind die verwendeten Worte des Lukas-Evangeliums, mit dem wir jetzt ein ganzes Jahr bis zum nächsten Christ-Königs-Sonntag unterwegs sein werden, äußerst drastisch. Vom Ende der Welt ist da die Rede, vom Auseinanderfallen des Schöpfungsgefüges, von kosmischen Katastrophen. Ja, so etwas kann Angst machen und hat zu allen Zeiten seine Wirksamkeit auch nicht verfehlt. Dennoch war es keiner Generation vor uns – ironisch gesprochen - vergönnt, diese apokalyptischen Aussagen auch real ernst nehmen zu können. War die Lehre vom Ende der Zeit einmal Grundbestandteil der christlichen Predigt, so traut man sich seit einigen Jahrzehnten diese Dimension nicht mehr richtig anzusprechen. Grund dafür ist vielleicht auch die steigende Erkenntnis, dass das Ende der Welt nicht ein Naturereignis, sondern ein von Menschen herbeigeführtes sein kann. Wir haben derzeit so viele Waffen auf der Welt, dass wir mehrmals unsere Erde zerbomben könnten. Wir haben durch Energiebedarf so viele kritische Industrien errichtet, dass unser Klima, das für alle Bereiche lebensnotwendig ist, schwer ins Wanken geraten ist.

 

Wenn jemand wollte, könnte er heute das eben gehörte Evangelium mit realen Bildern ausfüllen und den Menschen dabei Angst machen. Doch Angst ist nicht das Ziel unseres Textes. Es heißt hier: „Wenn all das beginnt, dann richtet euch auf und erhebt eure Häupter, denn eure Erlösung ist nahe“. Wir warten deshalb im Advent nicht auf das liebliche Christuskind in der Krippe, noch auf das katastrophale zu Grunde gehen der Welt, wir warten darauf, dass uns die Erlösung neu aufgeht und aufs Neue uns die Nähe zu Gott bewusst wird. Der Advent glaubt und verkündet uns Menschen, dass Gott uns von sich aus entgegen kommt und dass wir dies nur wahrnehmen müssen. „Wachet und betet“ - ruft uns der aufrüttelnde Evangeliumstext zu und meint damit, dass wir aus der Verwirrung in die Ruhe, in das Eigentliche kommen sollten.

 

Jedes Jahr bin ich selbst ein wenig ratlos. Soll ich zu Beginn des Adventes den Ausstieg aus der Konsumspirale und des Shoppinggalopps predigen? Würde dann nicht, wenn alle Menschen daraus aussteigen, die Wirtschaft ein Problem bekommen, wenn gerade die kaufkraftintensivste Zeit von der Suche nach Sinn und neuer Spiritualität durchkreuzt werden würde? Und: Kann eine Adventspredigt sich überhaupt gegen den Sog dieser vorweihnachtlichen Zeit stemmen? Wahrscheinlich sind es nur wenige Menschen, die sich auf die Kernbotschaft des Advent einlassen. Diejenigen aber, die es tun, werden sicher belohnt. Für sie werden die dunkelsten Tage und die längsten Nächte des Jahres zu einer Fundgrube der Gottesnähe. Obwohl alles dunkel wird, wird es im Inneren des glaubenden Menschen  immer heller. Denn durch Wachen und Beten wird die Angst vorm Untergang der Welt, wie auch die eigene Lebensangst geringer. Der Mensch wird in der Lage sein, sein Haupt zu erheben und sich vor den Menschensohn hin zu stellen. Er wird befähigt, den Hintergrund der Welt neu zu erkennen und hoffend zu glauben, dass alle Knoten des Herzens lösbar sind.

 

Der Advent beginnt also mit der großen Verheißung, dass alles gut wird und dass kein Schrecken und kein Chaos Gott davon abhalten kann, sich aufzumachen, um uns zu treffen. Diese Verheißung wird eingelöst und ist schon erfüllt, denn in unseren Herzen ist Christus ja schon gegenwärtig .Die erste Ankunft ist schon geschehen. Aber noch größeres steht vor uns: die volle Begegnung mit IHM, unserem Gott