Erfüllte Zeit

10. 12. 2006, 7.05 Uhr - 8.00 Uhr, Österreich 1

 

 

 

„Johannes der Täufer“

(Lukas 3, 1 – 6)

von Univ. Prof. Gerhard Langer

 

 

Dem Lukasevangelium ist es überaus wichtig, die Geschichte des Propheten Johannes mit Jesus zu verknüpfen. Es hat dies bereits bei der Verkündigung der Geburt getan. An dieser Stelle nun wird Johannes in seiner Funktion als Prophet der Umkehr beschrieben. Die exakte zeitliche Einordnung ist wichtig, will doch gerade nach den Geburtsgeschichten und ihren zahlreichen mythologischen Anspielungen der konkrete Ort, die politische Situation und die Zeit nicht im Unklaren gelassen werden. Der Prophet spricht in das Hier und Heute, nicht in das Irgendwann und Irgendwo. Gleichzeitig aber dient die Aufzählung der Wertung und Bewertung einer Zeit. Am Anfang steht die politische Macht, voran der Kaiser, dann die von ihm abhängigen Beherrscher der Region. Ihnen folgen die religionspolitischen Größen. Das Umfeld ist abgesteckt, die Macht beschrieben. Ihr steht der streitbare Johannes gegenüber, inzwischen ein junger Mann, der in die Fußstapfen des großen Jesaja tritt. Seine Botschaft spricht von sozialer Gerechtigkeit. Die Erneuerung des Menschen wird symbolhaft in der Taufe ausgedrückt, muss aber in der konkreten Lebenswelt ihre Spuren hinterlassen. Nur so versteht man den Ruf aus Jesaja 40, 3, den Weg für den kommenden Herrn zu bereiten. Im Jesajabuch stand er ganz unter der Erwartung des sich zuwendenden, liebenden Gottes, dessen Strafgericht zu Ende ist. Bei Johannes hingegen macht erst die Umkehr und Buße die kommende Zuwendung Gottes aus. Dieser Teil der Botschaft darf nicht überlesen werden. Viel zu rasch hat man nämlich die Rede des Johannes ausschließlich als Vorbereitung auf Jesus und seine göttliche Beglaubigung gelesen und dabei den Inhalt ignoriert. Aber gerade er zeigt die Verbindung zu Jesus an, der klar macht, dass seine Botschaft den Armen gilt und den Entrechteten und dass sie um die Herstellung von Gerechtigkeit kreist.

 

Die Botschaft des Jesajabuchs bestimmt auch das Auftreten Jesu, das in Lukas 4 beginnt und dort Jesaja Kapitel 61 zitiert. Die Rede von der Befreiung der Armen und der Gefangenen ist nicht einfach floskelhaft, sondern beinhaltet die Kritik an den Herrschenden und zeigt die Solidarität Gottes mit den Menschen, die in politischer Ohnmacht leben und Verfolgung erleiden. Alle Menschen werden das Heil sehen, das von Gott kommt, heißt es nach der Einheitsübersetzung in Vers 6 unseres Evangeliums. Das griechische Soteria, das Heil, kann und soll mit Rettung übersetzt werden, was im hebräischen Jeschua heißt. Die Rettung kommt nach Ansicht der Bibel immer von Gott. Sie ist im Evangelium vermittelt durch Jesus/Jeschu, dessen Name bewusst gewählt ist. Der Blick auf die Menschheit ist daher aus der Sicht des Lukas ein doppelter. Er kennzeichnet zum einen die universale Botschaft der Rettung der Welt durch Gott, die sich auch schon im Buch Jesaja findet und blickt zum anderen auf Jesus als den, den die Welt als Retter/Soter erkennen wird.

 

Diese Botschaft wird in dem Augenblick zur Farce, wenn sie von der Bußpredigt des Johannes oder den klaren Stellungnahmen Jesu selbst losgelöst wird. Denn nur dann wird die Rettung der Menschheit sichtbar werden, wenn die Menschen, die sie zu vermitteln vorgeben, ihren Taufauftrag ernst nehmen und Gerechtigkeit nicht nur predigen, sondern auch tun. Noch immer gilt, was Johannes im Anschluss an unseren Evangelienausschnitt einem Fragenden zur Antwort gibt, was er konkret tun soll: „Wer zwei Gewänder hat, der gebe eines davon dem, der keines hat, und wer zu essen hat, der handle ebenso.“