Erfüllte Zeit

17. 12. 2006, 7.05 Uhr - 8.00 Uhr, Österreich 1

 

 

 

„Was sollen wir also tun?“

(Lukas 3, 10 – 18)

von P. Dr. Bernhard Eckerstorfer, Benediktinerstift Kremsmünster

 

 

„Was sollen wir tun?“ Viele Menschen sind zusammengelaufen; sie wollen Johannes begegnen und sich von ihm taufen lassen. „Was sollen wir tun?“ fragen sie ihn nach seiner harschen Aufforderung zur Umkehr. Sie erwarten eine Weisung, sehnen sich nach Orientierung und Halt. Die Anweisungen des Täufers sind nicht spektakulär und außergewöhnlich: Der fragenden Menge trägt er auf, mit den Bedürftigen Kleidung und Nahrung zu teilen; die Standpauke bleibt aus. Auch die damals verhassten Zöllner macht Johannes nicht vor den anderen herunter; sie sollen sich mit den festgesetzten Abgaben begnügen und nicht korrupt sein. In ihrer Frage meldet sich ja schon ein Stück Offenheit – und darauf kommt es auch bei den Soldaten an: Was denn sie tun sollen? Nicht plündern, sich mit dem Sold begnügen. Für Johannes den Täufer zählt die Bereitschaft, sich innerlich neu auszurichten und von einem anderen alles zu erwarten. So heißt es auch sehr schön im Evangelium: Voll Erwartung war das Volk.

 

Warten worauf? Auf jemanden, der nicht mehr bloß ein bestimmtes Verhalten einfordert, sondern den ganzen Menschen haben will. Auf die Frage „Was sollen wir tun?“ stoßen wir an weitere entscheidende Stellen des Neuen Testaments. Hier findet sie ihre Erfüllung ganz in dem, was Jesus Christus für einen bedeutet. Der reiche Jüngling etwa fragt den Herrn, was er denn noch tun müsse, um das ewige Leben zu gewinnen (Lk 18, 18). Zu Aufsehen erregenden Taten für das Reich Gottes wäre er bereit; aber Jesus verlangt, er solle sich von seinem Besitz lösen, damit er ihm mit freiem Herzen folgen kann. „Was sollen wir tun“, das ist auch die Reaktion jener Menschen, die beim Pfingstereignis staunen und spotten, dann aber von der Pfingstpredigt des Petrus mitten ins Herz getroffen werden: „Was sollen wir tun, Brüder?“ (Apg 2, 37) Oder Saulus vor Damaskus: Er war ausgezogen, dort die ersten Christen zu verhaften. Doch auf dem Weg trifft ihn ein helles Licht, er stürzt zu Boden und hört Jesus sagen: „Saul, Saul, warum verfolgst Du mich?“ (Apg 9, 4) Paulus berichtet selbst: „Ich sagte: Herr, was soll ich tun?“ (Apg 22, 10) Nochmals kommt die Frage, als Paulus und Silas in Philippi im Gefängnis sitzen: Da fallen ihnen die Fesseln ab, die Türen springen auf, aber die beiden bleiben dennoch in der Zelle. Der Gefängniswärter findet sie so, fällt ihnen zu Füßen und fragt: „Was muss ich tun, um gerettet zu werden?“ (Apg 16, 30)

           

Wie ein Refrain zieht sich diese Frage durch das Neue Testament - von Johannes dem Täufer, über Jesus bis hin zu den ersten Christen. Damit ist keineswegs gemeint: „Was muss ich denn noch alles tun, um bei Gott Gefallen zu finden?!“ Das wäre die Haltung einer zwanghaften, anstrengenden Religion. Nein: „Was soll ich tun“ – darin äußert sich eine immense Offenheit anderen und Gott gegenüber. Es ist eine Bereitschaft zum Hören! Mein Ordensvater, der hl. Benedikt, lässt seine Regel auch mit diesem einen Wort beginnen: „Höre!“ – „Höre auf die Weisung des Meisters.“ In bildreicher Sprache heißt es weiter: „Neige das Ohr deines Herzens.“ Neige das Ohr deines Herzens!

           

Hier kommt uns aus der Heiligen Schrift und der christlichen Tradition eine Melodie entgegen, die ganz anders klingt als das, was wir meistens in unserer Welt vernehmen. Da heißt es doch eher: „Jetzt rede ich! Hör mir gut zu, ich weiß, wo es lang geht!“ Wer keine schnelle Antwort gibt, gerät leicht in Verdacht, keine Ahnung zu haben; andere um Rat bitten gilt als Zeichen der Unselbständigkeit; bei jemandem in die Lebensschule gehen schmeckt nach selbstverschuldeter Abhängigkeit: „Ich habe was zu sagen!“ Und so treffen wir manchmal auf lauter Experten, die Patentrezepte für Politik und Wirtschaft, Gesellschaftsfragen und die Konflikte im Nahen Osten haben – ob sie diese nun am Stammtisch, in der Sauna oder bei einer Weihnachtsfeier zum Besten geben.

           

Im Advent würde uns eine andere Haltung gut anstehen. Voll Erwartung dürfen wir sein und immer wieder fragen: „Herr, was soll ich tun?“ Unsere Welt würde sich schlagartig ändern, wenn wir in der Familie, am Arbeitsplatz, im Glauben diese Frage zuließen und unsere eigenen Einbildungen und Fixierungen los ließen. Ein hörender Mensch nimmt sich zurück, um mehr zu empfangen, als er sich selber geben kann. Er weiß: Das Wichtigste wird uns geschenkt, angefangen vom eigenen Leben. Das ist der Weg auf Weihnachten zu: Aufmerksam zu sein auf die kleinen Dinge, in denen sich das Kommen einer größeren Wirklichkeit ankündigt; staunend wahrnehmen, was Großes um mich herum und an mir geschieht.