Erfüllte Zeit

07. 01. 2007, 7.05 Uhr - 8.00 Uhr, Österreich 1

 

 

 

„Die Taufe Jesu“

(Lukas 3, 15 – 16. 21. 22)

von Pfarrer Christian Öhler

 

 

Jugendliche verbringen viel Zeit vor dem Computer und sehen gerne Filme auf DVD. Als Seelsorger ist es mir ein Anliegen, einen Zugang zu ihrer Lebenswirklichkeit zu finden. Und dazu gehört auch das, was sie sich anschauen, was ihre Phantasie beschäftigt. Science-Fiction-Filme stehen hoch im Kurs. Die Filmtrilogie Matrix ist mittlerweile schon wieder etwas aus der Mode gekommen, Matrix I. steht aber immer noch ganz oben auf der Beliebtheitsskala. Ich habe mir den Film zwischen den Feiertagen wieder einmal angeschaut und abermals gestaunt. Die Analogie zu den Motiven des heutigen Evangeliums am Fest der Taufe Jesu ist verblüffend.

 

Zunächst das Thema: die Zeit der Menschen ist abgelaufen, die Zukunft gehört den Maschinen. Die Zukunft gehört der Matrix, einer computergenerierten virtuellen Welt, „geschaffen, um uns unter Kontrolle zu halten“. So sagt es einer der letzten Menschen, der den Namen „Morpheus“ trägt. In dieser „schönen neuen Welt“ (Aldous Huxley) werden Menschen nicht länger geboren, sondern gezüchtet. Sie leben in einer Scheinwelt, eingeschlossen in einem Gefängnis, das sie nicht schmecken, nicht sehen, nicht berühren können. Um sie von der Wahrheit über ihre wirkliche Lage abzulenken, wird ihnen allerhand vorgegaukelt.

 

Die Menschen haben es sich selber zuzuschreiben, dass es so weit gekommen ist.

Sie haben „den Himmel verdunkelt“, sie haben aus einer blühenden Welt eine Wüste gemacht. „Willkommen in der wirklichen Welt, willkommen in der Wüste der Wirklichkeit!“ ruft Morpheus. Er erinnert an den Täufer Johannes. Der geht ja auch hinaus aus Jerusalem, aus der von feindlichen Mächten besetzten Stadt, der heruntergekommenen Stadt, der Scheinwelt. Er geht in die Wüste. Er stellt sich der Realität, der ungeschminkten.

 

Morpheus baut eine Widerstandsorganisation auf. Sie besteht aus ein paar Menschen, die noch übrig geblieben sind in der Maschinenwelt. „100% Menschen, aus kontrolliert biologischem Anbau“, wie einer von ihnen humorvoll bemerkt. Ein kleiner Rest, der sich seine Menschlichkeit bewahren konnte. Die Organisation heißt „Zion“. In der Lesung, die in der Wortliturgie dem heutigen Evangelium vorausgeht, wird Zion als „Botin der Freude“ gepriesen. Welche frohe Botschaft soll Zion ausrichten? Dass Gott zurückkehrt und damit die Menschlichkeit. Er kommt mit Macht. Sein Arm ist stark und behutsam. Er trägt und sammelt, während der Teufel alles durcheinanderbringt, der „diabolos“, der „Durcheinanderwerfer“. Eine kleine Gemeinschaft wagt die Konfrontation mit der diabolischen, teuflischen Matrix und ihren Agenten.

 

Morpheus erinnert an Johannes den Täufer. Neo erinnert an Jesus. Mit bürgerlichem Namen heißt er im Film Anderson. Griechisch „andros“ = Mensch. Englisch „son“ = Sohn. Er ist der Menschensohn. Der Auserwählte. Der, über dem sich der Himmel wieder öffnet, den die Menschen aus eigener Schuld und tragischer Verstrickung verdunkelt haben. Er empfängt den Geist, d.h. er handelt nicht aus eigener Kraft, sondern aus der Kraft Gottes.

 

Genau wie Jesus unterliegt Neo im Kampf gegen die Macht der Bosheit – allerdings nach einem actionreichen Kampf, nicht wie ein Schaf, das zum Schlachten geführt wird. Das ist ein gravierender Unterschied. Stark wird´ s und wirklich berührend, als auch Neo wieder zum Leben erweckt wird, durch eine Frau mit dem Namen Trinity = Dreifaltigkeit. „Du kannst unmöglich tot sein. Es ist nicht möglich, weil ich dich liebe“.

 

Die Stimme von Trinity erinnert an die Stimme am Jordan, die vom Himmel her Jesus zuruft: „Du bist mein Sohn, der Geliebte, an dir habe ich meine Freude!“

Die Liebe ist stark wie der Tod, die göttliche Liebe ist sogar stärker als der Tod, sie besiegt den Tod. „Selbst gewaltige Wasser vermöchten nicht, die Liebe zu löschen; auch Ströme schwemmen sie nicht fort“ (Hohelied 8,7)

 

Die Berührung mit dem Tauf-, mit dem Weihwasser könnte uns Sonntag für Sonntag an diese göttliche Liebeserklärung erinnern. Und schon ein einziger Geistesblitz, ein kleiner Funke genügt, um die Glut von neuem zu entfachen, die Begeisterung für die Sache Jesu. Das darf ich immer wieder auch mit Jugendlichen erleben, wenngleich ihre Zugänge andere sind als die mir Vertrauten.